Die "Essbare Stadt": Mit "Urban Foraging" auf Nahrungssuche
Städtische Food-Tour mal anders:Urban Foraging: Pflanzen in der Stadt sammeln
von Thilo Hopert
|
Beim Urban Foraging sammelt man essbare Pflanzen im städtischen Raum. Woher der Trend kommt, wie Mensch und Natur davon profitieren und worauf man beim Sammeln achten sollte.
Bärlauch, Äpfel, Holunder und mehr: In den Städten gibt es einige essbare Pflanzen, die man sammeln kann. Was ist dabei zu beachten?
Quelle: dpa
Heidelbeeren, Kirschen, Bärlauch oder Giersch - die Natur in den Städten liefert neben dem satten Grün zwischen Asphalt und Beton auch den einen oder anderen Snack. Beim Urban Foraging geht es darum, diesen zu finden und die eigene Stadt neu zu entdecken.
Altes Wissen neu interpretiert
Das englische Wort "Foraging" bedeutet so viel wie "Sammeln" oder "Nahrungssuche"; Urban Foraging ist also das Sammeln von Nahrung im urbanen Raum. Was derzeit als neuer Begriff aus dem US-amerikanischen Raum in deutsche Städte schwappt ist "nichts anderes als ein altes Konzept, nämlich, sich aus der Umgebung zu ernähren", sagt Marja Rottleb, Referentin für Umfeldberatung und Garten beim Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Leonie Fischer, Leiterin des Instituts für Landschaftsplanung und Ökologie an der Universität Stuttgart, forscht zu dem Thema: "Wir haben herausgefunden, dass viele Menschen, die aktiv sammeln, dieses Wissen aus älteren Generationen, zum Beispiel von den Großeltern, gelernt haben."
Mehr pflanzliche, weniger tierische Produkte: Das schont nicht nur die Ressourcen unseres Planeten, sondern ist auch gesünder. Ernährungsmediziner Prof. Andreas Michalsen erklärt, wie die Ernähungsumstellung gelingt.28.05.2024 | 3:50 min
Urban Foraging fördert die Biodiversität
NABU-Expertin Marja Rottleb sieht den Trend positiv, denn das Urban Foraging sorge dafür, dass viele Pflanzen, die in Vergessenheit geraten sind, wieder in das Bewusstsein der Menschen rücken, wie etwa der Weißdorn oder die Kornelkirsche.
So könne Urban Foraging wiederum zur Biodiversität beitragen sagt Rottleb. "Essbare Pflanzen haben meistens einen Wert für Insekten." Beispiele seien die bereits erwähnte Kornelkirsche, Apfelbäume, verschiedene Kräuter aber auch Gänseblümchen oder die Brennnessel. Diese sei zum Beispiel eine wichtige Raupenfutterpflanze, 36 Falterarten lebten von ihr, erklärt Rottleb.
Pflanzen sammeln für mehr Umweltbewusstein
Urban Foraging könne einen Beitrag zur Umweltbildung leisten, denn man könne viel über die Natur lernen, sagt NABU-Expertin Rottleb. Personen, die sammeln, würden sehr behutsam und fürsorglich mit der Natur umgehen und darauf achten, dass nichts zu Schaden kommt.
Am Ende gehe es auch um sozialen Zusammenhalt, sagt Leonie Fischer. "Das ist ähnlich wie beim urbanen Gärtnern, dass viele Menschen solche Aktivitäten auch deshalb schätzen, weil sie dadurch im Austausch mit anderen sind und somit Teil einer funktionierenden Gemeinschaft."
Urban Foraging wird in immer mehr Städten gefördert wie zum Beispiel in Andernach, Haar, Kassel, Krefeld oder München. Grünflächen werden umgestaltet, das öffentliche Gärtnern wird gefördert - es entsteht eine "Essbare Stadt", so der Name verschiedener Projekte.
Gartenexpertin Anja Koenzen gibt Tipps, wie der eigene Garten insektenfreundlich gestaltet werden kann.21.05.2024 | 8:56 min
Das ist beim Urban Foraging zu beachten
Wichtig beim Urban Foraging ist ein solides Wissen über die Pflanzen, Pilze oder Früchte, die man sammeln möchte. Da sich einige essbare und giftige Pflanzen sehr ähnlich sehen, können sie leicht verwechselt werden - dann besteht Vergiftungsgefahr. Beispiele sind etwa Bärlauch und Maiglöckchen oder Eibe und Tannengrün. Verschiedene Websites, Apps oder Bücher können bei der Bestimmung helfen und sollten unbedingt zurate gezogen werden.
Außerdem sollte beachtet werden, dass nicht überall gesammelt werden darf. Auf privaten Grundstücken darf man nur pflücken, wenn die Besitzer dies erlauben. Auf öffentlichen Flächen darf hingegen grundsätzlich gesammelt werden. Hier gilt die sogenannte Handstraußregel. Sie ist im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG, §39 (3)) geregelt: "Jeder darf wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen." Die Mengen sind per Faustformel abzumessen: Für Blumen sind es etwa so viele, wie zwischen Daumen und Zeigefinger passen, bei Pilzen ist ein gesammelter Korb (etwa ein bis zwei Kilogramm) erlaubt. Wichtig: Gesammelt werden darf nur für den privaten, nicht für den gewerblichen Gebrauch.
Weitere Hinweise zum Sammeln
Schere oder Taschenmesser zum Ernten
große Tasche oder Korb, um Gemüse zu transportieren
kleine Behälter oder Gläser für Beeren, damit sie nicht zerdrückt werden
Papiertüten für Pilze
Stift, um Funde zu beschriften (alle Pflanzen sollten getrennt aufbewahrt werden. Markieren Sie die verschiedenen Behältnisse mit dem Namen der Pflanzenart und dem Fundort. Das kann später auch nützlich sein, falls man etwas Unverträgliches gegessen hat.)
Smartphone, um Fundorte zu finden und Apps zur Pflanzenbestimmung nutzen zu können
Abschneiden, nicht abreißen: Aus ökologischer Sicht sei es wichtig, dass man nicht die ganze Pflanze entnimmt, sondern nur Teile, sagt Marja Rottleb. Dabei gilt: Nichts von der Pflanze abreißen, sondern zum Beispiel Blätter vorsichtig mit einer Schere abschneiden.
Auf gefährdete Arten achten: Man sollte darauf achten, keine gefährdeten Arten zu ernten, so Rottleb. Darüber sollte man sich im Vorfeld informieren. Der Gute Heinrich (Wilder Spinat) ist laut Rottleb zum Beispiel eine solche Art.
Auf Brutzeiten achten: Während der Brutzeit behutsam vorgehen, um Tiere nicht zu stören. "In dieser Zeit sollte man nicht einfach durch die Büsche rennen", so Rottleb.
Auf Verunreinigungen achten: Pflanzen möglichst nur ab der Hüfte aufwärts ernten, um Verunreinigungen wie den Fuchsbandwurm, Hundekot oder -urin zu vermeiden. "Zu Hause sollte man die Ernte auch immer gut abwaschen", empfiehlt Marja Rottleb.
mundraub: Übersichtliche Karte, die anzeigt, an welchen Stellen Wildkräuter oder Obst zu finden und öffentlich zugänglich sind
Pl@ntNet: Smartphone-App zur Bestimmung von Wildpflanzen