Förderung von Schülern: Wie das Hamburger Modell funktioniert
Hilfe bei Lernschwierigkeiten:Wie das Hamburger Modell Schüler fördert
von Christopher Emmerling
|
Lernschwierigkeiten individuell ausgleichen: Das Hamburger Fördermodell bietet gezielte Unterstützung für Schüler. Wie es funktioniert und welche Hilfen es darüber hinaus gibt.
Die Lesekompetenz der Kinder hat sich in den letzten Jahren stetig verschlechtert. An einer Schule in Rheinland-Pfalz bekommt fast ein Drittel der Schüler der ersten Klassenstufe keine Versetzungsempfehlung.24.06.2024 | 2:52 min
Das Bildungssystem in Deutschland dürfte vermutlich in seiner schwersten Krise seit Anfang der 1960er-Jahre stecken. Hamburg hat dabei ähnliche Herausforderungen wie die anderen Stadtstaaten. Viele Kinder und Jugendliche kommen aus sozial und kulturell benachteiligten Familien.
Sprachbildung als Schlüssel zum Erfolg
Viele Schülerinnen und Schüler sprechen zu Hause eine andere Sprache als Deutsch. "Das betrifft vor allem Kinder und Jugendliche, die im Jahr 2015 und als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nach Deutschland gekommen sind", weiß Bildungsforscher Olaf Köller. Aber auch Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, die schon in Deutschland geboren seien, hätten Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache wie auch deutschstämmige Kinder, die in sehr benachteiligten Familien aufwüchsen, so Köller weiter.
Das Erlernen der deutschen Sprache spielt in allen Vorschulklassen und Kitas eine wichtige Rolle, so die "Behörde für Schule und Berufsbildung". Wird im Vorstellungsverfahren für viereinhalbjährige Kinder ein Sprachförderbedarf festgestellt, ist der Besuch einer Vorschulklasse oder einer Kita am Vormittag und die Teilnahme an einer zusätzlichen Sprachförderung verpflichtend.
Nele McElvany, Bildungsforscherin an der TU Dortmund, erläutert die Ursachen für fehlende Sprachkompetenz bei Grundschülern.24.06.2024 | 4:28 min
Der Sozialindex als Förderinstrument
"Hamburg hat zudem einen Sozialindex für seine Schulen. Auf Basis dieses Indexes erhalten Schulen mit einer besonders herausfordernden Schülerschaft deutlich mehr finanzielle Mittel als Schulen mit privilegierter Schülerschaft", erläutert Bildungsforscher Olaf Köller. So setzt Hamburg mit dem Hamburger Fördermodell ein klares Zeichen für individuelle Förderung an den Schulen.
Die Zahl der Schulabbrecher in Deutschland, besonders im Osten, ist hoch. Es gibt viele Gründe, warum sie den Abschluss nicht schaffen: Schlechte Noten, Prüfungsangst oder sie haben nach Corona den Anschluss verloren.29.04.2023 | 5:04 min
Inklusion als Grundprinzip
Ein weiterer zentraler Bestandteil des Modells ist die Inklusion. Kinder mit und ohne Behinderungen lernen gemeinsam. Dafür werden entsprechende personelle und materielle Ressourcen bereitgestellt, um den inklusiven Unterricht zu ermöglichen. "Hamburg hat ein sehr gut ausgebautes System der Qualitätssicherung, in dem regelmäßig die Lernausgangslagen der Kinder und Jugendlichen festgestellt werden, um daraus Fördermaßnahmen abzuleiten", so Köller.
Bereits vor mehr als zehn Jahren hat sich Deutschland zur Inklusion von Menschen mit Behinderung verpflichtet. Demnach sollen Kinder mit Förderbedarf nicht vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen und an Regelschulen unterrichtet werden.30.05.2023 | 9:04 min
Qualifizierte Lehrkräfte für individuelle Lernbedürfnisse
Lehrerinnen und Lehrer werden darauf vorbereitet, ihren Unterricht so zu gestalten, dass er die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler berücksichtigt. Methoden wie Gruppenarbeit, Projekte oder individuelle Lernpläne sind dabei zentrale Instrumente.
Zudem legt das Hamburger Fördermodell großen Wert auf die kontinuierliche Weiterbildung der Lehrkräfte. Themen wie Diagnostik, Differenzierung und inklusive Pädagogik stehen hier im Fokus. "Hamburg hat im Ländervergleich relativ wenige Quer- und Seiteneinsteiger. Das heißt, wir können davon ausgehen, dass die meisten Schülerinnen und Schüler in Hamburg von fachlich qualifizierten Lehrkräften unterrichtet werden", lobt Olaf Köller.
In Sachsen arbeiten 600 aus der Ukraine Geflüchtete als Lehrkräfte - vorerst fast nur für ukrainische Schüler. Aber das soll sich ändern.21.03.2023 | 2:35 min
Der richtige Schritt auf einem langen Weg
In Hamburg zeigt sich jedoch weiterhin eine ungleiche Verteilung von Schülern mit Förderbedarf, da diese häufig in bestimmten Schulen konzentriert werden, was zu einer ungleichen Belastung der Lehrkräfte und einem Ungleichgewicht in der Ressourcenverteilung führt. Dabei spielt auch der Lehrkräftemangel eine zentrale Rolle. Zudem "hat auch Hamburg Nachholbedarf im Bereich des Umgangs mit digitalen Medien im Unterricht", mahnt Olaf Köller.
Der eingeschlagene Weg ist jedoch ein Schritt in die richtige Richtung. "Hamburg befindet sich für die Fächer Deutsch und Mathematik in der Nähe des nationalen Mittelwerts." Nachdem die Stadt mit den anderen Stadtstaaten wie Bremen und Berlin jahrelang das Schlusslicht bildete, ist das ein großer Erfolg.
Weitere Anlaufstellen und Förderprogramme
Das Startchancenprogramm ist eine Initiative der deutschen Bundesregierung, die darauf abzielt, Bildungsgerechtigkeit zu fördern, indem sie Schulen in benachteiligten Regionen gezielt unterstützt. Es umfasst Maßnahmen wie finanzielle Mittel, zusätzliche Lehrkräfte und Sozialarbeiter, um Bildungsbarrieren abzubauen und gleiche Chancen für alle Schüler zu schaffen. Das Programm soll langfristig dazu beitragen, soziale Ungleichheiten zu verringern und die Bildungschancen für Kinder aus schwierigen Verhältnissen zu verbessern.
"Bildung durch Sprache und Schrift - Transfer" (BiSS-Transfer) ist ein bundesweites Programm in Deutschland, das Schulen und Kitas dabei unterstützt, Sprach- und Leseförderung systematisch zu verbessern. Es baut auf den Erkenntnissen des Vorgängerprogramms "BiSS" auf und zielt darauf ab, wissenschaftlich fundierte Konzepte zur Sprachbildung flächendeckend in der Praxis zu verankern. Das Programm fördert die Weiterbildung von Fachkräften und die Umsetzung bewährter Methoden zur Sprachförderung in Bildungseinrichtungen.
Das BRISE-Programm (Bremer Initiative zur Stärkung frühkindlicher Entwicklung) ist ein Modellprojekt in Bremen, das darauf abzielt, die frühkindliche Entwicklung von Kindern von der Geburt bis zum Schuleintritt gezielt zu fördern. Es richtet sich insbesondere an Familien in herausfordernden Lebenslagen und bietet eine intensive, individuell angepasste Unterstützung durch Angebote in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Erziehung. Ziel des Programms ist es, durch diese frühe und umfassende Förderung die Entwicklungschancen der Kinder zu verbessern und soziale Ungleichheiten zu verringern.
Das Lesestart-1-2-3-Programm ist eine Initiative zur frühkindlichen Leseförderung in Deutschland, die von der Stiftung Lesen in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung durchgeführt wird. Es richtet sich an Kinder im Alter von einem bis sechs Jahren und deren Eltern und verteilt kostenloses Lesematerial, um das Vorlesen und das frühe Heranführen an Bücher zu fördern. Das Programm besteht aus drei Phasen, bei denen Eltern in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder jeweils ein Lesestart-Set erhalten, das Bücher und Tipps zur Leseförderung beinhaltet, um so die Sprach- und Lesekompetenz von Anfang an zu stärken.
Christopher Emmerling ist Redakteur der ZDF-Sendung "Volle Kanne - Service täglich".
Niedersachsens Digitalbotschafterin Silke Müller warnt vor den Einflüssen von Social Media auf Kinder und erklärt, wie Handyverbote an Schulen die Kommunikation fördern können.
Interview
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.