FC Bayern als FC Hollywood: Der Matthäus-Klinsmann-Dauerzoff

Der FC Bayern in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre, das ist aus heutiger Sicht ein schier unglaubliches Schauspiel. Es herrscht regelrecht Anarchie, eine Schlagzeile jagt die nächste, darunter auch so mancher Skandal.

Das Publikum schwankt zwischen Amüsement und Entsetzen darüber, wie der Verein alles Mögliche tut, um sich seinen Beinamen FC Hollywood zu verdienen.

Es ist jene Zeit, in der die Bundesrepublik nach dem Ende des Kalten Krieges den Übergang von Kanzler Helmut Kohl zu Gerhard Schröder erlebt, die Love Parade zum Massenspektakel und auch die Bundesliga bunter und schriller wird, maßgeblich befördert durch die "ran"-Berichterstattung mit Boulevardcharakter beim Privatsender Sat.1. Für die meiste Unterhaltung sorgt der FC Bayern aber schon selbst.

Saison 1995/96: Ein Aufbruch nach der klar verpassten Meisterschaft soll es sein, und nicht nur die Schale soll her, sondern auch der Titel in der Champions League. Dafür stellt der FC Bayern eine gefühlte "Europa-Auswahl" mit "vielen großen Egos" zusammen, wie sich der damalige Spieler Dietmar Hamann erinnert.

Die größten Egos prallen mit voller Wucht aufeinander: Matthäus, der nach seinem Achillessehnenriss fürs Comeback schuftet und mitansehen muss, wie der aus Tottenham verpflichtete Klinsmann zum Fanliebling wird.

Doch es läuft nicht rund unter dem neuen Trainer Otto Rehhagel. Auf die erste Niederlage bei Meister Dortmund (1:3) folgt die zweite gegen Mönchengladbach (1:2) und bald die dritte in Frankfurt (1:4).

Präsident Franz Beckenbauer wünscht sich nichts sehnlicher "für diesen Klub, dass der Lothar wiederkommt und zu seiner alten Stärke zurückfindet. Denn genau den Mann brauchen wir".

Beim Matthäus-Comeback im November 1995 gelingt ein 2:0 gegen Bremen, doch der Trubel geht nun erst so richtig los - und damit auch der Zwist mit Klinsmann. Schon bei Inter Mailand hatte es zwischen den beiden "ein paar Mal geknallt", erzählt Klinsmann. Beim FC Bayern explodiert es.

Das liegt auch daran, dass sie grundverschiedene Charaktere sind. Matthäus posiert mit seiner damaligen Frau Lolita Morena im Ferrari, Klinsmann schützt sein Privatleben und pflegt im Käfer Cabrio ein vergleichsweise bodenständiges Image. Das Duell belastet die Mannschaft, die immer mehr in Grüppchen und Solisten zersplittert.

Als Matthäus während einer Österreich-Reise mit dem FC Bayern zugetragen wird, dass Klinsmann und andere Spieler mit Bundestrainer Berti Vogts zeitgleich auf einer Südafrika-Reise der deutschen Nationalelf angeblich zusammensitzen und sich dafür einsetzen sollen, dass Matthäus nach seiner langen Verletzung nicht zurückkehren soll ins DFB-Team, eskaliert es. Matthäus regt sogar ein TV-Duell an, Klinsmann lehnt dankend ab und macht sich lustig über den Kollegen.

Am Ende ist Rehhagel entlassen, Beckenbauer eingesprungen, Dortmund wieder Meister, der FC Bayern holt aber den UEFA-Cup. Matthäus wird nicht für die EM 1996 aufgestellt und geht auf Weltreise. Währenddessen wird Klinsmann Europameister.

Kurz vor EM-Beginn hatte Matthäus in einem Interview mit der "Sport Bild" Klinsmann scharf attackiert.

Die Münchner Nationalspieler fordern danach ihren Arbeitgeber FC Bayern wegen der Dauerfehde sogar schriftlich auf, Matthäus aus der Münchner Mannschaft auszuschließen. Auch das bereitet den Boden für die nächsten Episoden beim FC Hollywood.