Prostatakrebs: Es tut sich was in Sachen PSA-Screening
Prostatakrebsfrüherkennung:Es tut sich was in Sachen PSA-Screening
von Ines Trams
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Durch eine neuartige Untersuchung könnte Prostatakrebs früher erkannt werden als bislang. Das sogenannte Prostata-spezifische Antigen (PSA) liefert vielversprechende Daten.
Prostatakrebsfrüherkennung in Deutschland: Bislang zahlen und befürworten die Kassen nur die Tastuntersuchung, die aber einen Krebs oft viel zu spät erkennt.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht sich nun erstmals für ein Screening mit dem Tumormarker PSA aus. Studien lieferten vielversprechende Daten.
Die Tastuntersuchung - eine "Spät-Erkennung"?
Heute ist Günter Kupke aus Mannheim 68. Als die Ärzte bei ihm im Alter von 54 den Krebs entdeckt hatten, haben sie ihm gerade mal noch fünf Jahre gegeben. Jahrelang war er zuvor zur Tastuntersuchung gegangen, der Früherkennung, die von den Kassen gezahlt wird. Nichts wurde entdeckt.
Erst als ein Urologe den PSA-Wert abnahm, wurde der fortgeschrittene Prostatatumor festgestellt - inoperabel, mit Medikamenten und Chemotherapie wird er seither in Schach gehalten.
Dem Prostatakrebs auf der Spur: Was Sie über Tastuntersuchung, PSA-Wert, Ultraschall- und MRT-Untersuchungen, Biopsien, Gentests wissen sollten. Und welche Risikofaktoren es gibt.
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mit Video
"Ich bin auf die Krankenkasse-Vorsorge mehr oder weniger reingefallen", sagt Kupke, "weil ich mich da in Sicherheit gefühlt habe. Ich habe all meinen Freunden immer wieder gesagt, ich gehe in die Krebsfrüherkennung und mir kann nichts passieren, oder wenn was ist, dann bin ich früh dran. Dem war aber nicht so."
PSA: Blutwert, der auf Tumor hinweisen kann
Erst der PSA-Wert, das prostata-spezifische Antigen, brachte bei Günter Kupke Klarheit - ein Blutwert, der auf einen Prostata-Tumor hinweisen kann. Seine Aussagekraft: umstritten. Denn der PSA-Wert schlägt auch im Falle von gutartigen Veränderungen der Prostata Alarm.
Entsprechend gibt es bislang keine flächendeckende Früherkennung mit dem PSA-Wert - aus Sorge vor zu vielen falsch-positiven Befunden, vor zu vielen Fehlalarmen.
Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor und nach dem Lungenkrebs die zweithäufigste Krebstodesursache des Mannes, jährlich versterben 15.000 Patienten. Anders als beim Brust- oder Darmkrebs gibt es für den Prostatakrebs in Deutschland kein Früherkennungsprogramm. Die Kassen erstatten ab dem Alter von 45 Jahren die Tastuntersuchung.
Ein Screening, also eine Reihenuntersuchung auf Basis des Tumormarkers PSA, dem prostata-spezifischen Antigen wird bislang nicht empfohlen und nicht finanziert. Darüberhinausgehende bildgebende Untersuchungen wie ein MRT zur Eingrenzung des individuellen Risikos sind ebenfalls bislang nicht Bestandteil der Früherkennung.
Dabei ist Prostatakrebs für ein Screening prädestiniert, denn der Tumor lässt sich früh entdecken und kurativ behandeln.
Gutachten bremst das PSA-Screening vorerst aus
Zuletzt kam das Institut für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein solches Screening mehr schaden würde, als dass es nutzt.
Damit wurde die Idee in Deutschland erstmal ausgebremst: Kassen und Ärzteschaft blieben dabei, Männern einzig die Tastuntersuchung als Vorsorge zu erstatten. Überdiagnosen und unnötige Behandlungen wollte man vermeiden.
"Unsere Sorge war," so beschreibt es Professor Stefan Sauerland vom IQWiG, "dass aufgrund eines positiven PSA-Wertes viele Männer dann eine Biopsie und auch viele Männer eine Krebsdiagnose erhalten. Und bei diesen Krebsdiagnosen handelt es sich aber sehr oft um sehr langsam wachsende Krebse. Das heißt, das sind Krebsformen, die dem Mann nie zu Lebzeiten irgendein Problem gemacht hätten."
Das Alter ist der Risikofaktor Nummer 1 für Prostatakrebs. Laut dem deutschen Krebsregister steigt die Wahrscheinlichkeit, an diesem Tumor zu erkranken, mit den Lebensjahren an. Im Durchschnitt sind Männer bei der Diagnose 72 Jahre alt.
Auch die Gene und die familiäre Veranlagung spielen eine Rolle. Felix Chun erklärt: "Ist beispielsweise der Vater betroffen, steigt das Risiko einer Erkrankung bereits um 32,5 Prozent. Bei einem Bruder mit Prostatakrebs liegt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung bei fast 87 Prozent."
Das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, hängt auch mit der Ernährung zusammen. Reichlicher Konsum von Fisch, Obst und Gemüse bei gleichzeitig wenig Fleischkonsum soll das Risiko senken. Studien konnten zudem zeigen, dass sich der Konsum von Soja, Sellerie, Senf und Tomaten günstig auf das Krebsrisiko auswirkt.
Laut vielen Studien kann Sport das Krebsrisiko reduzieren. Darüber hinaus beugt regelmäßige Bewegung Übergewicht vor. Empfohlen wird mindestens eine halbe Stunde Sport am Tag.
Auch Alkohol soll das Risiko für Prostatakrebs erhöhen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor einem zu hohen täglichen Konsum. Empfohlen wird maximal ein halber Liter Bier oder ein Viertel Liter Wein am Tag.
Neue Ansätze: "Wir müssen richtig screenen!"
"Deutschland liegt im Dornröschenschlaf", sagt dagegen Professor Peter Albers, Chef der Urologie der Uni Düsseldorf: "Die Tumore, die wir früh erkennen wollen, kann man nicht tasten."
Er will eine neue Prostatakrebs-Früherkennung und argumentiert:
In einer großangelegten, mehrjährigen Studie unter Federführung des Deutschen Krebsforschungszentrums will Albers belegen, dass Screening mit dem PSA-Wert auch treffsicher geht, ohne Überdiagnose.
Smart Screening: Nur tatsächliches Risiko erkennen
Das sogenannte Smart Screening soll nur die Männer erkennen, die tatsächlich ein Risiko haben: Man nimmt den Wert zwischen 45 und 50 Jahren und begleitet dann nur die Männer engmaschig mit MRT und Biopsien, die einen erhöhten Wert aufweisen.
"Wichtig ist", so Albers, "dass das Einstiegsalter des ersten Wertes tief liegt, nämlich dann, wenn die Drüse einfach nicht vergrößert ist. Wenn ein hoher Wert darauf hindeutet, dass in der Drüse sich ein Karzinom entwickeln wird. Und da gibt es inzwischen wirklich gute Daten, die eine Vorhersage für die nächsten 25 Jahre erlauben."
Früherkennung kann Leben retten: Dank einer Kontrolluntersuchung wurde bei vier Brüdern ein frühes Stadium von Prostatakrebs entdeckt. 15.09.2023 | 5:30 min
Lauterbach erstmals pro PSA-Screening
Die Tastuntersuchung ist nicht zielführend, sagt heute auch die EU-Kommission und fordert die Länder auf, ein PSA-Screening voranzutreiben. Unterstützung gibt es vom deutschen Gesundheitsminister.
Lauterbach äußert sich gegenüber dem ZDF erstmals als Minister zum Screening und deutet an, er befürworte, diese Früherkennung in die von den Kassen bezahlte Früherkennung zu integrieren.
Die Zeit sei reif dafür, er teile die Einschätzung der EU voll und ganz: "Die wissenschaftliche Grundlage für ein Prostatascreening gerade mit dem PSA-Marker ist sehr stark und überwältigend. Und daher könnte ich mir gut vorstellen, dass sich da jetzt etwas bewegt."
Krebsvorsorge kann Leben retten. Doch es gibt auch Risiken wie falsche Ergebnisse und unnötige Behandlungen. Welche Untersuchungen sinnvoll sind.
Studie läuft bis 2035
Die Studie von Urologe Albers wird bis 2035 laufen. Doch er hofft, bereits in den nächsten Monaten oder Jahren mit den Daten, die die Studie bereits heute ergeben hat, etwas zu bewegen:
"Im Vergleich zum Brustkrebs oder zum Darmkrebs gab es über Jahrzehnte überhaupt kein Nachdenken über eine Früherkennung beim Prostatakarzinom. Das ist eine berechtigte Kritik. Deutschland muss sich um diesen häufigsten Tumor des Mannes kümmern, in intelligenter, moderner Weise. Das ist möglich."
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