Silke Müller im Interview:Wie Social Media und KI Schüler gefährden
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Niedersachsens Digitalbotschafterin Silke Müller warnt vor den Einflüssen von Social Media auf Kinder und erklärt, wie Handyverbote an Schulen die Kommunikation fördern können.
Schulleiterin Silke Müller engagiert sich für eine ethische Werteerziehung im digitalen Schulalltag. Der ehemalige Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz Florian Fabricius weist auf die Missstände und deren Folgen an Schulen hin.10.09.2024 | 24:05 min
ZDFheute: Wo ist das Problem bei dem Social-Media-Konsum von Schülerinnen und Schülern?
Silke Müller: KI und Social Media sind neue Herausforderungen der modernen Gesellschaft. Sie bieten die Möglichkeit zu Deep-Fakes, die zu Mobbing unter Schülerinnen und Schülern führen können. Außerdem müssen Kinder spüren und wissen, dass ihnen Dinge auf Social Media begegnen können, die sie unwohl fühlen oder sie Angst bekommen lassen.
Das große Problem ist, dass wir in Schulen nicht genügend Ressourcen haben, um den Fokus auf die Welt zu legen, in der die Kinder sind. Es benötigt Sensibilisierung über die Themen, über die gesprochen werden und über den Wert der eigenen Persönlichkeit. Die Kinder fühlen sich sonst in der Medienwelt einsam und alleingelassen.
Quelle: IMAGO / Future Image
… wurde 1980 geboren, ist seit 2015 Schulleiterin und seit 2021 als Digitalbotschafterin Niedersachsens tätig. Ihr Lehramtsstudium absolvierte sie in Niedersachsen und Bayern. Heute lebt sie im niedersächsischen Landkreis Oldenburg. Neben ihrer Tätigkeit veröffentlichte Müller zwei Bücher, darunter einen Spiegel-Bestseller. Sie engagiert sich für Digitalisierung an Schulen.
Silke Müller: Handys in der Schule dürfen nicht tabuisiert werden. Ein Handyverbot im Schulalltag ist wichtig, damit Kinder die Pausen auch miteinander verbringen. Ein Handyverbot ist also gut, nur nicht im Sinne von: 'Wir wollen die Kinder davon fernhalten' sondern wir wollen sie vorbereiten und ihnen in den Pausen ermöglichen, miteinander zu reden, sich zu streiten oder auch auf Bäume zu klettern - ganz ohne Bildschirm.
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ZDFheute: Sie sagen, es ist wichtig, dass Eltern verstehen müssen, wie Social Media funktioniert. Warum ist es so wichtig?
Silke Müller: KI und Social Media verändern die Köpfe und Herzen der Kinder. Es birgt neben den positiven Seiten, die ich durchaus sehe, auch enorme Gefahren. Eine gewisse Art von Schutz und Ansprechbarkeit ist unfassbar wichtig.
Um zu verstehen, wie Social Media funktioniert, ist es ratsam, einen Account anzulegen, der als ein Kinderprofil durchgeht. Dadurch wird Eltern bewusst, was da auf die Kinder einprasselt und wie sich die Aufmerksamkeitsspanne verändert.
Das trifft auch auf Online-Games zu. Der Chatbereich ist für alle Leute offen, sodass fremde Menschen jeden willkürlich anschreiben können. Auch Eltern können niemals verhindern, dass Kinder auf Social Media etwas sehen, das belastend oder gefährdend ist. Eltern müssen aber sensibilisiert werden, was viel Zeit in Anspruch nimmt.
Fast jeder Jugendliche hat ein Smartphone. Das bietet Vor- und Nachteile und kostet Geld. Eltern sollten das Kind bei den ersten Schritten eng begleiten und auch Grenzen setzen.08.07.2024 | 4:02 min
ZDFheute: Was können Eltern tun, um ihre Kinder zu unterstützen?
Silke Müller: Allein der Blickkontakt ist wichtig für das Urvertrauen bei Kleinstkindern. Eltern müssen ihre Kinder sehen und gemeinsame Lösungen bei kommunizierten Problemen vorschlagen. Ein reines Social-Media-Verbot wirkt eher einschränkend, weil die Kinder auch anderweitig Zugriff kriegen können. Außerdem sollten Eltern auf Social Media nicht den Accounts der eigenen Kinder folgen, weil es ihr Privatbereich ist. Die Eltern müssen den Kindern auf Augenhöhe begegnen.
ZDFheute: Sie sind Schulleiterin. Was war Ihrer Erfahrung nach die ehrlichste Aussage einer Schülerin beziehungsweise eines Schülers darauf, was unsere Kinder so sehr an Social Media fasziniert?
Silke Müller: Ein Schüler sagte einmal: 'Ich komm da nicht mehr raus. Ich bin total abhängig.' Das sagen Kinder nicht so leicht - Erwachsene übrigens auch nicht. Die Erklärung ist so etwas wie: 'Na ja, damit kann ich meine Zeit verbringen, mir ist sonst sehr langweilig.' Handyfreie Zonen sind eine Hilfe dafür, dass wir menschlich wieder mehr ins Gespräch treten. Und dass wir Kindern signalisieren: Du bist wichtig. Du zählst und ich höre dir zu.
Das Interview führte ZDF-Moderator Florian Weiss. Zusammengefasst wurde es von Charlotte Heckelei.
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