Gruppe E der EM 2024: Die Gefahr eines zweiten Gijón
Entscheidung in der EM-Gruppe E:Kommt es zu einem neuen Pakt der Schande?
von Maik Rosner
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Remis gegen Belgien, vier Punkte auf dem Konto und dennoch Aus als Gruppenletzter? Dies könnte der Ukraine drohen, sollten die Slowakei und Rumänien einen Pakt schließen.
Den Slowaken um Nationalspieler Ondrej Duda (links) würde wie den Rumänen im letzten Gruppenspiel ein Unentschieden reichen.
Quelle: dpa
Eigentlich steht die Frage im Vordergrund, ob Belgien in der Gruppe E seiner Favoritenrolle gerecht wird. Ein Sieg gegen die Ukraine am Mittwoch wäre dazu nötig. Doch bei der Entscheidung über den Achtelfinaleinzug könnte es zu einer Wiederholung der "Schande von Gijón" kommen.
Was paradox klingt, erschließt sich bei genauerer Betrachtung der Konstellation und Tabelle, in der Rumänien, Belgien, die Slowakei und die Ukraine je drei Punkte aufweisen.
Belgien macht gegen Rumänien ein besseres Spiel als zum EM-Auftakt, vergibt aber Dutzende Chancen. Am Ende erlöst Kevin De Bruyne die Belgier, nach einem langen Pass vom Keeper.22.06.2024 | 8:22 min
Erinnerungen an Deutschland - Österreich 1982
Nie zuvor hatte es solch einen Gleichstand vor einem Abschlussspieltag einer EM-Gruppe gegeben. Doch die vermeintliche Hochspannung könnte in einer ähnlich unsportlichen Entscheidung münden wie bei der WM 1982 in Spanien.
Horst Hrubesch beim 1:0 gegen Österreich (Archivfoto 1982)
Quelle: dpa
Am 25. Juni vor exakt 42 Jahren froren Deutschland und Österreich in Gijón das Spiel beim Stande von 1:0 für die DFB-Elf mit Ballgeschiebe ein, weil beide mit diesem Ergebnis sicher weiterkamen. Der Nichtangriffspakt ging als "Schande von Gijón" in die Geschichte ein. Das punktgleiche Algerien schied aufgrund der schlechteren Tordifferenz aus.
Slowakei und Rumänien mit Remis sicher weiter
So ähnlich könnte das auch diesmal laufen. Während sich die Ukraine und Belgien in Stuttgart gegenüberstehen, sind parallel dazu die Slowakei und Rumänien in Frankfurt miteinander verabredet. Für alle vier Mannschaften gilt: Mit einem Sieg wären sie sicher weiter.
Für die Slowakei und Rumänien aber gilt auch, und das ist die Gefahr: Beide kämen auch dann sicher ins Achtelfinale, wenn sie sich auf ein Unentschieden "einigen" sollten. Denn mit je vier Punkten würden sie garantiert mindestens zu den besten vier Gruppendritten dieser EM zählen.
Ukraine könnte die Leidtragende sein
Das bedeutet auch: Sollten die Ukraine und Belgien ebenfalls unentschieden spielen, hätten alle vier Mannschaften vier Punkte. Dennoch wäre die Ukraine die Leidtragende, weil sie die schlechteste Tordifferenz aufweist und deshalb als Tabellenvierte raus wäre, trotz des höheren Punkteertrags als manch ein Dritter in den anderen Gruppen.
Die Ukraine hat den ersten Sieg bei der EM eingefahren. Gegen die Slowakei drehten die Ukrainer einen 0:1-Rückstand und gewannen am Ende verdient.21.06.2024 | 7:11 min
Doch die gute Nachricht für die Ukraine ist: Sie hat in diesem Fall - anders als Algerien 1982 - ihr Schicksal in der eigenen Hand. Gewinnt die Ukraine, zieht sie sicher ins Achtelfinale ein. Möglich wäre dann sogar der Gruppensieg.
Spieler der Ukraine spüren Verantwortung
Tränen der Rührung waren nach dem 2:1-Sieg gegen die Slowakei bei manch einem Spieler und Fan der Ukraine geflossen. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den Erfolg weiter aufgeladen mit einer übergeordneten Bedeutung.
Ukrainische Kinder von Kriegsopfern und Veteranen besuchen die EM-Vorrundenspiele der ukrainischen Nationalmannschaft. ZDF-Reporter Ralph Goldmann hat die Gruppe begleitet.21.06.2024 | 1:34 min
Belgien droht Aus nach Vorrunde wie bei WM 2022
"Wir alle müssen an unserer eigenen Stelle kämpfen, für Freiheit, Leben und die richtige Wahrnehmung der Ukraine in der Welt", hatte er gesagt und mit Blick aufs Spiel gegen Belgien appelliert: "Weiter geht’s, Leute! Es steht der nächste wichtige Kampf an." Nun geht es für die Mannschaft von Trainer Serhij Rebrov also auch wieder darum, ob sie den Menschen in der Heimat etwas Ablenkung und Freunde spenden kann von ihrem Kriegsleid.
Der ewige Geheimfavorit Belgien steht umgekehrt in der Pflicht, zumindest eine Niederlage zu vermeiden. Verliert die Mannschaft des in die Kritik geratenen Trainers Domenico Tedesco bei einem gleichzeitigen Remis zwischen der Slowakei und Rumänien, wäre der Favorit der Gruppe E und ewige Geheimfavorit auf einen Titel nach der Vorrunde raus. Wie schon bei der WM 2022 in Katar.