Pflegende Angehörige und berufstätig: Gibt es Unterstützung?
Hilfe für Berufstätige:Wenn man plötzlich Angehörige pflegen muss
von Susanne Pohlmann
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Wenn ein Angehöriger plötzlich Pflege braucht, stehen berufstätige Angehörige vor einem Problem. Wer in dem Fall hilft und berät, wie man kurzfristig aus dem Job aussteigen kann.
Hilfe für Berufstätige mit Auszeit vom Job15.01.2024 | 4:05 min
Es kann so plötzlich kommen. Die Nachricht, die alles verändert - und sofortige Handlungen erfordert. Ein Treppensturz, ein Autounfall, eine unheilbare, schnell fortschreitende Krankheit zum Beispiel bei Eltern, Kindern oder Geschwistern. Der Gesetzgeber unterstützt grundsätzlich Arbeitnehmer, für die Pflege naher Angehöriger eine Auszeit vom Job zu nehmen.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Für solche Situationen hat der Staat für berufstätige Angehörige einen Rechtsanspruch auf sofortige Freistellung von der Arbeit geschaffen. Zehn Tage können Sie aus dem Beruf aussteigen, um in einem akuten Notfall die Pflege eines nahen Angehörigen zu übernehmen oder zu organisieren. Diese Tage müssen Sie nicht notwendigerweise am Stück nehmen.
Der Arbeitgeber kann das nicht ablehnen, zahlt aber auch keinen Lohn. Als Ersatz können Sie bei der Pflegekasse (Ihre Krankenkasse) Pflegeunterstützungsgeld beantragen.
Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt 90 Prozent des Nettolohns, maximal aber 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung. Seit 1. Januar 2024 entspricht das maximal 120,75 Euro pro Tag.
In der Uniklinik Aachen werden Angehörige auf die häusliche Pflege vorbereitet.14.03.2023 | 4:48 min
Neu ab 2024: Jedes Jahr Tage für akute Pflege
Seit Jahresbeginn 2024 können Sie diese zehn Tage in jedem Jahr wieder beantragen. Wichtig ist: Die Voraussetzungen für einen akuten Pflegefall müssen jeweils gegeben sein, so Gisela Rohmann, Juristin bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
"Die Situation, die der Gesetzgeber im Blick hat, ist tatsächlich der Beginn von Pflegebedürftigkeit", erklärt Rohmann. "Also, beispielsweise, es hat jemand einen Schlaganfall erlitten, und jetzt muss die Pflege neu organisiert werden. Es muss ein Pflegedienst gesucht werden und vielleicht das Schlafzimmer vom ersten Stock ins Erdgeschoss umgeräumt werden."
Kein Fall fürs Pflegeunterstützungsgeld sei, wenn man wisse, dass die Mutter in vier Wochen eine Operation habe und dann mehr Unterstützung brauche, erläutert Rohmann.
2024 verspricht Neuerungen im stark angeschlagenen Gesundheitsbereich. Ein wichtiger Teil: die Pflege. Finanzielle Entlastungen sollen Druck rausnehmen bei denen, die sich kümmern.
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Gibt es bei Pflegezeit Lohn?
Ist abzusehen, dass Sie länger pflegen wollen oder müssen, gibt es die Pflegezeit. Hier können Sie bis zu sechs Monate Pflegezeit beanspruchen. Der Arbeitgeber kann Sie ganz oder teilweise freistellen. Auch hier erhalten Sie keinen Lohn. Zur Finanzierung können Sie jedoch ein zinsloses Darlehen erhalten. Informieren Sie sich dazu beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).
Für die Dauer der vereinbarten Freistellung gilt übrigens ein Kündigungsschutz. Allerdings: Einen gesetzlichen Anspruch haben Sie erst bei Unternehmen ab 15 Beschäftigten.
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Wer hat Anspruch auf Familienpflegezeit?
Die Familienpflegezeit kann man bis zu 24 Monate beanspruchen, wenn man mindestens 15 Stunden in der Woche weiterarbeitet. Auch hier wird man vom Arbeitgeber freigestellt und muss die Finanzierung selber organisieren, zum Beispiel durch ein zinsloses Darlehen. Der gesetzliche Anspruch auf Freistellung besteht bei der Familienpflegezeit erst ab 25 Beschäftigten.
Nachgefragt, so Rohmann, werden diese beiden Modelle allerdings weniger. "Die Möglichkeiten, die die Pflegezeit und die Familienpflegezeit und auch die kurzzeitige Arbeitsverhinderung bieten, sind natürlich erst mal gut im Grundsatz. In der Ausgestaltung sind sie aber so, dass sie eben häufig nicht genutzt werden." Grund: Der finanzielle Aspekt und der relativ hohe Arbeitsaufwand. Hier könnte der Staat durchaus noch nachbessern.
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Weitere Unterstützung für pflegende Angehörige
Mit der Pflegesituation werde man aber nicht alleingelassen, betont Gisela Rohmann. Wege-zur-Pflege beispielsweise, das Internet-Portal des Bundesfamilienministeriums, leitet die Betroffenen durch die Ansprüche und bietet mit dem Pflegetelefon direkte Ansprechpartner. Sich Hilfe holen ist das A und O, so Rohmann:
Da sei es sinnvoll, dass man sich Beratung holt, welche Leistungen zur Verfügung stehen, und was man in der jeweiligen Situation am besten nutzt, erläutert die Verbraucherschützerin.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung: zehn Tage, Rechtsanspruch für jeden, kein Lohn, Pflegeunterstützungsgeld, jährlich möglich
Pflegezeit: sechs Monate, Anspruch ab 15 Beschäftigten, kein Lohn, zinsloses Darlehen möglich
Familienpflegezeit: 24 Monate, mindestens 15 Stunden Arbeit pro Woche, Anspruch ab 25 Beschäftigten, kein Lohn, zinsloses Darlehen möglich
Pflege in letzter Lebensphase: drei Monate, vollständig oder teilweise Ausstieg aus dem Job, auch ohne Pflegegrad. In diesem Fall muss die Pflege nicht notwendigerweise in der häuslichen Umgebung stattfinden. Es kann auch ein Hospiz oder eine andere Einrichtung sein.
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Susanne Pohlmann ist Redakteurin des ZDF-Magazins WISO.