Vor 150 Jahren: Das erste Fußballspiel in Deutschland

Für das genaue Datum hätte man gern einen Videobeweis. Doch so etwas gab es vor 150 Jahren natürlich noch nicht. Im Herbst 1874 - gemeinhin wird der 29. September genannt - fand auf dem kleinen Exerzierplatz in Braunschweig ein denkwürdiges Ereignis statt: das mutmaßlich erste Fußballspiel auf deutschem Boden.

Konrad Koch und August Herrmann, beide Lehrer am Gymnasium Martino-Katharineum, hatten für die Premieren-Partie ihrer Schüler eigens einen Ball aus England, dem Mutterland des modernen Fußballs, organisiert. Die Spielversuche zeigten einen "so günstigen Erfolg", dass Koch im Jahr darauf ein erstes Regelwerk vorlegte.

"Der von verschiedenen Seiten ausgesprochenen Behauptung, das englische Fußball-Spiel eigne sich nicht für unsere deutsche Jugend, stellen sich die hierorts gemachten Erfahrungen geradezu gegenüber", schrieb Koch im Vorwort: "Und es ist daher nur zu wünschen, dass anzustellende Versuche und eine vorurteilsfreie Prüfung auch an anderen Orten für dieses Spiel günstig ausfallen möchten."

Der fromme Wunsch des studierten Theologen Koch ist in Erfüllung gegangen, schaut man auf die aktuelle Statistik des Deutschen Fußball-Bundes. Mit mehr als 24.000 Vereinen und rund 7,7 Millionen Mitgliedern ist der DFB der laut Eigendarstellung "mitgliederstärkste deutsche Sportfachverband". Und ein äußerst erfolgreicher noch dazu. Die Herren-Nationalmannschaft wurde bisher viermal Welt- und dreimal Europameister, die Damen kommen auf zwei Weltmeister- und acht Europameistertitel.

Das war 1874 freilich alles noch Zukunftsmusik. Einige der von Koch ersonnenen Regeln muten im Rückblick ebenso befremdlich an wie mancher Taktik-Talk der TV- und Radiomoderatoren von heute. Ein "falscher Neuner" oder eine "Holding Six" waren damals noch nicht auf dem Feld unterwegs. Wohl aber ein "Fußball-Kaiser", der seine Mannschaft anführte und anstelle eines Schiedsrichters Regelverstöße ahndete. Kenner der Materie wissen: Im Verlauf der Fußballgeschichte sollte mit Franz Beckenbauer nur noch Platz für einen Kaiser bleiben.

Ein waschechter Monarch steht am Beginn der frühen Fußballhistorie. Um 2500 vor Christus war unter dem chinesischen Kaiser Huang-Ti ein Spiel namens "Tsu Chu" populär. Im alten Amerika jagten Azteken, Mayas und Zapoteken runden Kugeln hinterher. Die Jugend Londons lieferte sich angeblich schon vor 850 Jahren recht wilde Schlachten, wie Zeitgenossen 1174 leicht angewidert notierten: "Sie haben Tricks, ihren Gegner mit den Ellbogen aufs Herz zu treffen und mit Fäusten unter die kurzen Rippen zu stoßen."

Noch rustikaler soll es beim "Giuoco del Calcio fiorentino" im Florenz des 15. und 16. Jahrhunderts zugegangen sein. Ursprünglich diente angeblich ein abgeschlagener Kopf als Spielball. Heute rollen Köpfe glücklicherweise nur im übertragenen Sinn: Wenn Trainer wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Erfolglosigkeit ausgewechselt werden.

Am 26. Oktober 1863 wurde schließlich in England die Football Association gegründet, der erste Fußballverband der Welt. Inzwischen haben die großen Vereine und nationalen Verbände zusammen mit der UEFA oder dem Weltfußballverband FIFA das früher als "Fußlümmelei" geschmähte Spiel nach Ansicht von Kritikern komplett durchkommerzialisiert.

Unternehmen pumpen Unsummen in den Spielbetrieb und finanzieren so die astronomischen Gehälter der Fußballstars mit. Auch in dieser Disziplin kommen die Vorreiter übrigens aus Braunschweig. Am 24. März 1973 lief erstmals eine Mannschaft in der Bundesliga mit Trikotwerbung auf: Eintracht Braunschweig ließ sich von Kräuterlikörhersteller Jägermeister flüssig halten. Als der FC Homburg in der Saison 1987/88 einen Kondomhersteller als Sponsor präsentierte, bekam der DFB kurzzeitig Schnappatmung. Aber das ist längst Geschichte.

Derweil folgt den millionenschweren Fußballstars ein ganzer Tross an Ärzten, Therapeuten und Beratern - dazu Friseure und Tätowierer für den passenden Look. Aber schon die Altvorderen sorgten sich 1874 um das Wohlergehen ihrer kickenden Gymnasiasten: "Es wird bei der Einrichtung des Spielplatzes dafür Sorge getragen, dass kein Schüler gegen den Ostwind anzulaufen hat."