Neurodermitis bei Babys und Kindern richtig behandeln
Neurodermitis bei Kindern:So finden Juckreiz und Kratzen ein Ende
von Olaf Schwabe
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Gerade bei Kindern mit Neurodermitis ist das Dilemma groß: Starker Juckreiz führt zu ständigem Kratzen, was die Symptome verstärkt. Wie der Teufelskreis durchbrochen werden kann.
Franziska leidet seit ihrem zweiten Lebensmonat an Neurodermitis. Viele Behandlungsversuche brachten keinen Erfolg. Bis ein neues Medikament ihr Leiden endlich beendet.19.08.2024 | 5:15 min
Neurodermitis ist eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, die in Schüben auftritt. Typische Symptome sind rote, schuppige Hautauschläge und Ekzeme, die sich über den ganzen Körper ausbreiten können. In Deutschland sind knapp ein Viertel der Säuglinge und Kleinkinder und etwa zwölf Prozent der Schulkinder unter zwölf Jahren davon betroffen.
Gerade Kinder könnten das unbändige Bedürfnis, sich zu kratzen, schlecht unterdrücken, sagt Christina Schnopp, Expertin für Kinderdermatologie. Das führe dazu, dass es zu offenen, blutigen Hautarealen komme.
Was bei Neurodermitis in der Haut geschieht
Da die Regeneration der Hornhaut gestört ist, können Bakterien, Viren und Pilze leichter in die Haut eindringen und Entzündungen auslösen. Auch in den tieferen Hautschichten bilden sich immer wieder Entzündungsherde, die kaum von Wirkstoffen erreicht werden, die mit Salben auf die Haut aufgetragen werden.
Eine Neurodermitis wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus und kann psychisch stark belastend sein. Der Alltag mit der Erkrankung ist auch für Eltern betroffener Kinder eine extreme Herausforderung. Oft müssen sie zum Beispiel hilflos mit ansehen, wie ihr Kind nachts wach liegt und sich immer wieder kratzt. Das führt zu Stress bei den Eltern, der sich wiederum auf die Kinder überträgt und eine Verstärkung der Beschwerden begünstigt. Einige Kinder werden wegen ihrer Hautauschläge von Gleichaltrigen gemieden. Solche Ausgrenzungen können das Selbstbewusstsein der Kinder beeinträchtigen und zu ernsten psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen führen.
Eine Allergie kann lästig sein. Lebensbedrohlich ist sie für Menschen, die allergisch auf Bienen- und Wespenstiche reagieren. Eine Hyposensibilisierung kann Betroffene schützen.
von Corinna Klee
mit Video
Genetische Vorbelastung und äußere Reize als Auslöser
Die Ursachen, die zu einer Neurodermitis führen, sind nicht im Detail geklärt. Die Hauterkrankung wird aber auf eine genetisch bedingte Störung des Immunsystems zurückgeführt. So haben Kinder, deren Eltern an Neurodermitis erkrankt sind, ein Risiko von über 60 Prozent selbst zu erkranken.
Christiane Schnopp weist darauf hin, dass zudem Allergien, etwa gegen Pollen, Hausstaub, Tierhaare oder Chemikalien, zu einer Überempfindlichkeitsreaktion führen und Schübe eine Neurodermitis triggern können. Auch bestimmte Lebensmittel und physikalische Reize wie Hitze oder Kälte gehören dazu.
Was gegen Neurodermitis bei Kindern hilft
Neurodermitis ist bislang nicht heilbar. In den meisten Fällen kann sie aber gut behandelt werden. Dabei richtet sich die Therapie nach dem aktuellem Zustand der Haut. Ist die Haut nur trocken, beschränkt sich die Behandlung auf rückfettende Cremes und Salben. Bei stärkerer Ausprägung kommen kortisonhaltige Salben hinzu. Medikamente gegen den Juckreiz können zusätzlich helfen. Bei sehr schweren Verlaufsformen werden systemische Medikamente in Form von Tabletten oder Spritzen angewendet, die das Immunsystem unterdrücken.
Zu den systemischen Medikamenten gehören unter anderem sogenannte Biologika, die aus biologischen Substanzen hergestellt werden. Sie greifen gezielt in das Immunsystem ein und stoppen die Entzündungsprozesse. Bei der Neurodermitis können sie die Hautqualität um etwa 70 bis 80 Prozent verbessern. Die Nebenwirkungen beschränken sich vorwiegend auf Bindehautentzündungen.
Außerdem können sogenannte Januskinase-Inhibitoren zum Einsatz kommen, die allerdings stärkere Nebenwirkungen haben können. Dazu zählen insbesondere Infektionen der Atemwege.
Medikamente wie Methotrexat, Ciclosporin oder systemisch wirkende Glukokortikoide sollen in Deutschland bei Kindern mit Neurodermitis wegen möglicher Nebenwirkungen nicht mehr angewendet werden.
Auf Nickel, Duft- und Konservierungsstoffe reagieren viele Menschen mit einem juckenden Ekzem. Kontaktallergien sind die häufigste Allergieform bei Erwachsenen.
von Bianca Koch
FAQ
Schulung von Eltern und Kindern hilft im Umgang mit Neurodermitis
Das Bundesministerium für Gesundheit hat mit zahlreichen Partnern ein Programm für neurodermatologische Schulungen zur besseren Versorgung von Kindern mit Neurodermitis ins Leben gerufen. Eltern und Kinder werden dabei von Teams aus Ärzten, Psychologen, Ernährungswissenschaftlern und Pflegekräften beraten.
Neben medizinischen und familiären Themen wird über die richtige Ernährung informiert. Außerdem wird gezeigt, wie die Juckreiz-Kratz-Spirale durchbrochen werden kann, was bei der Behandlung zu beachten ist und wie man Stress vermeiden kann. Die Angebote sind in jeder größeren Stadt zu finden.
Perspektive von Kindern mit Neurodermitis
Bei gut der Hälfte der betroffenen Kinder klingt die Neurodermitis bis zum siebten Lebensjahr wieder vollständig ab. Nur 20 Prozent leiden permanent darunter, die restlichen immer mal wieder. Im 18. Lebensjahr leiden durchschnittlich noch 15 Prozent an einer Neurodermitis und bei Erwachsenen liegt das Auftreten bei drei Prozent. Die meisten Erwachsenen haben ihre Neurodermitis schon seit Kindheit mehr oder weniger durchgängig.
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