Mit der Smartwatch die Gesundheit vom Herz überwachen
Was Wearables leisten können:Per Smartwatch die Herzgesundheit überwachen
von Thomas Förster
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Herzrhythmusstörungen können lebensgefährlich sein, werden aber oft nicht diagnostiziert. Was moderne Smartwatches können und ob ein Mini-EKG am Handgelenk als Lebensretter taugt.
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Plötzliche Übelkeit, Luftnot, ein unregelmäßiger Herzschlag: Diese Symptome können zum Beispiel auf ein Vorhofflimmern hindeuten, eine gefährliche Herzrhythmusstörung. Wer eine geeignete Smartwatch besitzt, kann in 30 Sekunden eine erste Kontrollmessung machen. Doch wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Was Wearables sind
Eine Smartwatch ist die bekannteste Variante der so genannten Wearables. 2022 haben die Deutschen rund 7,2 Millionen dieser Mini-Computer gekauft, vor allem um ihre Schritte zu zählen. Wearables können aber auch medizinische Daten messen.
Laut Kardiologe Gerhard Hindricks kann eine kleine Smartwatch fast genauso so gut messen wie ein EKG-Gerät in der Arztpraxis. ″Die heute verfügbaren modernen Wearables zeichnen sich schon durch eine atemberaubende Genauigkeit aus″, sagt der Spezialist für digitale Medizin. Die Messgenauigkeit liege in Studien zwischen 91,5 und 98,5 Prozent.
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Der Nutzen von Wearables bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Als Mini-EKG misst eine Smartwatch den elektrischen Impuls des Herzens ca. 30 Sekunden lang. Solche Messungen können für Patienten mit einem bereits diagnostizierten Vorhofflimmern nützlich sein, die ihr Herz kontrollieren wollen. Aber auch vorbeugend sind solche Messungen aus Sicht von Kardiologen sinnvoll:
Insofern kann eine Smartwatch am Handgelenk ein Lebensretter sein, wenn man dadurch lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen entdeckt.
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mit Video
EKG sollte Hinweise aus Smartwatch bestätigen
Kardiologen weisen aber darauf hin, dass erste Hinweise auf ein per Smartwatch diagnostiziertes Vorhofflimmern durch ein Standard-EKG bestätigt werden sollten. Und: Die Erstdiagnose mit einer Uhr ersetzt nie einen Arztbesuch. Sie sollte vielmehr Anlass sein, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.
Smartwatches können außerdem den Puls messen und einige sogar die Sauerstoffsättigung oder den Blutdruck. Das kann für Patienten hilfreich sein, die regelmäßig ihren Blutdruck kontrollieren müssen.
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Wo die Zukunft der Wearables liegt
Die künftigen Einsatzmöglichkeiten von Wearables sind groß. In der Entwicklung sind derzeit zum Beispiel intelligente Uhren, die den Blutzuckerspiegel bei Diabetikern ohne einen Stich messen können. Sie würden einen großen Fortschritt bedeuten für Betroffene, die ihr Leben lang den Blutzuckerspiegel messen müssen.
Wearables gibt es zum Beispiel auch in Form von Brustgurten, Ringen oder Pflastern. Kardiologen setzen bereits so genannte Rhythmuspflaster ein, die ein EKG aufzeichnen und Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern erkennen können, ähnlich wie eine Smartwatch.
Wissenschaftler der amerikanischen Stanford-Universität entwickeln derzeit ein smartes Pflaster für Menschen mit chronischen Wunden. Mini-Sensoren darin überwachen den Zustand der Wunde und leiten diese Information an eine Smartwatch weiter. Kommt es zu einer Infektion, wird in dem Pflaster eine elektrische Stimulation gestartet. Diese soll den Infektionsprozess unterdrücken und helfen, das Gewebe wieder zu verschließen.
Gerhard Hindricks ist davon überzeugt, dass Wearables in Zukunft zunehmend von gesunden und jüngeren Menschen genutzt werden. Dadurch könne man verhindern, dass diese überhaupt zu Patienten werden. Dazu müsste man Hinweise, die auf den Ausbruch einer Krankheit hindeuten, regelmäßig checken.
Welche Probleme es noch gibt
Wearables sind heute in der Regel Lifestyle-Produkte. Damit müssen sie anders als Medizinprodukte kein strenges - und teures - Zertifizierungsverfahren durchlaufen. Dadurch gibt es jedoch keine einheitlichen Qualitäts- und Sicherheitsstandards, die Patienten schützen. Das gleiche gilt für den Datenschutz.
Wearables erfassen und sammeln hochsensible Daten der Nutzer. Diese erfahren in den meisten Fällen weder, wie die Daten von den Anbietern der Geräte verarbeitet werden, noch an wen diese weitergegeben werden. Dadurch gibt es ein großes Missbrauchspotential. Experten fordern daher, diese Lücke baldmöglichst durch entsprechende Gesetze zu schließen.
Wer die Kosten für Wearables übernimmt
Es gibt zwar Krankenkassen, die Geräte im Rahmen von Bonusprogrammen bezuschussen, aber in der Regel müssen Verbraucher die Kosten noch selbst zahlen. Geeignete Smartwatches können je nach Qualität und Funktionsumfang zwischen 150 und 900 Euro kosten. ″Ich gehe sehr davon aus, dass die Kosten bei vielen chronisch Erkrankten von den Kassen übernommen werden″, so Kardiologe Hindricks.
Für eine seltene Form der Herzmuskelschwäche übernehmen die Krankenkassen die Kosten zur Überwachung mit einem Wearable bereits heute.
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