Anti-Rassismus-Geste: Was kann sie im Fußball verändern?
Einführung der FIFA:Anti-Rassismus-Geste: Was kann sie verändern?
von Florian Haupt, Barcelona
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Die FIFA reformiert das Prozedere gegen Rassismus und reagiert damit wohl auch auf die Zwischenfälle gegen Real-Star Vinicius Junior. Wird sich diesmal wirklich etwas bessern?
Vinicius Junior beschuldigt einen Fan, ihn rassistisch beleidigt zu haben.
Quelle: IMAGO / NurPhoto
Im Juni erging in Spanien ein historisches Gerichtsurteil. Drei Fans des Valencia CF wurden wegen rassistischer Beleidigung des Real-Madrid-Stürmers Vinicius Junior zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Es war die erste Freiheitsstrafe für ein solches Vergehen in der Geschichte des spanischen Fußballs.
Anti-Rassismus-Beschlüsse - Auftakt bei U20-WM
Zu den eifrigsten Gratulanten der Richter zählte damals Gianni Infantino, der Chef des Weltverbandes FIFA. "Ich freue mich über das entschiedene Vorgehen und Urteil der spanischen Behörden", schrieb er. Infantino verwies auf Beschlüsse des FIFA-Kongresses einen Monat zuvor in Bangkok und fügte hinzu:
Dieser Tage werden bei der U20-WM der Frauen, die am Wochenende in Kolumbien begann, die Bangkoker Beschlüsse erstmals umgesetzt.
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Anti-Rassismus-Geste wird eingeführt
Fortan sollen sie bei allen FIFA-Wettbewerben gelten. Die sichtbarste Neuerung ist eine Geste, mit denen die Spielerinnen anzeigen können, dass sie Ziel rassistischer Anfeindungen sind - ob aus dem Publikum, von Gegenspielern, Betreuern oder Offiziellen. Die Unparteiischen haben daraufhin das bekannte Dreistufenprotokoll zu aktivieren:
1. Unterbrechung der Partie. 2. Aussetzung - die Spieler werden in die Kabine geschickt. 3. Im Falle andauernder Beleidigungen: Abbruch.
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Einfach Wegschauen wird schwieriger
Bei der FIFA betont man, dass der Einführung der Geste - ein Überkreuzen der Unterarme vor der Brust - "extensive Konsultationen" mit aktuellen und ehemaligen Spielern vorangegangen seien. Die Idee dahinter scheint, die Akteure, die oft mangelnden Schutz oder mangelndes Gehör beklagen, mit mehr Initiative auszustatten. Das (TV-)Publikum erfährt direkt, dass sie Verunglimpfungen ausgesetzt sind. Das in der Vergangenheit oft praktizierte Wegschauen wird schwieriger.
Viele Spieler haben lange für Fortschritte gekämpft. Zwar darf man dem Schweizer Infantino, der sich selbst an Rassismus-Erfahrungen als italienisches Einwanderkind im Wallis erinnert, die Aufrichtigkeit in dieser Angelegenheit durchaus abnehmen. Doch es musste wohl erst ein so großer Star wie Vinícius von einem so mächtigen Klub wie Real Madrid kommen, damit es mal wieder etwas Bewegung gab.
Weltweit kommt es immer wieder vor, dass Fußballer und Fußballerinnen rassistisch beleidigt werden. Nun setzt der Weltverband mit einer offiziellen Geste ein neues Verfahren um.
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Kevin-Prince Boateng zog sich enttäuscht zurück
Traditionell erging man sich bei der FIFA wie in vielen nationalen Verbänden eher in Symbolpolitik. Einer wie Kevin-Prince Boateng, der 2013 wegen rassistischer Schmähungen in einem Auswärtsspiel seines Klubs AC Milan das Spielfeld verließ, wurde danach zwar nicht nur zu einer Rede vor die UNO geladen, sondern auch in eine Task Force der FIFA. Jahre später monierte er: "Nichts hat sich geändert."
Auch Vinicius, 24, musste erst mal etliche Beleidigungen erdulden. Viele rieten ihm, sie lieber wegzustecken, anstatt sich im Kampf gegen sie aufzureiben. Doch der Brasilianer warf sich mit ungewöhnlicher Streitlust ins Gefecht, unterstützt von seinem Verein und dessen Ausstrahlung. Das Gerichtsurteil im Juni bedeutete insofern einen Etappensieg. Vinicius widmete es "allen Schwarzen" und erklärte:
Real Madrid kann im Kampf gegen rassistische Hetze im Netz einen Erfolg verbuchen. Nach Beleidigungen gegen Antonio Rüdiger und Vinícius Jr. erhält ein User eine Bewährungsstrafe.
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Einhaltung der Richtlinien wird überwacht
Bei der FIFA soll nun ein Gremium von Ex-Profis die Einhaltung von fünf Richtlinien überwachen. Der Weltverband will dafür Sorge tragen, dass rassistische Vorfälle als spezifischer Verstoß mit besonders harten Sanktionen im Reglement aller 211 Mitgliedsverbände verankert werden. Und seinen Einfluss dafür nutzen, dass Rassismus in allen Ländern der Welt als Straftat behandelt und verfolgt wird. Die Zeit wird zeigen, ob sich diesmal wirklich etwas ändert.
Vinícius erhält den Druck auf Spanien derweil weiter aufrecht. In einem Interview mit CNN dieser Tage brachte er sogar einen Entzug der WM 2030 ins Gespräch: "Wenn sich die Dinge bis 2030 nicht ändern, muss man glaube ich den Austragungsort ändern."
Quelle: ZDF
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