Schmerzen: Wie unterschiedlich Männer und Frauen sind
Schmerzmedizin und Geschlecht:Männer und Frauen spüren Schmerzen anders
von Susanne Gentsch
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Männer reagieren auf Schmerzen empfindlicher als Frauen. Ein Vorurteil? Wie unterscheidet sich die Schmerzwahrnehmung von Mann und Frau wirklich? Die Antwort ist überraschend.
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Schmerzen sind ein Frühwarnsystem, das den Körper vor schädlichen Einflüssen schützt. Sie können pochend, beißend, scharf, dumpf oder stechend sein und werden individuell sehr unterschiedlich empfunden. Dafür sind viele verschiedene Faktoren verantwortlich. Einer davon ist das Geschlecht.
Biologisches und soziales Geschlecht
Das biologische Geschlecht basiert auf sicht- und messbaren Faktoren wie Hormonen, äußeren und inneren Geschlechtsorganen. Hier liegen viele Funktionen des Körpers, die einen Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung haben. Diese werden auch durch genetische Merkmale beeinflusst, die auf den Chromosomen liegen.
Das soziale Geschlecht ist geprägt durch die kulturelle Bewertung von Aussehen, Körpersprache und Handlungsweisen, die als "männlich" oder "weiblich" gelten, und einen unterschiedlichen Umgang von Mann und Frau mit Schmerzen zur Folge haben können.
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Hormone und Schmerzempfindlichkeit
Bettina Pfleiderer forscht an der Universität Münster unter anderem zu genderspezifischen Aspekten der Schmerzmedizin. Sie weiß: Der Körper hat Andockstellen für Sexualhormone wie Östrogene und Testosteron. Diese beeinflussen die Signalwege im Nervensystem und bewirken Unterschiede bei der Schmerzleitung und Schmerzempfindung.
Frauen haben mehr Östrogen als Männer. Und die haben mehr Testosteron als Frauen. Und gerade Testosteron kann die Schmerzempfindlichkeit bei Männern reduzieren.
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Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, Arbeitsgruppe Cognition & Gender, Universität Münster
Bei Frauen sinkt während der Periode der Östrogenspiegel und die Schmerzempfindlichkeit steigt. Während der Wechseljahre kann die Schmerzempfindlichkeit reduziert sein.
Doch nicht nur das Geschlecht und die Hormone beeinflussen das Schmerzempfinden. Viele weitere Faktoren spielen eine Rolle.
Bei guter Ernährung sinkt das Risiko, bestimmte Krankheitsbilder zu entwickeln, die wiederum Schmerzen auslösen können. Der erhöhte Konsum von Fast Food und Fertigprodukten kann beispielsweise Gefäßerkrankungen begünstigen, die zu Herzinfarkten oder Schmerzen beim Gehen führen können.
Durch regelmäßige Bewegung können Schmerzen gelindert werden. Der Körper schüttet Dopamin und Endorphine aus, die ähnlich wie Opioide schmerzstillend wirken.
Schlaf ist ein biologisches Grundbedürfnis. Schmerzen stören den Schlaf und schlechter Schlaf verstärkt den Schmerz. So führt Tiefschlafmangel nicht nur zu einer allgemeinen körperlichen Schwächung, sondern auch zu einer Erniedrigung der Schmerzschwelle.
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Schmerz und psychosoziale Faktoren
Stress erhöht grundsätzlich die Schmerzempfindlichkeit. Das konnte vor allem bei Frauen nachgewiesen werden.
Das Stresssystem des Gehirns schlägt bei Frauen leichter aus als bei Männern.
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Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, Arbeitsgruppe Cognition & Gender, Universität Münster
So wird zum Beispiel das Stresshormon Cortisol bei Frauen schneller ausgeschüttet, was wiederum zu körperlichen Symptomen wie einer erhöhten Herzfrequenz führt. Chronifizieren sich solche Stressreaktionen, wird in der Folge mehr Schmerz empfunden.
Auch gesellschaftliche Geschlechterrollen beeinflussen das Schmerzempfinden.
Es ist einfach leichter, Schmerz zu verarbeiten, wenn man ihn äußern kann und von der Umgebung Mitgefühl erfährt.
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Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, Arbeitsgruppe Cognition & Gender, Universität Münster
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Schmerz und Bewältigungsstrategien
Bei der Schmerzbewältigung profitieren Frauen eher durch Anteilnahme von außen. Viele sprechen ihren Schmerz offen an, wollen ihn verstehen, holen sich Hilfe. Sie gehen rechtzeitig zum Arzt.
Männer hingegen verstecken oder verschweigen ihren Schmerz öfter und haben andere Bewältigungsstrategien. "Männer versuchen zum Beispiel den Schmerz durch Alkoholkonsum zu betäuben", so Pfleiderer.
Viele Medikamente, darunter auch Schmerzmittel, wurden lange Zeit in Studien ausschließlich an jungen, gesunden Männern getestet. Das entspricht jedoch nicht der Realität. In der Folge werden Schmerzmedikamente bei Frauen heute noch zu hoch dosiert. Da Frauen kleinere Nieren haben, können Schmerzmedikamente zudem länger im Körper verbleiben und vermehrt Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verstopfung oder Atemnot hervorrufen.
Kommt es bei einer neuen Medikation zu Nebenwirkungen, sollte man diese sofort mit dem Arzt oder der Ärztin besprechen.
Man sollte das persönliche Umfeld für das Schmerzleiden sensibilisieren. Schmerzen offen kommunizieren, damit man ernstgenommen wird.
Vor allem als Mann sollte man früh genug zum Arzt zu gehen.
Mit einem Schmerz-Tagebuch kann man herausfinden, was den Schmerz auslöst und was am besten dagegen hilft.
Auch beim Auftreten von Erkrankungen, die mit Schmerzen einhergehen, gibt es typische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So sind Frauen häufiger als Männer von Autoimmunerkrankungen, Migräne oder Multipler Sklerose betroffen.
Fast 70 Prozent aller Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise Rheuma treten bei Frauen auf. Sie haben deshalb ein höheres Risiko, Schmerzen zu erleiden. Schmerz hat damit ganz klar ein Geschlecht.
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Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, Arbeitsgruppe Cognition & Gender, Universität Münster
Im Gegensatz dazu treten bei Männern häufiger schmerzhafte Erkrankungen an Arterien und Skelett, sowie Gicht und Cluster-Kopfschmerzen auf.
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