Was tun bei Mental Load - Wie die To-Do-Liste kürzer wird
Gegensteuern bei Mental Load:Wie die To-Do-Liste wieder kürzer wird
von Lorraine McIlvenny
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An alles denken, organisieren: Mental Load kann im Ernstfall sogar krank machen, besonders berufstätige Mütter sind gefährdet. Wie man die Belastung reduzieren kann.
Durch alltägliche Aufgaben wie Kinderbetreuung, Haushalt und Koordination von Terminen steht der Mensch im Dauerstress. Diese mentale Belastung, von der besonders Frauen betroffen sind, kann krank machen.10.10.2023 | 5:26 min
Was muss noch eingekauft werden? Das Haus hat dringend einen Großputz nötig. Sind die Rechnungen bezahlt? Die Kinder brauchen neue Schulsachen. Wann war noch gleich der Arzttermin? Das Leben als Paar und insbesondere als Familie zu managen, bringt viele Pflichten mit sich - und viel unsichtbare Denkarbeit.
Was ist Mental Load?
Die Last dieser Verantwortung kann an der Psyche zehren. Wenn pausenlos To-Do-Listen im Kopf rattern, sprechen Psycholog*innen vom "Mental Load", zu Deutsch: Mentaler Last. Mental Load kann grundsätzlich jeden plagen, insbesondere berufstätige Mütter berichten aber davon.
Die 39-jährige Laura Fröhlich aus Baden-Württemberg engagiert sich als ehemalige Betroffene, um auf das Thema aufmerksam zu machen: "Elternbriefe, Arzttermine, Urlaubsplanung, Steuererklärung, Schule, Einkauf, irgendwie kam alles bei mir an."
So schildert die dreifache Mutter ihre jahrelange hohe Belastung durch das Familien- und Haushaltsmanagement. Die spürte sie parallel zur Arbeit von Zuhause als freie Autorin und Bloggerin.
Die mentale Gesundheit beeinflusst maßgeblich das allgemeine Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit. Worauf jeder im Alltag achten sollte und wie man die Psyche stärken kann.
von Erik Hane
mit Video
Welche Gesundheitsrisiken hat Mental Load?
"Ich war dauernd erschöpft, hatte immer Aufgaben im Kopf, ich hatte Nackenschmerzen und war total gereizt." So beschreibt Fröhlich ihren Zustand kurz vor einer Mutterkur 2019. Mental Load kann nicht nur Karriere und Freizeit im Weg stehen, sondern auch die psychische und körperliche Gesundheit gefährden.
Zwar ist Mental Load an sich keine medizinische Diagnose, aber laut Diplom-Psychologin Birgit Langebartels ist es ein "Warnsignal, wenn ich merke, wie diese Gedankenspirale, diese inneren To-Do-Listen, sich immer weiterdrehen. Wenn ich vieles nur als Termin oder Pflicht wahrnehme." Auch vom Gefühl fremdbestimmt zu sein und Schuldgefühlen berichten Betroffene.
Kurze Phasen mit erhöhter Auslastung verkraften wir in der Regel. Doch andauernd an die Grenzen zu kommen, kann richtig krank machen. "Es ist ja nicht so, dass ab jetzt der Burnout anfängt oder die Depression, das ist ja ein schleichender Prozess. Wenn ich letztlich überhaupt nicht mehr in eine Entspannung komme oder auch keine Freude mehr empfinde, dann sollte ich mir in jedem Fall professionelle Hilfe holen und gegebenenfalls eine Therapie anfangen", mahnt Diplom-Psychologin Birgit Langebartels.
Auch körperliche Beschwerden können auftreten:
stressbedingte Konzentrations- und Schlafstörungen
innere Unruhe
Herzrasen
Auch Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen sind denkbare Anzeichen
Die weniger sichtbaren und dadurch tendenziell wenig geschätzten Aufgaben rund ums Familienmanagement lasten oft auf Frauen. Denn: Sie übernehmen ohnehin häufiger den Großteil der sichtbaren Arbeit rund um Kinderbetreuung, Haushalt und Angehörigenpflege, also unbezahlte Care-Arbeit (zu Deutsch: Sorge-Arbeit).
Erwerbstätige Frauen im Alter zwischen 35 und 40 Jahren verbringen im Schnitt sieben Stunden pro Tag damit, erwerbstätige Männer 3,5 Stunden, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft zeigt.
Wer pflegt, kocht, putzt und kümmert sich – und zu welchem Preis? 80 Prozent der "Care Arbeit" wird hierzulande von Frauen geleistet. "Equal Care Day"-Initiatorin Almut Schnerring klärt über die ungerechte Verteilung von Fürsorgearbeit auf.06.03.2023 | 7:47 min
Reduzierte Arbeitszeit schützt nicht vor Mental Load
Starke Unterschiede zeigen sich meist direkt nach der Geburt des Kindes: Laut Statistischem Bundesamt beantragten Frauen im vergangenen Jahr 14,6 Monate Elternzeit, Männer dagegen nur 3,6 Monate. Folglich arbeiten mehr Mütter in Teilzeit und mehr Väter in Vollzeit.
Vor Mental Load schützt eine reduzierte Arbeitszeit aber nicht per se. Denn: Je gewissenhafter gearbeitet wird und je größer die Verantwortung Zuhause ist, desto größer scheint das Risiko zu sein, an Kapazitätsgrenzen zu stoßen.
Immer mehr amerikanische Teenager leiden unter Depressionen. Oft als Nachwirkung der Corona-Pandemie und wachsendem Druck in den sozialen Medien. Was tun gegen die mentale Krise? 21.06.2023 | 6:08 min
Financial Load betrifft eher Männer
Im Hinblick auf bestehende Rollenmuster gibt es inzwischen auch ein - meist männliches - Pendant zum Mental Load: den "Financial Load", die Last der Verantwortung, die Familie durch das Einkommen zu ernähren.
Zeit für sich ohne schlechtes Gewissen
Inzwischen geht es Laura Fröhlich wieder gut, sagt sie. Nachdem sie im Internet selbst auf den Begriff "Mental Load" stieß, sprach sie viel mit ihrem Mann darüber. Zusammen strukturierten sie den Familienalltag um. "Das war gar nicht so leicht. Aber wir sind dadurch als Familie gewachsen, teilen uns den Mental Load untereinander auf. Mein Mann und auch die Kinder übernehmen mehr Verantwortung."
Was man gegen Mental Load tun kann
Unsichtbare Denkarbeit und To Dos aufs Papier zu bringen, ist der erste Schritt. Besonders übersichtlich wird eine Auflistung der "Nebenher"-Tätigkeiten. Wenn auch erfasst wird, wie viel Zeit diese kosten und wie oft sie anfallen, kann das mehr Wertschätzung schaffen.
Nun können die To Dos neu verteilt werden - auf beide Partner und gegebenenfalls die Kinder. Feste Zuständigkeiten sind dabei oft hilfreich, z.B. für die Auswahl der Kinderkleidung oder das Zu-Bett-Bringen. Familienplaner können bei der zeitlichen Priorisierung helfen. Von nicht zwingend notwendigen Aufgaben sollte man sich verabschieden.
Aufgaben können delegiert werden. Kinder können mit zunehmender Selbständigkeit im Haushalt mithelfen, sich eigenständig um Verabredungen und Termine kümmern. Aus den festgelegten Zuständigkeiten des Partners oder der Partnerin sollte man sich dann grundsätzlich raushalten, auch wenn es schwer fällt.
Immer wieder Auszeiten ohne Pflichten einzuplanen, gibt Kraft für den Alltag. Die "Me-Time" kann man mit Hobbies, Sport und Freunden verbringen - oder einfach mit Nichtstun. In Beziehungen ist es wichtig, sich bewusst Zeit zu zweit als Paar zu schaffen, z.B. beim Spaziergehen, Kaffee-Pausen oder einem Filmabend.
Gut genug statt vermeintlich perfekt - das reicht oft völlig aus. Schwierigkeiten gegenüber dem Umfeld offen zu kommunizieren, kann außerdem dabei helfen, Druck rauszunehmen. Wer erkennt, dass auch andere hadern, macht sich unabhängiger von der Anerkennung anderer.