Vogelgrippe: Können Menschen das H5N1-Virus übertragen?

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    H5N1-Ansteckung bei Menschen:Vogelgrippe: Droht eine neue Pandemie?

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Die USA untersuchen mögliche Mensch-zu-Mensch-Übertragungen nach Vogelgrippe-Fällen bei Kühen. In Deutschland sehen Experten noch keine Hinweise auf Gefahren. H5N1 im Überblick.

    29.04.2024, Nordrhein-Westfalen, Hattingen: Ein Warnschild zur Geflügelpest hängt bei einer Tierseuchenübung. In Zusammenarbeit mit weiteren Kreisen probt der Ennepe-Ruhr-Kreis, was bei einem Ausbruch der Vogelgrippe zu tun wäre.
    Droht eine neue Pandemie? Die Vogelgrippe breitet sich auch unter Säugetieren aus. Experten zeigen sich besorgt.04.07.2024 | 1:53 min
    Seit Jahren machen immer wieder Ausbrüche von Vogelgrippe bei Nutz- und Wildtieren Schlagzeilen. Ganze Populationen verenden, Betriebe müssen schließen und in Hunderten Fällen infizierten sich auch Menschen, die direkt mit Tieren in Kontakt standen. Auch bei Menschen verläuft die Krankheit oft tödlich.
    Ein Szenario, das Viren-Forscher weltweit umtreibt: Fängt der gefährliche Erreger H5N1 an, auch von Mensch zu Mensch übertragbar zu werden? Mehrere aktuelle Fälle aus den USA nähren diese Sorge. Für Europa geben Experten aber vorerst Entwarnung.

    Welche neuen Verdachtsfälle gibt es?

    Am Freitag gab die US-Gesundheitsbehörde CDC bekannt, dass bei sieben Kontaktpersonen von nachweislich Infizierten Krankheitssymptome der Vogelgrippe festgestellt wurden - obwohl es keinen bekannten Kontakt mit betroffenen Tieren gab. Die genauen Übertragungswege in diesen Fällen sind noch nicht geklärt. Gerade läuft in den zuständigen Laboren die Detektivarbeit, alles über die Krankheitsverläufe und Auslöser herauszufinden.
    Rind, nah
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    Ein Problem: Die Fälle liegen bereits mehrere Wochen zurück und Betroffenen wurden nicht auf die entsprechenden Erreger getestet, berichtet das Fachmagazin "Scientific American". Die Experten müssen nun also ein Puzzle voller Lücken und unsicheren Informationen vervollständigen. Und es könnte sein, dass der Verdacht unbegründet war und sich als andere Atemwegskrankheit herausstellt.
    Vor allem gibt es aktuell Kritik daran, dass die CDC Informationen erst mit so großer Verspätung öffentlich gemacht habe. Die Informationen seien drei bis vier Wochen später als man erwarten dürfe vorgelegt worden, klagt der Virologe Rick Bright auf dem Kurznachrichtendienst X. "Es ist ein komplettes Durcheinander."
    Vogelgrippe: So überträgt sich die neue Variante. Eigentlich sind Wildvögel die natürlichen Wirte der Vogelgrippeviren. In Einzelfällen kann der aktuell vorherrschende Typ 2.3.4.4b auch zum Menschen gelangen. Wildvögel verbreiten die VIren. Hausgeflügel und Pelztiere - wie etwa Nerze - können sich infizieren. Durch Ausscheidungen kranker Tiere verbreiten sich die Viren weiter. Auch Kühe können sich mit der Vogelgrippe anstecken. Im Euter vermehren sich die Viren besonders stark. Über verunreinigtes Melkgeschirr können sich weitere Kühe infizieren. In Rohmilch wurden infektiöse Viren nachgewiesen, pasteurisierte Milch ist jedoch ungefährlich. Beim Menschen kann das Virus besonders leicht im Auge andocken und eine Infektion auslösen. Die aktuelle Variante verursacht bisher nur milde Symptome.

    Warum ist so wichtig, wie die Vogelgrippe übertragen wird?

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählte zwischen 2003 und Juli 2024 weltweit 896 nachgewiesene Fälle von H5N1 bei Menschen. Davon verliefen 52 Prozent tödlich - deutlich mehr als bei einer normalen menschlichen Grippe.
    Eine Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch würde aus einem Erreger, der bislang primär ein Gesundheitsrisiko für bestimmte Berufsgruppen war, eine Gefahr machen, die potenziell eine neue Pandemie auslösen könnte.
    Anders als der Name suggeriert, sind in den USA aktuell vor allem Milchkühe das Problem: Im Fokus der Forscher stehen aktuell mehrere Hundert Kuhherden in insgesamt 14 US-Bundesstaaten, bei denen H5N1 nachgewiesen wurde. Während bei Geflügel relativ umfassend auf solche Grippe-Erreger getestet wird, ist das bei Rindern in den USA nur eingeschränkt der Fall. Die Sorge ist daher, dass sich neue Virusvarianten unbemerkt verbreiten könnten.
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    Wie groß ist die Gefahr für Deutschland und Europa?

    Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung der Vogelgrippe ist in Europa bislang vor allem eine theoretische Gefahr. Zwar zirkulieren auch in Deutschland verschiedene gefährliche Subtypen der Vogelgrippe. Aber: "[Es] sind bislang keine Erkrankungen beim Menschen mit aviären Influenzaviren bekannt geworden", schreibt das Robert-Koch-Institut.

    Grippeviren existieren immer in einer Vielzahl an verschiedenen Varianten und verändern sich fortlaufend. Bei ihrer Vermehrung entstehen ständig zufällige neue Eigenschaften, die von Inkubationszeit bis Virenlast in bestimmten Körperregionen reichen können. So ist das auch zum Beispiel bei Coronaviren. Dort haben Veränderungen etwa dazu geführt, dass manche Impfstoffe weniger gut wirkten.

    Die meisten Veränderungen sind nebensächlich, oder setzen sich nicht gegen die dominierenden Varianten durch. Je mehr ein Virus in Lebewesen verbreitet ist, desto mehr Chancen hat es, Eigenschaften zu entwickeln, die es noch gefährlicher machen. Und eine Veränderung bei der Übertragungsweise ist eine der für die Verhinderung von Pandemien fundamentalsten Veränderungen, die ein Virus durchlaufen kann.

    Die Verdachtsfälle in den USA haben auch noch nicht dazu geführt, dass die zuständigen internationalen Organisationen ihre Einschätzungen zur Übertragbarkeit anpassen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schreibt: "Bislang weisen die zirkulierenden zoonotischen Grippeviren noch keine andauernde Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch auf."
    Auch das in Deutschland zuständige Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) teilt ZDFheute mit:

    Bisher gibt es aus unserer Sicht keine belastbaren Hinweise auf H5N1 Mensch-zu-Mensch Übertragungen.

    Friedrich-Loeffler-Institut

    Es gebe in Europa und Deutschland auch keine Hinweise auf H5N1-Infektionen bei Rindern, schreibt das FLI. "Das belegen auch die Untersuchungen des FLI und der Bundesländer zum Beispiel an Sammelmilchproben. Eine Bedrohung ist daher für diesen Bereich derzeit nicht erkennbar." Das Risiko für die Allgemeinbevölkerung sei laut dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) gering. Dass in den USA Virusmengen in Rohmilch nachgewiesen werden konnten, ist laut Ansicht der National Institutes of Health nicht bedenklich, sofern man pasteurisierte Milch zu sich nimmt. Unter Laborbedingungen hätte eine Erhitzung der Milch wie bei Pasteurisierung üblich, Erreger abgetötet.

    Es gibt keine Evidenz, dass kommerziell pasteurisierte Milch ein Infektionsrisiko darstellt.

    National Institutes of Health

    RInder im Stall
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    Was kann man tun, um Risiken zu minimieren?

    Für die breite Bevölkerung in Deutschland ohne intensiven Kontakt zu betroffenen Nutztieren besteht aktuell kein erhöhtes Risiko - entsprechend sind hier auch keine Schutzmaßnahmen nötig, die über das allgemein übliche Maß hinausgehen - etwa Vorsicht beim Entdecken kranker oder verendeter Wildvögel. "Bei einer möglichen menschlichen Exposition [sind] entsprechende Umsicht und Sorgfalt geboten", schreibt das FLI. "Persönliche Schutzausrüstungen, die solche Expositionen sicher verhindern, sind in Deutschland Pflicht bei der Beräumung infizierter Bestände und bei der Bergung erkrankter und verendeter Wildvögel."
    Anders als zu Beginn der Corona-Pandemie gibt es bei H5N1 einen entscheidenden Vorteil: Es existieren bereits geeignete Impfstoffe, die in Europa zugelassen sind. In den USA fordern manche Experten nun präventive Schutzimpfungen für Berufsgruppen, die einem besonderen Risiko ausgesetzt sind.
    Unabhängig von aktuellen Verdachtsfällen macht sich die WHO schon lange für eine flächendeckende Erfassung und Nachverfolgung aller Vogelgrippe-Infektionen stark. Was langfristig auch gegen neue Grippe-Viren aus dem Tierreich hilft: Biodiversität schützen und bessere Gesundheits- und Hygienebedingungen in Nutztierbetrieben, damit solche Erreger gar nicht erst entstehen können.

    Forschung in den USA
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