Deutschland - Niederlande: Andrich, die ideale zweite Sechs

Robert Andrich musste kurz ein bisschen überlegen, ehe der Abräumer der deutschen Nationalmannschaft in der Pressekonferenz auf dem DFB-Campus antwortete. "Worker, Türsteher oder Bodyguard?" Welcher Spitzname passt denn nun am besten? Darauf entgegnete der Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen bloß: "Rob ist ganz gut."

Ihm muss niemand ein zusätzliches Attribut anheften, um seine Merkmale herauszustellen. Der Mann mit dem markanten Bart ist neuerdings erster Spaßverderber bei der DFB-Auswahl. Er soll in erster Linie die Stabilität herstellen.

Der 29-Jährige hat auch für den Härtetest gegen die Niederlande in Frankfurt (Dienstag, 20.45 Uhr) eine Einsatzgarantie erhalten. Wenn es in seinem erst dritten Länderspiel so gut läuft wie gegen Frankreich (2:0), könnte der Nebenmann für Toni Kroos im Mittelfeld für die Heim-EM bereits gefunden sein. "Beide Sechser ergänzen sich sehr gut", sagt Bundestrainer Julian Nagelsmann, der in einigen Bereichen auf funktionierende Pärchen setzt. Das Mittelfeld-Tandem bildet fürs Gleichgewicht das fraglos wichtigste.

Andrich kennt seine Rolle an der Seite von Kroos genau.

Andrich weiter: "Er ist einfach super, und ich versuche ihm mit meiner Spielintelligenz so zuzuarbeiten, dass er seine unfassbaren Qualitäten ausspielen kann." Hörte sich zwar verdammt demütig an, beschrieb aber authentisch die Aufgabe des gebürtigen Potsdamers, den mit dem Mecklenburger Kroos mehr verbindet als nur der frühere Berufswunsch, Kindergärtner zu werden.

Dessen Bruder Felix Kroos verriet im Podcast mit Toni, in dem Andrich gerade vergangene Woche zu Gast war: "Ihr seid zwei Leute, die mir einiges bedeuten." Diese beiden, meinte der jüngere Kroos-Bruder, seien seine "Traum- und Wunsch-Doppelsechs" für die EM, weil sich beide auch privat gut verstehen. Der Weltstar und der Zuarbeiter scheinen tatsächlich gut zu passen. Als Ersatz stünde sonst Pascal Groß (Brighton & Hove Albion) parat.

Andrich muss sich selbst mitunter kneifen, wie weit er es im fortgeschrittenen Alter dann doch gebracht hat. "Es gibt schon immer mal Momente, in denen man das kurz genießen kann."

Gegen die Franzosen trieb der Arbeiter sogar den flinken Künstler Kylian Mbappé mit seiner Hartnäckigkeit zur Weißglut: Der am Ende frustrierte Weltstar hätte sich in Lyon fast eine Tätlichkeit erlaubt.

"Die Mentalität, immer eklig zu sein und mich immer zu wehren, resultiert daraus, dass ich erst mit 17, 18 Jahren richtig gewachsen bin. Früher war ich einer der Kleinsten", erzählte Andrich in der Pressekonferenz. Gerade als es dann vom Kleinfeld aufs Großfeld ging, habe er sich ordentlich wehren müssen. "Diese Mentalität habe ich nie verloren."

Jetzt kämpft er mit der Werkself noch um drei Titel, hat die Heim-EM vor Augen, wobei er das von Nagelsmann oft bemühte Momentum eigentlich gar nicht auf seiner Seite hat.

Unter dem Bayer-Kreuz haben der Schweizer Nationalmannschaftskapitän Granit Xhaka und Argentiniens Weltmeister Exequiel Palacios auf seiner Position zumindest in der Liga oft die Nase vorn – Andrich ist aber dennoch schon wieder auf 32 Pflichtspieleinsätze gekommen.

Natürlich profitiert auch er von der Aura eines Xabi Alonso. Der spanische Weltmeister habe ihm eine andere Mentalität vermittelt, verriet Andrich. Nämlich "in keiner Phase eines Spiels den Kopf zu verlieren. Ich war früher sehr emotional, manchmal zu emotional". Die neue Besonnenheit könnte jetzt helfen, um im Prestigeduell gegen die "Oranjes" seinen Platz neben Kroos zu festigen.