Potsdams Frauen zurück: "Vergangenheit schießt keine Tore"

    Interview

    Potsdam zurück in der Bundesliga:Gebhardt: "Vergangenheit schießt keine Tore"

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    Turbine Potsdam ist zurück in der Frauen-Bundesliga. Feiert der Traditionsverein zum Saisonstart gegen Meister Bayern sein Comeback als Top-Team?

    Marco Gebhardt
    Turbine-Trainer Marco Gebhardt
    Quelle: imago

    Aufsteiger 1. FFC Turbine Potsdam und die Deutschen Meisterinnen vom FC Bayern München eröffnen am Freitag (ab 16:50 Uhr live im ZDF) die neue Saison der Frauen-Bundesliga. ZDFheute sprach mit Turbine-Trainer Marco Gebhardt über die Erwartungshaltung beim einstigen Seriensieger aus Potsdam.
    ZDFheute: Herr Gebhardt, Sie sind Sommer 2023 mit Turbine abgestiegen und ein Jahr später zurück im Oberhaus. Wie fühlt sich das an: wie eine Rückkehr oder ein Neustart?
    Marco Gebhardt: Beides. Als ich März 2023 zu Turbine kam, war schon viel Negatives im Verein, mit der Mannschaft passiert. Wir hatten damals unter anderem 32 Spielerinnen aus 16 Nationen. Es war klar, dass der Kader so nicht zusammenbleibt. Wir haben damals also schon geschaut, dass wir eine schlagkräftige Truppe für die Zweitliga-Saison zusammenbekommen, mit der wir aufsteigen können.

    Marco Gebhardt, geboren im sachsen-anhaltinischen Quedlinburg, ist ein ehemaliger Profi-Fußballer und seit März 2023 Turbine-Trainer. Er spielte u.a. für die Bundesligavereine Eintracht Frankfurt (1997 bis 2002) und Energie Cottbus (2002 bis 2004) sowie für den damaligen Zweitligist Union Berlin (2007 bis 2010). 2011 trainierte er mit Türkiyemspor Berlin seinen ersten Verein. Später war er acht Jahre lang Chefcoach von Blau-Weiß 90 Berlin, ehe er in den Frauenfußball wechselte.  

    ZDFheute: Turbine Potsdam ist nicht irgendein Verein, sondern sechsfacher Deutscher Meister und zweifacher Champions-League-Sieger. Wie kommen Sie zurück ins Oberhaus: stolz oder demütig?
    Gebhardt: Selbstbewusst und demütig. Turbine hat einen Namen, in Deutschland und international. Aber wir sind ein Aufsteiger. Tradition und Vergangenheit schießen keine Tore. Wir wissen, was wir können, und was nicht, woran wir arbeiten müssen.

    Werbebanner Turbine Potsdam
    Quelle: ZDF

    Der 1. FFC Turbine Potsdam gehört zu den erfolgreichsten Frauen-Fußballklubs Europas. Der Verein ging aus dem 1971 innerhalb der BSG Turbine Potsdam gegründeten Frauenteam hervor und wurde 1999 eigenständig. Bis zur Wende wurden die "Turbinen" sechs Mal DDR-Meisterinnen. Zwischen 2004 und 2012 gewannen sie u.a. sechs Meisterschaften, einmal den Uefa Woman’s Cup und die erste Ausgabe der Champions League. Bekannte Spielerinnen waren Viola Odebrecht, Ariane Hingst, Fatmire Bajramaj oder Petra Wimbersky.

    ZDFheute: Ihr erster Gegner sind die Meisterinnen vom FC Bayern. Das war mal ein Spitzenspiel. Was ist es im August 2024?
    Gebhardt: (lacht) Immer noch ein Spitzenspiel. Nein, im Ernst: Die Bayern sind ein Kaliber für sich. Das ist klar. Aber ich habe als Spieler und Trainer schon Einiges im Fußball erlebt. Jeder sagt: Wenn du gegen den amtierenden Meister spielst - egal ob bei den Männern oder den Frauen - kannst du nur gewinnen. Vielleicht unterschätzen wir uns ein wenig. Wir sind eingespielt, die Bayern durch ihre Nationalspielerinnen, die bei Olympia waren, eventuell noch nicht. Wir haben einen Plan. Und wir spielen im "Karli", sprich zu Hause.
    ZDFheute: Was sind Ihre Saisonziele mit einer solchen Vergangenheit - und einer weniger glorreichen Gegenwart?

    Es gibt einen Spruch: Gekommen, um zu bleiben. Der passt zu uns.

    Turbine-Coach Marco Gebhardt

    ZDFheute: In dieser Saison steigt nur ein Team ab, denn ab kommender Saison soll die Liga um zwei Mannschaften auf 14 aufgestockt werden. Kommt Ihnen das entgegen?
    Gebhardt: Es nimmt etwas den Druck raus. Aber wir wollen in der Liga bleiben, als würden drei Teams absteigen. Nichts wäre fataler, als wenn wir uns auf dem Gedanken weich betten, dass nur ein Team runter muss.

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    Die Fußballerinnen des FC Bayern haben mit dem Gewinn des Supercups ein Zeichen gesetzt. Das strahlt auch auf den Start der Frauen-Bundesliga am Freitag bei Turbine Potsdam aus.
    von Frank Hellmann
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    ZDFheute: Seit Turbines leuchtenden Jahren hat sich Vieles verändert. Es dominieren Teams wie Wolfsburg, wie die Bayern, die von Männer-Klubs unterstützt werden. Auch RB Leipzig hat in allen Bereichen mehr Power als der reine Frauenfußballklub Turbine. Muss man sich in Potsdam an die Underdog-Rolle gewöhnen?
    Gebhardt: Es ist Wahnsinn, wie groß die Unterschiede schon sind zu diesen Teams. Die sind eindeutig im Vorteil. Wir müssen hingegen um jeden Cent kämpfen.
    ZDFheute: Sie haben noch keinen Hauptsponsor für die neue Saison gefunden.
    Gebhardt: Das ist ein sehr schwieriges Thema, hätte ich nicht gedacht. Aber daran kann man erkennen: Du spielst eine erfolgreiche Saison, steigst auf, hast einen Namen - und findest trotzdem keinen Geldgeber.
    ZDFheute: Was kann die Liga tun, um das zu ändern?
    Gebhardt: Das kann ich nicht sagen. Wie sollten auf uns schauen. Überall spürt man die Entwicklung im Frauenfußball, alles wird professioneller. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht abgehängt werden.
    ZDFheute: Was wäre der deutsche Frauenfußball ohne Turbine Potsdam?

    "Turbine ist ein Leuchtturm."

    Marco Gebhardt

    Gebhardt: Es wurde in der glorreichen Zeit zu Recht viel gefeiert, hat aber vielleicht einiges an Entwicklung verpasst. Unsere Infrastruktur, das muss man ehrlicherweise sagen, ist sehr bescheiden. Das soll keine Kritik sein, doch wir müssen uns vor Augen halten, dass wir professionelle Strukturen brauchen, dass wir den Support der Stadt, der Kommune brauchen und vielleicht auch ein eigenes Nachwuchsleistungszentrum, um mit der Zeit gehen zu können. Aber einfach kann jeder, oder? (lacht)
    Das Interview führte Martin Henkel.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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