Stalking: Wie Betroffene sich gegen Gewalt schützen können
Physische und psychische Gewalt:Stalking: So können sich Betroffene schützen
von Dr. Sarah Tacke und Sebastian Langer
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Anzeigen wegen Stalking nehmen von Jahr zu Jahr zu. Wie sich Betroffene gegen den Terror durch Verfolgen, Belästigen und Nachstellen wehren können.
Stalking hat viele Erscheinungsformen. ZDF-Rechtsexpertin Dr. Sarah Tacke erläutert, was Betroffene tun können.03.04.2024 | 6:23 min
Für das Jahr 2023 erfasste das Bundeskriminalamt laut jüngst veröffentlichter polizeilicher Kriminalstatistik über 23.000 Stalking-Fälle. Im Vergleich zum Vorjahr sind dies knapp zehn Prozent mehr. Schätzungen zufolge liegt die tatsächliche Zahl noch viel höher: So soll es in Deutschland zwischen 300.000 und 800.000 Stalking-Fälle pro Jahr geben. Das zeigt: Stalking ist ein ernstzunehmendes Problem; auch aufgrund der schwerwiegenden, in manchen Fällen gar tödlichen Folgen für die Opfer.
Das Wort Stalking entstammt der englischen Jägersprache (Anpirschen, Anschleichen). Der Begriff Stalking umfasst das wiederholte Verfolgen, Belästigen und Nachstellen einer Person gegen deren Willen, das zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Lebensgestaltung führen kann. Dabei sind sowohl die einzelnen Verhaltensweisen des Täters als auch die Folgen für das Opfer vielfältig. Zu letzteren zählen zum Beispiel Angstzustände, Schlaflosigkeit oder der Rückzug aus dem sozialen Leben.
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Stalking wurzelt oftmals in früherer Beziehung
Ursache des Stalkings ist in den meisten Fällen eine gescheiterte Beziehung. Laut Sandra Cegla, ehemalige Kriminalkommissarin und Stalking-Expertin, ist der Auslöser immer eine Kränkung, eine irgendwie geartete Zurückweisung: "Diese Kränkung ist so ein großer Schmerz für den Täter, dass er von der Kränkung nicht mehr ablassen kann. Die Stalking-Handlungen sind meistens die Handlungen, die er vollzieht, um sich selbst ein Gefühl von Kontrolle und von Macht zurückzuholen."
Mehrzahl der Täter ist männlich
Während grundsätzlich jeder Opfer von Stalking werden kann, zeigen Studien, dass rund 80 Prozent der Täter Männer sind. Vor diesem Hintergrund gebe es laut Sandra Cegla gewisse Muster, anhand derer Stalking-Potenzial erkannt werden könne. So würden Frauen, die Opfer von Stalking geworden sind, häufig davon berichten, dass es schon frühzeitig in der Beziehungsphase, in der noch keine Trennung im Raum gestanden habe, übermäßige Eifersucht und Kontrollversuche durch den Täter gegeben habe. Ein weiteres Kennzeichen sei ambivalentes Verhalten des Täters: In einem Moment sei dieser sehr zugewandt, im anderen abweisend.
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Der Fall Karolin W.
So auch im Fall Karolin W. Nachdem sie sich von ihrem Ex-Freund trennte, kündigte dieser an, ihr das Leben zur Hölle zur machen und terrorisierte sie mit anonymen Anrufen rund um die Uhr, verfolgte sie und lauerte ihr im Rahmen ihres Tanztrainings auf.
Die Bandbreite an Stalking-Verhaltensweisen ist groß. Typische Stalking-Handlungen sind beispielsweise:
(Anonyme) Anrufe und Textnachrichten rund um die Uhr
Verbreiten von Gerüchten in den Sozialen Medien
Verbale Drohungen
Physisches Auflauern
Verfolgen durch Hinterherlaufen oder -fahren
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen auf den Namen des Opfers
Eindringen in Wohnung/Haus des Opfers
Sachbeschädigungen
Körperliche Angriffe bis hin zu sexuellen und tödlichen Angriffen
Um sich zu wehren, zeigte Karolin W. ihren Stalker mehrfach bei der Polizei an und betätigte in physischen Bedrohungssituationen den polizeilichen Notruf. Auch direkten Kontakt zur Staatsanwaltschaft nahm sie auf. Als diese schließlich Anklage erhob, hörte das Stalking auf.
Infolge ihrer Erlebnisse hat sie eine Facebook-Gruppe für Stalking-Opfer gegründet, mit der sie ihre Erfahrungen und Hilfestellungen weitergeben möchte: "Diese Hartnäckigkeit, da immer wieder sich aufzuraffen - das war, glaube ich, der Weg zum Erfolg. Diesen Mut versuche ich anderen zu machen: sich nicht aufgeben. Der andere hat kein Recht, dich so weit zu bringen, dass du dich aufgibst", sagt Karolin W.
Frauen sind häufiger Stalking-Opfer
ZDFheute Infografik
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Seit 2007 kann Stalking strafrechtlich verfolgt werden. Während Paragraf 238 des Strafgesetzbuchs ursprünglich eine konkrete Beeinträchtigung des Opfers voraussetzte, genügt es nach zwei Gesetzesänderungen, dass dem Täter ein wiederholtes Nachstellen nachgewiesen werden kann. Ausreichend ist dann, dass dieses Nachstellen dazu geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers nicht unerheblich zu beeinträchtigen.
Die Strafnorm soll zu einem besseren Opferschutz beitragen. So haben die abgesenkten Strafbarkeitserfordernisse beispielsweise zur Folge, dass im Falle entsprechender Anzeigen ein frühzeitigeres Einschreiten der Ermittlungsbehörden möglich ist. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass oftmals bereits das Tätigwerden von Staatsanwaltschaft und Polizei dazu führt, dass der Stalker, wie auch im Fall von Karolin W., von seinem Opfer ablässt.
Was tun und wo Hilfe finden?
Um rechtlich gegen Stalking vorgehen zu können, ist eine Dokumentation der einzelnen Stalking-Handlungen elementar. Durch diese wird eine Beweislage geschaffen, mit der das wiederholte Nachstellen nachgewiesen werden kann. Dies kann beispielsweise mittels eines Tagebuchs oder der NO STALK App der Hilfsorganisation WEISSER RING erreicht werden.
Neben dem Strafrecht gibt es auch die Möglichkeit, nach dem Gewaltschutzgesetz eine Schutzanordnung, zum Beispiel in Form eines Annäherungsverbots, gegen die stalkende Person zu erwirken.
Unabhängig hiervon gilt, dass es ratsam ist, bei Vorfällen die Polizei einzuschalten sowie sich bei Familie, Freunden, Kollegen oder anonymen Beratungsstellen Hilfe zu suchen.
Sebastian Langer ist Redakteur und Sarah Tacke Leiterin der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.