Tourette-Syndrom: Chronische Tics, Ursachen und Behandlung
Unkontrollierbare Tics:Leben mit dem Tourette-Syndrom
von Corinna Klee
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Sängerin Billie Eilish spricht offen über ihre Erkrankung. Sie lebt mit dem Tourette-Syndrom. Auch Fußballer David Beckham erklärte, unter Tics zu leiden. Was dahinter steckt.
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Haben Sie das auch schon erlebt? Sie laufen durch die Stadt und hören plötzlich Schimpftiraden. Eine Beleidigung folgt auf die nächste. Solche Äußerungen können die seltenen Symptome des Tourette-Syndroms sein. Bei Mitmenschen rufen sie meist ein befremdliches Gefühl hervor. Für Betroffene sind sie ein großes Problem, denn sie können diese oder andere Symptome kaum beherrschen.
In Deutschland leben etwa 800.000 Menschen mit dem Tourette-Syndrom. Benannt ist es nach dem französischen Neurologen Georges Gilles de la Tourette. Es handelt sich um eine neurologische Störung.
Motorische und vokale Tics sind typisch
Die Symptome sind individuell unterschiedlich. Hauptsächlich kommt es zu motorischen Tics wie Augenblinzeln, Zwinkern, Kopf- oder Schulterbewegungen sowie zu einfachen vokalen Tics. Dabei äußern Betroffene unwillkürlich Laute wie Räuspern, Quieken oder einzelne Laute. Ein anfallsartiges Äußern von Schimpfwörtern (Koprolalie) kommt dabei nur sehr selten vor.
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Offener Umgang mit Tourette entlastet Betroffene
Häufig bedeutet die Diagnose eine Erleichterung. Trotzdem haben viele Betroffene einen hohen Leidensdruck, weil die Tics auf Unverständnis stoßen. Besonders Eltern müssen verstehen, dass ihr Kind nicht absichtlich Zuckungen und Lautäußerungen von sich gibt. Es kann diese nicht willentlich beeinflussen.
Mit den Betroffenen sollte man so natürlich wie möglich umgehen und das Umfeld über die Erkrankung informieren. Oft bessern sich die Symptome bei Kindern nach der Pubertät von allein oder verschwinden wieder. Andere haben die Tics ihr Leben lang.
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Was passiert bei Tourette?
In der Regel entsteht das Tourette-Syndrom im Grundschulalter zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr, erklärt Kirsten Müller-Vahl, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Meistens beginnt es mit motorischen Tics wie Zuckungen, Augenblinzeln oder Kopfschütteln. Vokale Tics treten etwa zwei bis drei Jahre später auf.
Die genaue Ursache des Tourette-Syndroms sei noch nicht vollständig geklärt, so Müller-Vahl. Es werde angenommen, dass genetische und neurologische Faktoren eine Rolle spielen. Man wisse inzwischen aber definitiv, dass es eine organische Erkrankung sei und keine psychische.
Wir gehen davon aus, dass es eine Störung in den Regelkreisen zwischen verschiedenen Hirnarealen ist, und dass es innerhalb dieser Verbindungen eine Überaktivität im sogenannten Dopamin-Nervensystem gibt.
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Prof. Dr. Kirsten Müller Vahl, Neurologin und Psychiaterin, Medizinische Hochschule Hannover
Dopamin ist als Botenstoff unter anderem für die Bewegungskontrolle wichtig. Experten vermuten, dass es beim Tourette-Syndrom zu einer vermehrten Freisetzung von Dopamin kommt, durch die eine Überaktivität im Nervensystem entsteht, die ursächlich für die Tics ist. Medikamente, die Bindungsstellen für Dopamin blockieren, wirken dieser Überaktivität entgegen. Sie bewirken eine Verringerung der motorischen und vokalen Tics.
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Kann man Tourette behandeln?
Eine Therapie zur vollkommenen Heilung des Tourette-Syndroms gibt es nicht. Viele Betroffene sind durch ihre Tics nicht so stark beeinträchtigt, dass sie Medikamente oder fachliche Hilfe benötigen. Sind die Tics allerdings besonders stark ausgeprägt oder ist der Leidensdruck sehr hoch, gibt es verschiedene Behandlungsansätze. Sie sollen die Auswirkungen des Syndroms lindern und den Betroffenen helfen, besser damit umzugehen.
Behandlungsmöglichkeiten von Tourette
Viele Studien haben die Wirksamkeit dieses Trainings untersucht. Hier geht es darum, ein neues Verhalten zu trainieren. Viele Patienten spüren vor dem Auftreten des Tics ein Vorgefühl (premonitory urge). In dem Moment, in dem der Tic kommt, wird dann eine Alternativbewegung durchgeführt, die mit dem Tic nicht kompatibel ist. Verspürt man zum Beispiel den Drang, die Schulter nach unten zu bewegen, kann man versuchen, beide Schultern kreisen zu lassen und dadurch den Tic zu mindern oder sogar zu beseitigen.
Experten haben gute Erfahrungen mit dem Einsatz von medizinischem Cannabis gemacht. Mehrere Studien zeigen, dass THC-haltige Arzneimittel tatsächlich zu einer Reduktion der Tics führen können. Mittlerweile werden sie daher als Behandlungsoption eingesetzt, auch wenn das Wirkprinzip noch weitgehend unklar ist. Experten gehen von spezifischen Effekten auf bestimmte Hirnregionen mit möglichen Wechselwirkungen zwischen dem körpereigenen Cannabinoid-System im Gehirn und dem Dopamin-Nervensystem aus.
Als Medikamente können Antipsychotika oder Neuroleptika eingesetzt werden, die das Dopaminsystem bremsen und den Dopaminspiegel verringern. Viele dieser Medikamente werden im Off-Label-Use eingesetzt, weil sie nicht für diese Behandlung zugelassen sind. Sie können zudem starke Nebenwirkungen haben. Weitere Medikamente, die in das Dopaminsystem eingreifen, sind derzeit noch in klinischer Prüfung.
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Tourette ist oft mit anderen Störungen verbunden
Verschiedene Erkrankungen oder Symptome können gemeinsam mit dem Tourette-Syndrom auftreten (Komorbiditäten) oder Vorläufer für die neurologische Störung sein. Dazu gehören die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Ängste, Depressionen, Schlafstörungen, Aggressionen oder Wutausbrüche. Zwischen ihnen und dem Tourette-Syndrom besteht oft eine enge Verbindung. Vermutlich, weil Hirnregionen betroffen sind, die für die Regulation von Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Bewegung verantwortlich sind.
Nicht jeder Tic ist Tourette
Man kann das Tourette-Syndrom auch mit anderen Erkrankungen verwechseln. Etwa mit gutartigen Bewegungsstereotypien des Kindesalters. Diese treten bei ansonsten gesunden Kindern auf. Sie äußern sich durch zwanghafte Bewegungen wie Hände schütteln, Kopfschaukeln oder Körperwippen, sind in der Regel harmlos und verschwinden mit der Zeit wieder.
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