Gefährlicher Zigaretten-Müll verseucht Städte und Strände

    Gefährlicher Zigaretten-Müll:Wie weggeworfene Kippen die Umwelt schädigen

    von Michael Wiedemann
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    Weltweit geht die Zahl der Raucher zurück. Aber Zigarettenkippen, die einfach auf der Straße landen, werden zunehmend ein Problem.

    Kippen liegen auf einer Straße. Verschwommen sind im Hintergrund die roten Schuhe eines am Zigaretten-Müll vorbeilaufenden Menschen zu sehen.
    Zigaretten-Müll auf der Straße: Kippen sind besonders schädlich für Lebewesen im Wasser (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Zigaretten sind der am häufigsten weggeworfene Gegenstand im öffentlichen Raum, stellt eine Anfang des Jahres veröffentlichte Studie fest. Die Glimmstängel, so die wissenschaftliche Arbeit weiter, seien Giftmüll, die wegen ihrer toxischen Inhaltsstoffe die Umwelt belasten. Zudem trügen die halbsynthetischen Mikrofasern der Zigarettenfilter zum weltweiten Plastikmüll bei.
    Nach Schätzungen von Wissenschaftlern konsumierten 2019 weltweit rund 1,13 Milliarden Raucher etwa sechs Billionen Zigaretten. Auch wenn seitdem die Anzahl der Raucher laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter die Eine-Milliarden-Marke gesunken ist, bleibt der Anteil weggeworfener Zigaretten enorm hoch. Denn rund drei Viertel der Kippen, so die Schätzungen, werden ohne Aschenbecher direkt in der Umwelt entsorgt.

    Städte leiden unter weggeworfenen Kippen

    Kein Wunder also, dass in manchen Städten bis zu 130 Zigarettenstummel pro Quadratmeter zu finden sind. Oder gar 1.600 Stummel je hundert Meter Strand. Damit stellen weggeworfene Kippen laut einer amerikanischen Meeresschutzorganisation den am häufigsten gefundenen Strandmüll dar.

    Zigarettenstummeln an Ostseestränden

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    Auch in Berlin ist dieses Problem seit Jahren bekannt. Der dortige Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) versucht schon lange, die Bevölkerung über die Gefahr von Zigaretten und Zigarettenstummeln aufzuklären.

    Pfandsystem für Zigaretten?

    Doch obwohl die Stadt schon 2020 ein Bußgeld für "Zigaretten wegschmeißen" auf 120 Euro erhöhte, hat sich nach Auskunft des Verbandes das "Kippen-Problem" in der Hauptstadt nicht verändert. Da helfe auch eine private "Initiative Zigarettenpfand" nicht, die in der Hauptstadt seit 2017 für ein Pfandsystem für Zigaretten und deren Verpackungen wirbt: "So eine Regelung wäre sehr aufwändig und müsste unabhängig kontrolliert werden", meint Carmen Schultze, Sprecherin des Berlin BUND.

    Das Pfand müsste schon so hoch sein, dass das Wegschmeißen der Kippen auch richtig weh tut.

    Carmen Schultze, Sprecherin des Berliner BUND

    Sonst wäre nach Auffassung von Schultze kein Effekt damit zu erzielen.
    Tatsächlich schlägt die "Initiative Zigarettenpfand" 20 Cent pro Zigarette, also 4 Euro pro Packung, als Pfand vor. Bei Rückgabe der Packung mit allen Kippen erhält der Kunde sein Pfandgeld wieder zurück, so der Vorschlag. Damit soll nicht das Rauchen an sich, sondern nur die Umweltverschmutzung, die oft damit einhergeht, finanziell belasten.

    Kippen sind giftiger Sondermüll

    Carmen Schultze ist da skeptisch: "So ein Pfandsystem einzuführen, halten wir für politisch schwer durchsetzbar."

    Außerdem handelt es sich bei den Kippen um giftigen Sondermüll, der fachgerecht entsorgt werden müsste.

    Carmen Schultze, Sprecherin des Berliner BUND

    Die Initiative schlägt dafür ein umfassendes Recyclingsystem vor, das quasi alle Bestandteile der Zigarette und der Schachtel wiederverwerten kann. Ein komplexes System, das technisch grundsätzlich wohl möglich wäre, aber, das gibt die Initiative zu, schon eine "Herausforderung" wäre.

    Kippen besonders schädlich für Lebewesen im Wasser

    Denn Zigaretten beinhalten Tausende von Chemikalien, die auch in den gerauchten Kippen noch wirksam sind. Bekannt ist mittlerweile, dass mehr als 40 von ihnen besonders schädlich für Lebewesen der aquatischen Welt sind.
    Da die Zigarettenkippen oft direkt in der Kanalisation landen oder deren Inhaltsstoffe durch Regenwasser ausgespült werden, gelangen beispielsweise polyzyklische Aromaten, Metalle, Phthalate, Nikotin und flüchtige organische Verbindungen in die Gewässer. Dort schädigen sie Fische, Amphibien, Weichtiere oder Wasserinsekten in Wachstum, Fortpflanzung und Verhalten. Und erhöhen erkennbar die Sterblichkeit dieser Lebewesen.
    logo erklärt Zigarettensucht
    logo! erklärt, warum es vielen schwer fällt, mit dem Rauchen aufzuhören.02.08.2023 | 1:20 min

    Bedrohung für Umwelt noch nicht vollständig bekannt

    Dabei ist das gesamte Ausmaß der Bedrohung der Umwelt durch achtlos weggeworfene Zigaretten noch nicht einmal bekannt. Denn der Forschungsschwerpunkt der Wissenschaftler lag bislang auf den Auswirkungen der Zigarettenstummel auf Wasserorganismen.
    Wie sich dieser Müll auf Pflanzen oder gar Landtiere auswirkt, ist noch sehr unbekannt. Erste Studien zum Verhalten, etwa von Nagern oder Vögeln, zeigen aber, dass die Kippen auch für diese Lebewesen eine echte Bedrohung darstellen.

    Wissenschaftler schätzen, dass es 5.000 bis 7.000 verschiedene Chemikalien in einer Zigarette gibt. Auch geraucht verbleiben sehr viele davon noch in den Stummeln. Zu den wichtigsten, auch für den Menschen gefährlichen Stoffen gehören:
    • Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): Sehr viele PAK gehören zu den sogenannten CMR-Substanzen, die krebserregend, erbgutschädigend und fortpflanzungsgiftig sind.
    • Weitere giftige und teilweise krebserregende Stoffe: beispielsweise Blausäure, Ammoniak, Acetaldehyd, Formaldehyd, Aceton und Glykole.
    • Pestizide: etwa Flumetralin, Pendimethalin und Trifluralin. Ihre Toxizität für Menschen ist nicht eindeutig geklärt.
    • Umweltgifte Blei und Arsen: Sie schädigen Nerven und Nieren bei Menschen und Tiere schwer, sind karzinogen.
    • Nikotin: potentes Nervengift, hochgradig wasserlöslich, erbgut- und schwangerschaftsschädigende Wirkungen bei Menschen. Nikotin verursacht auch bei Wasserlebewesen Schäden. Ausmaß und konkrete Wirkung sind noch nicht gut erforscht. Als Nervengift ist Nikotin auch für Verhaltensänderungen bei Insekten und möglicherweise auch bei Wirbeltieren verantwortlich.
    • Filter: Besteht meist aus Zellulose-Acetat, ist biologisch nicht abbaubar und wird mechanisch schließlich zu Mikroplastik.

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