H5N1 in den USA: Vogelgrippe-Risiko trotz Todesfall "gering"

    FAQ

    H5N1-Ansteckung bei Menschen:Vogelgrippe-Risiko trotz Todesfall "gering"

    von Nils Metzger, Jan Schneider
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    In den USA ist erstmals ein Mensch nach einer Infektion mit der Vogelgrippe verstorben. Behörden weltweit schätzen die Gefahr durch das Virus aber weiterhin als "gering" ein.

    29.04.2024, Nordrhein-Westfalen, Hattingen: Ein Warnschild zur Geflügelpest hängt bei einer Tierseuchenübung. In Zusammenarbeit mit weiteren Kreisen probt der Ennepe-Ruhr-Kreis, was bei einem Ausbruch der Vogelgrippe zu tun wäre.
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    Seit Jahren machen immer wieder Ausbrüche von Vogelgrippe bei Nutz- und Wildtieren Schlagzeilen. Ganze Populationen verenden, Betriebe müssen schließen und in Hunderten Fällen infizierten sich auch Menschen, die direkt mit Tieren in Kontakt standen. In den USA ist nun der erste Todesfall im Zusammenhang mit der Vogelgrippe gemeldet worden. Weltweit sind seit 2003 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 1.000 Menschen durch die Vogelgrippe gestorben.

    Was ist über den Todesfall in den USA bekannt?

    Der verstorbene Patient war Ende Dezember im südlichen Bundesstaat Louisiana mit einer schweren Infektion des Vogelgrippevirus A(H5N1) ins Krankenhaus eingeliefert. Es war der erste schwere Krankheitsfall dieser Art in den USA. Bei dem Mann handelte es sich um einen Menschen, der älter als 65 Jahre gewesen sei und auch andere gesundheitliche Probleme gehabt habe, teilte die Gesundheitsbehörde des Bundesstaates Louisiana mit. Infiziert habe er sich durch Kontakt zu kranken und toten Vögeln in seinem Garten.
    Trotz dieses Todesfalls schätzt die US-Gesundheitsbehörde CDC das von der Viruserkrankung ausgehende Risiko für die öffentliche Gesundheit nach wie vor als "gering" ein. Untätig wolle man deshalb aber nicht bleiben. Am Freitag hatte die Regierung des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden mitgeteilt, mehrere hundert Millionen Dollar in den nationalen Kampf gegen die Vogelgrippe investieren zu wollen. 306 Millionen Dollar (296 Millionen Euro) sollen demnach in Bereitschafts- und Überwachungsprogramme sowie die medizinische Forschung gegen das H5N1-Virus fließen.

    Auch wenn das Risiko für den Menschen gering ist, bereiten wir uns immer auf alle möglichen Szenarien vor.

    Xavier Becerra, US-Gesundheitsminister

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    Warum ist so wichtig, wie die Vogelgrippe übertragen wird?

    Eine Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch würde aus einem Erreger, der bislang primär ein Gesundheitsrisiko für bestimmte Berufsgruppen war, eine Gefahr machen, die potenziell eine neue Pandemie auslösen könnte.
    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählte seit 2003 weltweit über 2.600 humane Erkrankungen. 1.100 davon verliefen tödlich - deutlich mehr als bei einer normalen menschlichen Grippe.
    Vogelgrippe: So überträgt sich die neue Variante. Eigentlich sind Wildvögel die natürlichen Wirte der Vogelgrippeviren. In Einzelfällen kann der aktuell vorherrschende Typ 2.3.4.4b auch zum Menschen gelangen. Wildvögel verbreiten die VIren. Hausgeflügel und Pelztiere - wie etwa Nerze - können sich infizieren. Durch Ausscheidungen kranker Tiere verbreiten sich die Viren weiter. Auch Kühe können sich mit der Vogelgrippe anstecken. Im Euter vermehren sich die Viren besonders stark. Über verunreinigtes Melkgeschirr können sich weitere Kühe infizieren. In Rohmilch wurden infektiöse Viren nachgewiesen, pasteurisierte Milch ist jedoch ungefährlich. Beim Menschen kann das Virus besonders leicht im Auge andocken und eine Infektion auslösen. Die aktuelle Variante verursacht bisher nur milde Symptome.
    Anders als der Name suggeriert, sind in den USA aktuell vor allem Milchkühe das Problem: In mehreren Hundert Kuhherden in insgesamt 14 US-Bundesstaaten wurde H5N1 bereits nachgewiesen. Während bei Geflügel relativ umfassend auf solche Grippe-Erreger getestet wird, ist das bei Rindern in den USA nur eingeschränkt der Fall. Die Sorge ist daher, dass sich neue Virusvarianten unbemerkt verbreiten könnten.
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    Wie groß ist die Gefahr für Deutschland und Europa?

    Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung der Vogelgrippe ist in Europa bislang vor allem eine theoretische Gefahr. Zwar zirkulieren auch in Deutschland verschiedene gefährliche Subtypen der Vogelgrippe. Aber: "[Es] sind bislang keine Erkrankungen beim Menschen mit aviären Influenzaviren bekannt geworden", schreibt das Robert-Koch-Institut.

    Grippeviren existieren immer in einer Vielzahl an verschiedenen Varianten und verändern sich fortlaufend. Bei ihrer Vermehrung entstehen ständig zufällige neue Eigenschaften, die von Inkubationszeit bis Virenlast in bestimmten Körperregionen reichen können. So ist das auch zum Beispiel bei Coronaviren. Dort haben Veränderungen etwa dazu geführt, dass manche Impfstoffe weniger gut wirkten.

    Die meisten Veränderungen sind nebensächlich, oder setzen sich nicht gegen die dominierenden Varianten durch. Je mehr ein Virus in Lebewesen verbreitet ist, desto mehr Chancen hat es, Eigenschaften zu entwickeln, die es noch gefährlicher machen. Und eine Veränderung bei der Übertragungsweise ist eine der für die Verhinderung von Pandemien fundamentalsten Veränderungen, die ein Virus durchlaufen kann.

    Die Bundesregierung hat auf Basis dieser Risikoeinschätzung bisher keine Impfstoffe gegen die Vogelgrippe zentral beschafft. Das geschehe nur "im Falle einer bestehenden oder drohenden bedrohlichen übertragbaren Krankheit", erklärte das Gesundheitsministerium. Das aktuelle Risiko für die allgemeine Bevölkerung schätzt auch die Europäische Seuchenschutzbehörde ECDC als gering ein.
    Auch das in Deutschland zuständige Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) teilt ZDFheute mit:

    Bisher gibt es aus unserer Sicht keine belastbaren Hinweise auf H5N1-Mensch-zu-Mensch Übertragungen.

    Friedrich-Loeffler-Institut

    In keinem der Humanfälle (in den USA) sei es zu einer Weitergabe des Virus an andere Menschen gekommen. Es wurden keine Infektketten oder lokal gehäufte Infektionen (sogenannte "Cluster") beobachtet, so das FLI. Damit handele es sich bisher um einzelne sogenannte Spill-over-Infektionen.

    Geht Gefahr von Milch infizierter Kühe aus?

    Es gebe in Europa und Deutschland auch keine Hinweise auf H5N1-Infektionen bei Rindern, schreibt das FLI. "Das belegen auch die Untersuchungen des FLI und der Bundesländer zum Beispiel an Sammelmilchproben. Eine Bedrohung ist daher für diesen Bereich derzeit nicht erkennbar."
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    Dass in den USA Virusmengen in Rohmilch nachgewiesen werden konnten, ist laut Ansicht der National Institutes of Health nicht bedenklich, sofern man pasteurisierte Milch zu sich nimmt. Unter Laborbedingungen hätte eine Erhitzung der Milch wie bei Pasteurisierung üblich, Erreger abgetötet.

    Es gibt keine Evidenz, dass kommerziell pasteurisierte Milch ein Infektionsrisiko darstellt.

    National Institutes of Health

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    Was kann man tun, um Risiken zu minimieren?

    Für die breite Bevölkerung in Deutschland ohne intensiven Kontakt zu betroffenen Nutztieren besteht aktuell kein erhöhtes Risiko - entsprechend sind hier auch keine Schutzmaßnahmen nötig, die über das allgemein übliche Maß hinausgehen - etwa Vorsicht beim Entdecken kranker oder verendeter Wildvögel. "Bei einer möglichen menschlichen Exposition [sind] entsprechende Umsicht und Sorgfalt geboten", schreibt das FLI. "Persönliche Schutzausrüstungen, die solche Expositionen sicher verhindern, sind in Deutschland Pflicht bei der Beräumung infizierter Bestände und bei der Bergung erkrankter und verendeter Wildvögel."
    Anders als zu Beginn der Corona-Pandemie gibt es bei H5N1 einen entscheidenden Vorteil: Es existieren bereits geeignete Impfstoffe, die in Europa zugelassen sind. In den USA fordern manche Experten nun präventive Schutzimpfungen für Berufsgruppen, die einem besonderen Risiko ausgesetzt sind.

    • Vermeiden Sie den Kontakt mit kranken Tieren: Berühren Sie keine kranken oder toten Tiere und deren Ausscheidungen. Bringen Sie keine kranken Wildtiere in Ihren Haushalt, um das Infektionsrisiko zu minimieren.
    • Schützen Sie Ihre Haustiere: Halten Sie Ihre Haustiere von kranken oder toten Tieren sowie deren Ausscheidungen fern, da sie ebenfalls erkranken oder als Überträger fungieren können.
    • Achten Sie auf sichere Lebensmittelzubereitung: Kochen Sie Geflügel, Eier und andere tierische Produkte gründlich durch. Vermeiden Sie rohe oder halbgare Speisen sowie Kreuzkontaminationen zwischen rohen und gekochten Lebensmitteln.
    • Verzichten Sie auf risikoreiche Lebensmittel: Meiden Sie nicht pasteurisierte Rohmilch oder Käse von Tieren, bei denen eine H5N1-Infektion vermutet oder nachgewiesen wurde.
    • Lassen Sie sich gegen Grippe impfen: Wenn Sie beruflich oder privat Konntakt mit Vögeln oder Rindern haben, ist eine saisonale Grippeimpfung empfehlenswert. Diese verhindert zwar keine H5N1-Infektion, reduziert aber das Risiko einer gleichzeitigen Infektion mit Vogel- und Grippeviren.

    Quelle: RKI

    Unabhängig von aktuellen Verdachtsfällen macht sich die WHO schon lange für eine flächendeckende Erfassung und Nachverfolgung aller Vogelgrippe-Infektionen stark. Was langfristig auch gegen neue Grippe-Viren aus dem Tierreich hilft: Biodiversität schützen und bessere Gesundheits- und Hygienebedingungen in Nutztierbetrieben, damit solche Erreger gar nicht erst entstehen können.

    Forschung in den USA
    :Vogelgrippe wohl auch auf Katzen übertragen

    Neueste Forschungsergebnisse aus den USA legen nahe, dass das Vogelgrippevirus auch auf Katzen und Waschbären übertragen wurde. Ein größeres Risiko für Menschen besteht wohl nicht.
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