Mehr Geld, mehr Spiele - und ein Abschied vom "Ally Pally"? Die kühnen Wachstumspläne des Verbands PDC könnten den Darts-Sport vor eine Zerreißprobe stellen.
Bald Vergangenheit? Fans bei der Darts-WM im Alexandra Palace in London.
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Für Darts gibt es seit Jahren nur eine Richtung: aufwärts. Aus dem Kneipensport hat die Professional Darts Corporation (PDC) eine europaweite Industrie entwickelt, die bei der WM in London ihren Höhepunkt feiert. Selbst in Deutschland schafft es Darts in der sportarmen Zeit in die Hauptnachrichten. Doch der Erfolg schafft für die Pfeile-Welt auch Probleme.
Tickets für Darts-WM schnell ausverkauft
Die 90.000 Tickets für die WM im Alexandra Palace waren in 15 Minuten ausverkauft. Die PDC hätte die dreifache Menge absetzen können, sagt Barry Hearn. Der frühere Verbandschef zieht im Hintergrund weiter die Strippen. Mit 3.500 Sitzen platzt die West Hall des altehrwürdigen "Ally Pally" in Nord-London aber längst aus allen Nähten.
Der frühere Verbandschef Barry Hearn.
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Kurzfristig reagiert Hearn mit einer Aufstockung des Feldes. Ab nächster Saison werden 128 statt 96 Teilnehmer starten. Das bläht die WM um acht Sessions von 16 auf 20 Tage weiter auf.
25.000 zusätzliche Tickets bringen ein Einnahme-Plus von gut 2,5 Millionen Euro. Auch wenn die PDC vor den Viertelfinals für die nähere Zukunft ein Bekenntnis zum "Ally Pally" abgelegt hat - mittel- bis langfristig wäre ein Ortswechsel nötig, um das Wachstum zu befeuern.
Sportliche Höchstleistung trifft auf lockere Kneipenatmosphäre: Bei der Darts-WM im Londoner "Alexandra Palace" sind die Spieler zum Greifen nah für ihre Fans.
von Katja Fuchs
PDC-Flirt mit Saudi-Arabien
Hearn, der als Promoter Snooker populär gemacht hat und sogar Angeln ins TV brachte, denkt gerne groß. Dass er jüngst Saudi-Arabien als Ausrichter ins Gespräch brachte, darf als Nebelkerze betrachtet werden - noch. Für die Fans macht die Ballermann-Atmosphäre einen erheblichen Teil den Reizes aus. Im Wüstenstaat würde das erst funktionieren, wenn für die Fußball-WM 2034 oder andere Sport-Events Ausnahmeregeln mit zum Beispiel den Blick auf Alkoholkonsum kommen.
In zehn Jahren findet die Fußball-WM in Saudi-Arabien statt. Islamwissenschaftler Sebastian Sons über die Menschenrechtslage sowie die wirtschaftlichen und sportlichen Chancen.14.12.2024 | 10:23 min
Naheliegend erscheint ein Umzug in die Haupthalle des Alexandra Palace. Das würde den Geist der WM erhalten, doch schieben logistische Probleme wie etwa die technische Ausstattung dieser Lösung einen Riegel vor.
Als Londoner Alternativen bietet sich laut Hearn das Exhibition Centre an, ein Zweckbau in den Docklands. Oder das "Olympia" in der City, eine historische Messe-Halle. In beide passen bequem 7.000 Fans, doppelt so viel wie im "Ally Pally".
Deutsche Fans fallen unangenehm auf
Wie sehr ein Ortswechsel den Charakter der WM verändern würde, ist die spannende Frage. Zumal dieser sich bereits wandelt. Die Zahl der Rüpelfans steigt - Anteil daran haben auch die deutschen Darts-Touristen, die ein Viertel des Publikums ausmachen. Zuletzt fielen sie unrühmlich auf, als sie Kai Gotthardts Erstrundengegner Alan Soutar unfair behandelten.
Christian Kist wirft den ersten Neun-Darter bei der Darts-WM 2025. Bei dem diesjährigen Turnier hat das "perfekte Spiel" Vorteile für alle.
Darts ist dabei, seine Unschuld zu verlieren. Das könnte die Stammkundschaft verprellen, die das Pfeilewerfen als sympathische Alternative zu Massensportarten lieb gewonnen hat. Der Umbruch könnte härter werden als 2008, als die WM aus der verrauchten Circus Tavern in Purfleet in die Metropole zog.
Höhere Preisgelder, höheres Niveau
Die PDC dreht ein immer größeres Rad. Die Expansion in Europa läuft heiß, neue Märkte sind im Blick. Werbekunden und Sponsoren werden namhafter. Die Zahl der Spieler explodiert, sie werden immer professioneller. Der Hype um Wunderkind Luke Littler beschert den nächsten Quantensprung.
Beide Spieler starten bei einem Wert von 501. Abwechselnd werden je drei Pfeile geworfen. Wer zuerst exakt auf Null kommt, gewinnt das "Leg". Drei Leg-Gewinne bedeuten einen Satz. Je nach Runde müssen die Spieler unterschiedlich viele Sätze gewinnen.
Mit der Mindestanzahl von neun Pfeilen (Neun-Darter) von 501 Punkten auf 0 zu kommen, gilt beim Darts als perfektes Spiel.
Wenn bald der Poker um neue TV-Rechte beginnt, hofft Hearn, den Erlös für das Hauptpaket mit WM und fünf Major-Turnieren von umgerechnet 15 auf 30 Millionen Euro zu pushen. Das Ziel: höhere Preisgelder. Die Prämie für den WM-Sieg etwa soll sich bald auf gut 1,2 Millionen Euro verdoppeln.
Wanderzirkus ohne Kontrapunkte
Womöglich hat es die PDC bislang versäumt, den Sport über die WM hinaus so mit Bedeutung aufzuladen, dass es auch für ein breites Publikum erkennbar wäre.
Tennis mag seinen emotionalen Höhepunkt in Wimbledon finden, aber alle Grand-Slam-Turniere sind als Marke weltweit anerkannt. Wer wüsste dagegen, wo all die Darts-Turniere stattfinden - geschweige denn welchen Sinn oder Historie sie haben? Bis jetzt ist alles "nur" Party.