Amputierten-Fußball: Mainz 05 stolzer Champion auf Krücken

Als seine Teamkollegen im Berliner Mommsenstadion noch ausgelassen den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte feierten, verschwand der Siegtorschütze zum 1:0-Finalsieg gegen den Hamburger SV (22.) in den Katakomben. Ein kurzes Interview, dann schnallte sich Christian Heintz seine Beinprothese an. Schließlich musste der Held dieses Bundesliga-Finals im Amputierten-Fußball selbst die Siegerehrung moderieren, bei der die schicke Meisterschale erstmals in der Geschichte an seinen Verein Mainz 05 vergeben wurde.

Der Nationalspieler mit der blonden Igelfrisur ist nicht nur einer der besten Amputierten-Kicker des Landes. Der aus Bodenbach bei Kelberg stammende Fußballer fungiert auch als ehrenamtlicher Geschäftsführer des Dachverbandes für diesen Sport.

Im vergangenen Jahr wurde der spektakuläre Fallrückzieher des Amputierten-Fußballer Radouane Chaanoune (Fortuna Düsseldorf) zum Tor des Monats Juni gewählt - mit riesigem Abstand vor dem Volley-Treffer des damaligen Nationalmannschafts-Kapitäns Ilkay Gündogan.

Dennoch fristet dieser für Zuschauer genau wie visuelle Medien sehr attraktive Sport für Menschen mit Behinderung ein Schattendasein in der Fußball-Nation Deutschland. Die Spieler reisen zu den Trainings-Einheiten ihrer Teams teilweise bis zu drei Stunden an, weil es bisher nur fünf Bundesliga-Vereine gibt.

Das hängt auch damit zusammen, dass die großen Profifußball-Vereine im Nachbarland einen bestimmten Betrag für inklusive Sportarten verwenden müssen. In der Türkei ist Amputierten-Fußball sogar eine Staatsangelegenheit: Beim WM-Finale 2022 in Istanbul jubelte neben dem Sport- und Gesundheitsminister auch Präsident Recep Tayyip Erdogan mit.

Die deutschen Amputierten-Fußballer müssen dagegen um die Existenz von Bundesliga und Nationalteam kämpfen. Die Unterstützung der in der Meisterschaft am Samstag für die Plätze eins bis drei geehrten Profi-Vereine Mainz 05, Hamburger SV und Fortuna Düsseldorf bleibt sehr begrenzt. Da Trainingsmöglichkeiten, dort mal ein Bus für Auswärtsspiele und teilweise Unterstützung von der Social-Media-Abteilung - das war’s.

Es wird zwar viel über Inklusion geredet, aber wenn es zum Beispiel um einen Promo-Auftritt der Könner auf Krücken in der Halbzeit-Pause eines Bundesliga-Spiels geht, kommen regelmäßig Absagen. "Auch weil der Platzwart Angst um den heiligen Rasen hat", berichtet Heintz. Er kämpft jetzt darum, dass sein Team bei einem Bundesliga-Heimspiel von Mainz 05 wenigstens eine Ehrenrunde mit der Meisterschale drehen kann.

Die mangelnde Unterstützung auch von Sponsoren ist unverständlich: Migranten mit Handicap wird hier bei der Inklusion genauso geholfen wie Kriegsgeschädigten aus der Ukraine oder Deutschen nach Schicksalsschlägen. Da ist zum Beispiel die Geschichte der Teenagerin Nicola Roos, der Blutkrebs ein Bein kostete. Jetzt wurde sie als einzige Frau in allen Bundesliga-Teams deutsche Meisterin mit Mainz 05 und kickt in der Nationalmannschaft.

Christian Heintz verlor vor 14 Jahren bei einem Autounfall seinen Unterschenkel und der Amputierten-Fußball rettete ihn vor der Depression, wie er in einem Interview verriet. "Wenn ich wählen könnte zwischen Bein zurück und dem Leben von früher oder Bein ab und wie es jetzt ist - dann würde ich immer wählen, wie es jetzt ist."