Hoffnung auf schnelles Geld:Wenn Sportwetten süchtig machen
von Tom Khazaleh
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Sportwetten boomen - auch in Deutschland. Das schnelle Geld lockt. Doch auf Sportergebnisse zu wetten, kann schnell zur Sucht werden. Wie Betroffene und Angehörige Hilfe finden.
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Viel Geld gewinnen - schnell und unkompliziert. Dafür einfach nur auf das richtige Ergebnis eines Fußballspiels oder anderen Sportereignisses tippen: Sportwetten versprechen genau das. Und viele folgen dem Versprechen. Seit 2017 geben die Deutschen jedes Jahr zwischen sieben und neun Milliarden Euro für Sportwetten aus.
Die Zielgruppe ist männlich, jung und sportbegeistert. Besonders beliebt sind Online-Wetten. Sie sind auf dem Smartphone und rund um die Uhr verfügbar. Das senkt die Hemmschwelle und macht Sportwetten für viele attraktiv. Die Spieler vertrauen hier vor allem auf ihr vermeintliches Sportwissen, sagt Tobias Hayer, Psychologe und Glücksspielforscher an der Universität Bremen.
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Sportwetten: Werbung vermittelt positives Image
Werbung für Sportwetten ist allgegenwärtig: Coole Fernsehspots, Banner in den Fußballstadien oder Clips im Internet. Prominente werben für Sportwettenanbieter, Fußballvereine werden von ihnen gesponsert. Dadurch werden Sportwetten immer mehr zu etwas ganz Alltäglichem, zu etwas, das zum Leben eines echten Sportfans offenbar dazugehört. In der Werbung wird ganz bewusst das Glücksspiel mit dem positiven Image von Sport verknüpft.
Die permanente Verfügbarkeit, das vermeintliche Fachwissen und das positive Image durch Werbung trage zum hohen Suchtpotenzial von Sportwetten bei, so der Psychologe.
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Wenn aus dem Wetten eine Sucht wird
Glückspielsucht ist in Deutschland eine anerkannte Erkrankung. Hierzulande gelten 1,3 Millionen Menschen als glücksspielsüchtig. Weitere 3,3 Millionen zeigen ein riskantes Verhalten. Was oft mit einer einzelnen Wette auf den Lieblingsverein beginnt, kann sich innerhalb kurzer Zeit in eine Glücksspielsucht entwickeln.
Chasing-Verhalten, das Hinterherjagen von Verlusten, nennen Experten das typische Suchtmerkmal. Weitere Anzeichen einer Abhängigkeit sind der Drang, immer häufiger und riskanter zu wetten - ebenso, wenn für Spieler das Wetten zum zentralen Lebensinhalt wird. Süchtige erleben oft einen totalen Kontrollverlust. Sie wetten weiter, auch wenn sie bereits pleite sind. Der Schuldenberg wächst bei manchen in die Hunderttausende und mehr.
In Deutschland gibt es seit Juli 2021 einen Glücksspielstaatsvertrag. Dieser erlaubt Sportwetten unter gewissen Voraussetzungen. In den Jahren zuvor bewegten sich Sportwetten in einer rechtlichen Grauzone: Sie waren nicht explizit verboten, aber auch nicht durch Lizenzen genehmigt. Anbieter nutzten in dieser Zeit juristische Schlupflöcher und beriefen sich auf Lizenzen aus Malta und Gibraltar.
Erst seit 2021 können Betreiber legal Sportwetten in Deutschland anbieten, indem sie eine Konzession erlangen. Anfang 2024 besaßen 31 Anbieter eine solche Konzession. Zusätzlich müssen Wettanbieter sich an bestimmte Vorschriften halten: Unter anderem darf kein Spieler pro Monat mehr als 1.000 Euro setzen. Ebenso ist es nicht erlaubt, Spieler an Wetten teilhaben zu lassen, die aus Selbstschutz gesperrt sind.
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Therapie gegen die Wettsucht
Betroffene müssen einsehen und erkennen, dass sie suchtkrank sind. Häufig bagatellisieren sie monate- oder jahrelang ihr Suchtverhalten. Dabei spielt die Dauer der Spielsucht für die Behandlung eine wichtige Rolle.
Wichtig ist, sich professionelle Hilfe zu holen. Gerade für den Erstkontakt sind ambulante Beratungsstellen, Hotlines und Onlineberatungen eine gute erste Anlaufstelle. Auch gibt es deutschlandweit Selbsthilfegruppen.
Fach- und Rehakliniken bieten mehrmonatige Programme an, um die Sucht zu behandeln. Oft sind auch langfristige Psychotherapien notwendig. Wichtig ist, dass Betroffene sich zum Selbstschutz über das Sperrsystem OASIS bei allen Wettanbietern sperren lassen.
Aufklärung ist ein wesentliches Instrument im Kampf gegen Sportwetten-Sucht. So gibt es Initiativen und Kampagnen in Sportvereinen oder Schulen, um auf die Gefahren von Sportwetten hinzuweisen. Der Deutsche Fußballverband bietet unter anderem Schulungen für seine Trainer an, um sie für das Thema zu sensibilisieren. Ehemalige Sportwetten-Süchtige gehen in Schulklassen und berichten offen über die Gefahren. Suchtexperten ist das insgesamt noch zu wenig. Sie fordern deutlich mehr Aufklärung bei jungen Leuten.
Der Übergang zwischen gelegentlichen Wetten und problematischem Wettverhalten ist schleichend. Wer sich unsicher ist, ob er bereits spielsüchtig ist, kann im Internet Selbsttests machen oder sich bei Beratungsstellen informieren.
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mit Video
Quelle: ZDF
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