Arbeitsrecht bei Krankmeldung: Was dürfen Arbeitgeber?
Arbeitsrecht bei Krankschreibung:Sind Kontrollen bei Krankmeldungen erlaubt?
von Bonnie Kruse
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Dürfen Arbeitgeber bei einer Krankmeldung Kontrollen veranlassen, um zu überprüfen, ob der Mitarbeiter wirklich arbeitsunfähig ist? Was erlaubt ist und was nicht.
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Unter bestimmten Voraussetzungen sind Kontrollbesuche zulässig, es muss jedoch ein Verdacht bestehen, dass ein Arbeitnehmer schwänzt. Zunächst gilt: "Wenn durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes nachgewiesen ist, dass der Beschäftigte wegen Krankheit nicht arbeiten kann, hat der Arbeitgeber das grundsätzlich hinzunehmen", sagt Dr. Till Bender, Jurist der DGB Rechtsschutz. Wer zu Unrecht einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung erschleicht, begeht eine "schwerwiegende Pflichtverletzung": Der Arbeitgeber zahlt den Lohn, ohne eine Arbeitsleistung zu erhalten.
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Kontrolle ist für Till Bender grundsätzlich nicht der richtige Weg: "Möchte der Arbeitgeber den Krankenstand senken, sollte er die Arbeitsbedingungen im Betrieb zunächst kritisch prüfen - und nicht seine Mitarbeiter kontrollieren."
Nach Krankmeldung: Arbeitnehmer muss nicht erreichbar sein
In Deutschland enthält die ärztliche Bescheinigung keinen Hinweis darauf, was der Grund für die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist - "zu Recht", sagt Bender. "Insofern ist es schwer für den Arbeitgeber, mit konkreten Tatsachen den Verdacht des 'Krankfeierns' zu stützen." Der krankgemeldete Arbeitnehmer ist laut Bender nicht verpflichtet, einen Anruf des Arbeitgebers entgegenzunehmen, SMS zu beantworten oder die Haustür zu öffnen.
Oft gerät auch in Vergessenheit, dass Mitarbeitende nicht immer aufgrund körperlicher Ursachen krankgeschrieben sind. "Krankheiten, insbesondere im psychischen Bereich, sieht man den Menschen ja in der Regel nicht an", erklärt Bender. Selbst wenn ein Detektiv herausfinden würde, dass jemand den ganzen Tag im Garten arbeite oder im Café sitze, spreche dies noch nicht dafür, dass er arbeiten könne.
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Überwachung durch Detektiv in Ausnahmefällen rechtens
Eine Überwachung durch einen Detektiv kann in Grenzen legal sein. So sei dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig, wenn ein konkreter Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bestehe und dieser Verdacht nur durch die Überwachung erhärtet werden könne. Von einer Bespitzelung der Beschäftigten durch den Arbeitgeber rät Bender ab. "Gelingt es nicht, die hohen rechtlichen Hürden einzuhalten, können Beschäftigte Schmerzensgeld für die unberechtigte Überwachung verlangen."
Selbst wenn ein Arbeitnehmer einer identischen Tätigkeit in vollem Umfang bei einem anderen Arbeitgeber nachgeht, schließe das seine Arbeitsunfähigkeit nicht aus. Ein Grund dafür könne eine Krankschreibung aufgrund von Mobbing sein, dem er in einem anderen Betrieb nicht ausgesetzt sei, erläutert Bender.
Die krankheitsbedingte Kündigung ist laut der DGB Rechtsschutz möglich, wenn drei Voraussetzungen erfüllt und nachgewiesen sind:
• Es liegt eine negative Gesundheitsprognose vor. Etwa wenn keine Besserung oder gar eine Verschlechterung zu erwarten ist, zum Beispiel aufgrund einer chronischen Krankheit. • Die Fehlzeiten beeinträchtigen stark die wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. • Die Interessen des Arbeitgebers wiegen stärker als die des Beschäftigten. Der Arbeitgeber muss dann begründen, warum die Kündigung aufgrund der Erkrankung die einzige Option ist.
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Wann Krankmeldungen überprüft und besprochen werden
Hegt der Arbeitgeber starke Zweifel daran, dass ein Beschäftigter wirklich arbeitsunfähig ist, kann der Arbeitgeber bei der Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes (MDK) einholen. "Der Gesetzgeber setzt also bei hohen Fehlzeiten nicht auf Druck und Abschreckung, sondern auf Hilfe", erklärt Bender.
"Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei mehr als sechswöchiger Arbeitsunfähigkeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten", so Bender. Das ist ein Verfahren, in dem die Ursachen der häufigen Erkrankungen besprochen werden und der Beschäftigte gemeinsam mit Vertretern des Arbeitgebers nach Lösungen sucht, die Krankheitstage zu reduzieren - sofern sie auf den Bedingungen im Betrieb beruhen.
Der IG Metall zufolge muss - je nach Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag - innerhalb von drei Kalendertagen (auf Verlangen des Arbeitgebers früher) eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegen. Wegen einer nicht rechtzeitig ärztlichen Feststellung und einer demzufolge zu spät abgegebenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer abmahnen. Im Einzelfall kann er die Arbeitsunfähigkeit bestreiten oder die Entgeltzahlung verweigern.
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