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Kurse sind Mangelware:Schwimmen lernen ist Luxus
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Teilweise dauert es Monate, bis Plätze frei werden. Viele Kinder stehen auf den Wartelisten der DLRG für Schwimmkurse. Besonders die "Seepferdchen-Kurse" sind komplett überlaufen.
Mittlerweile ist es fast Glück, wenn ein Kind einen Schwimmkurs besuchen kann.
Quelle: dpa
Leah, Alexander und Daria sind nur zu dritt im Schwimmkurs, umso intensiver kann sich Trainerin Stephanie Stollhoff mit ihnen beschäftigen. Die drei Kinder aus Hattingen haben Glück. Für sie als Vorschulkinder bietet die Kita einen Schwimmkurs. Die Eltern empfinden das als Luxus.
Sie müssen zwar zahlen, aber fast alle machen mit, weil sie froh sind, wenn die Kinder sicher schwimmen können. Besonders im Urlaub, so erzählt Leahs Mutter, Nathalie Altenbeck, sei es eine große Erleichterung, wenn sie am Pool nicht mehr so ganz genau auf ihre Tochter aufpassen müsse.
Bis zu 25 Euro für einmal Schwimmunterricht
Sie zahlen für zehn Stunden 110 Euro an den Schwimmverein Hattingen. Das geht für die meisten Eltern so gerade. Private Anbieter verlangen bis zu 25 Euro pro Stunde. Für viele Eltern ist das kaum erschwinglich, berichtet Nathalie Altenbeck. Allerdings gibt es für sozial schwache Familien auch staatliche Hilfe über sogenannte Bildungs- und Teilhabepakete.
Luxus ist es in Deutschland aber auch, überhaupt einen Platz im Schwimmkurs zu ergattern. Landauf landab sind die Schwimmkurse voll, viele Verbände des DLRG berichten von langen Wartezeiten. Jochen Lumbeck vom Schwimmverein Hattingen erzählt: "Die Leute rennen mir die Bude ein".
DLRG: Seepferdchen reicht nicht für sicheres Schwimmen
Bei den Kursen für Seepferdchen herrscht der größte Bedarf. Denn Schwimmen lernen sollte man idealerweise im Alter von vielleicht 4 bis 5 Jahren. Sicher Schwimmen kann man nach dem Seepferdchen-Abzeichen alleine allerdings nicht. Frank Zantis von der DLRG, der "Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft", erklärt: "Erst mit dem Bronze-Abzeichen können die Kinder gut schwimmen."
Der Hauptgrund für die "Mangelware Schwimmkurs" ist, dass es immer weniger Schwimmbäder gibt. Die letzte Sportstättenstatistik der Länder wies für das Jahr 2000 rund 6.700 Hallen-, Frei- und Schulbäder aus. Heutzutage bestehen nur noch rund 5.200 solcher Schwimmbäder. Viele schließen ganz einfach, weil der Betrieb oder die Sanierung für die Kommunen zu teuer ist.
Hinzu kommt auch hier der Fachkräftemangel: Die meisten Schwimmlehrer arbeiten ehrenamtlich für eine sehr geringe Aufwandsentschädigung. Eine Befragung aller Grundschulen im vergangenen Schuljahr in Baden-Württemberg ergab, dass 20 Prozent der Schulen dort keinen Schwimmunterricht anbieten können. 40 Prozent der Schulen gab an, dass fehlendes qualifiziertes Personal mit dafür ursächlich sei.
Politik hat ihr Versprechen nicht gehalten
Dabei ist Schwimmen Bestandteil der Lehr- und Bildungspläne aller Bundesländer für den Sportunterricht. Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder formulierte vor sieben Jahren einhellig: "Grundlegendes Ziel des Schwimmunterrichts ist das sichere Schwimmen." Doch laut repräsentativer Umfragen der DLRG durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa in 2017 und 2022 geht man davon aus, dass mehr als die Hälfte der Kinder keine sicheren Schwimmer sind, wenn sie die Grundschule verlassen.
Die Schwimmbäder schließen, die Trainer sind knapp und zudem bräuchten viele Kinder, so Frank Zantis von der DLRG, auch länger als früher um sich an Wasser zu gewöhnen. Viele Eltern gehen - zum Beispiel auch aus finanziellen Gründen - seltener ins Schwimmbad als früher. Oft seien die Kinder daher einfach verängstigt oder wasserscheu.
NRW: Mobile Schwimmcontainer kommen zu Schulen und Kitas
Um den Stau bei den Schwimmkursen aufzulösen, fordert die DLRG-Vorsitzende Ute Vogt in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" einen runden Tisch von Bund, Ländern und Gemeinden. Einige Bundesländer haben bereits Ideen entwickelt.
In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es das Projekt "Narwali". Narwali leitet sich ab vom Narwahl, eine Art des Zahnwals. Vier Narwalis fahren durch NRW. Das sind mobile Schwimmcontainer auf Rädern, die alle sechs Wochen zu einer anderen Schule oder Kita transportiert werden. Zwei kleine Umkleiden, eine Dusche, der Rest des Containers ist voller Wasser. Zumindest ist das ein erster Schritt, damit mehr Kinder zunächst mal einfach nur ins Wasser kommen.
Quelle: dpa
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