Nach dem Sturz in Syrien: Der Fußball als einigende Kraft

    Nach dem Sturz in Syrien:Der Fußball als einigende Kraft

    von Ronny Blaschke
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    Nach dem Regimewechsel in Syrien kehren Fußballer aus dem Exil zurück. Fans gedenken nun öffentlich ihrer getöteten Freunde. Und Unterstützer von al-Assad stehen in der Kritik.

    Jose Maria Lana, Cheftrainer der syrischen Fußballnationalmannschaft der Männer
    Jose Maria Lana, Cheftrainer der syrischen Fußballnationalmannschaft der Männer
    Quelle: imago/ITAR-TASS

    Beim Fußballverein Tishreen aus der syrischen Hafenstadt Latakia war Fawaz al-Assad lange Ehrenpräsident. Der Cousin des Diktators Baschar fuhr gern mit einem Cabrio ins Stadion ein, begleitet von Soldaten und Gewehrschüssen. Während des Bürgerkrieges gewann Tishreen dreimal die syrische Meisterschaft.
    Von einer Nähe zur Elite ist bei Tishreen nichts mehr zu sehen. Nach dem Sturz des Regimes vor zehn Tagen veröffentlichte der Klub Fotos von zwei ehemaligen Spielern, die in Schutzwesten hinter Meisterschalen posieren. Beide hatten den Fußball aufgegeben, um mit den Rebellen zu kämpfen.

    Gedenken für getötete Spieler

    "Die Gefühle von Freude und Aufbruch sind auch im Sport zu spüren", sagt der aus Syrien stammende Fußballexperte Nadim Rai, der seit 2015 in Deutschland lebt und Vorträge über den syrischen Fußball hält. "Die Strukturen werden sich grundlegend ändern. Aber es wird Jahre dauern, um die Instrumentalisierung im Fußball aufzuarbeiten."
    Dieses von Saudi Press Agency, der offiziellen Nachrichtenagentur von Saudi Arabien, zur Verfügung gestellte Foto zeigt Baschar al-Assad, Präsident von Syrien, während des arabischen Gipfels.
    Wie es für die Menschen in Syrien nach dem Sturz von Assad weitergeht, ist noch unklar. Was aber sichtbar wird: Der Terror und die Gewalt, die das Regime ausübte. 15.12.2024 | 2:51 min
    Lange war im Fußball das Gedenken an die Kriegsopfer verboten. Nach Schätzungen mehrerer Exilanten sollen mehr als 40 Spieler aus den ersten beiden syrischen Ligen während des Krieges getötet worden sein. Fans erinnern nun an Abdul Baset al-Sarout. Als erster bekannter Fußballer hatte er sich schon 2011 gegen al-Assad gestellt. Al-Sarout, der Al-Kaida nahegestanden haben soll, kam 2019 bei Gefechten ums Leben.

    Stadien dienten in Syrien als Gefangenenlager

    Während des Krieges ließ das Regime den Ligabetrieb in den vermeintlich sicheren Städten Damaskus und Latakia fortsetzen, um Normalität vorzutäuschen. Zeitgleich wurden Stadien in Aleppo und Homs als Gefängnisse und Flüchtlingslager genutzt. Aus dem Abbasiden-Stadion in Damaskus wurden Raketen abgefeuert.
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    Auch der Nahost-Konflikt macht vor dem Fußball nicht halt. Zu dem Thema posteten einige Spieler problematische Statements.18.10.2023 | 1:20 min
    Baschar al-Assad zeigte sich selten auf den Ehrentribünen, und trotzdem stützte der Fußball seine Agenda. Erst vor einem Monat trat das syrische Nationalteam in Wolgograd in einem Freundschaftsspiel gegen Russland an, in jenem Land also, wo al-Assad inzwischen von seinem Verbündeten Putin Asyl erhielt. "Auch im Fußball analysiert man nun genau, wer das Regime unterstützt hat", sagt Robert Chatterjee vom Nahost-Magazin "Zenith".
    Im Fokus: Nationaltorwart Ibrahim Alma. Bei einem Trainingslager Syriens 2018 in Österreich hatte Alma von einem Ordner den Rauswurf von Fans gefordert, die Banner gegen al-Assad schwenkten. Mehrfach sollen Vereine in Saudi-Arabien die Verpflichtung Almas abgelehnt haben, weil er sich mit Vertretern des syrischen Regimes zeigte.

    Der Fußball kann in Syrien nun zu einem Symbol der Einheit werden, aber dafür muss der Verband Vertrauen zurückgewinnen.

    Fußballexperte Nadim Rai

    Es ist wahrscheinlich, dass die Stadien, die der Familie al-Assad gewidmet waren, bald neue Namen erhalten. Es ist sogar möglich, dass zwei staatseigene Vereine aufgelöst werden: Der Rekordmeister aus Damaskus Al Jaish, übersetzt: die Armee. Und der Stadtrivale Al Shorta, die Polizei.
    Syrische Bürger feiern während des dritten Tages der Übernahme der Stadt durch die Aufständischen in Damaskus, Syrien, Dienstag, 10. Dezember 2024.
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    Heimspiele im Exil

    Die syrische Nationalmannschaft hat ihr letztes Spiel vor heimischem Publikum 2010 in Damaskus gegen den Irak bestritten. Seither muss sie für "Heimspiele" ins Exil reisen, nach Katar oder in die Vereinigten Arabischen Emirate. Gerade hat der Asiatische Fußballverband die Spieltermine fürs Frühjahr bekanntgegeben. Der Verband veröffentlichte dazu die syrische Flagge des alten Regimes. Fans empörten sich darüber, denn inzwischen hat auch der syrische Verband ein neues Logo.
    Der Journalist Robert Chatterjee schlägt vor, dass der DFB das syrische Nationalteam zu einem Freundschaftsspiel nach Deutschland einlädt: "Das wäre ein wichtiges Zeichen der Solidarität."

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    Quelle: Reuters

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