Kopfschmerzen durch Schmerzmittel: Was kann man tun?

    Kopfschmerz durch Schmerzmittel:Wie man den Teufelskreis durchbrechen kann

    von Andreas Kürten
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    Millionen Deutsche nehmen regelmäßig ein Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen. Doch Vorsicht: Die Schmerzmittel selbst können bei zu häufigem Gebrauch Kopfschmerzen auslösen.

    Tablette wird aus Packung rausgedrückt.
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    Spannungskopfschmerzen und Migräne sind für viele Menschen ein häufiger Begleiter. Doch viele Betroffene gehen damit nicht zum Arzt. Stattdessen helfen sie sich selbst mit frei verkäuflichen Schmerzmitteln. Die aktuellen Zahlen machen es deutlich: Etwa fünf Millionen Deutsche nehmen mindestens einmal wöchentlich ein Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen ein, viele sogar noch häufiger.

    Schmerzrezeptoren durch viel Schmerzmittel total überreizt

    Gängige Schmerzmittel enthalten Wirkstoffe wie Paracetamol, Ibuprofen, Acetylsalicylsäure (ASS) oder Diclofenac. Was viele nicht wissen: Ein übermäßiger Gebrauch der Präparate kann bestehende Beschwerden verschlimmern oder weitere Kopfschmerzattacken hervorrufen. Caroline Jagella, Neurologin in der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein, erklärt:

    Man vermutet eine Hyper-Sensitivierung der Schmerzrezeptoren, die permanent stimuliert werden, dann durch Rückkopplungsmechanismen sich verändern, nicht mehr so ansprechen auf diese Medikamente.

    Dr. Caroline Jagella, Neurologin

    Die Schmerzrezeptoren seien nachher schließlich so überreizt, dass sie Schmerzen verursachen können, so die Expertin. Man nenne dies Schmerzmittel-induzierter Kopfschmerz.
    Auch der häufige oder übermäßige Gebrauch von Migränemitteln wie Triptanen oder Ergotaminen kann dieses Phänomen auslösen. Wer davon betroffen ist, ist nicht immer leicht zu erkennen, weil die "bekannten" Kopfschmerzen oft einfach nur häufiger und stärker auftreten.
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    Selbst-Erkenntnis: Wann nehme ich zu viel?

    Ob der Gebrauch "übermäßig" ist, hängt davon ab, an wie vielen Tagen die Mittel innerhalb der letzten drei Monate eingenommen wurden und um welches Medikament es sich handelt. Die Dosierung an den einzelnen Tagen spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

    Experten gehen davon aus, dass etwa ein bis zwei von 100 Menschen Kopfschmerzen haben, weil sie zu häufig Schmerz- oder Migränemittel anwenden. Meist sind Frauen mittleren Alters betroffen, die Migräne haben.

    • Bei Schmerzmittel wie Paracetamol, Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofen gilt als übermäßiger Gebrauch, die Mittel an 15 oder mehr Tagen pro Monat einzunehmen.
    • Bei Migränemitteln wie Triptanen und Ergotaminen gelten schon zehn Einnahmetage pro Monat als zu häufig.

    Untersuchungen haben gezeigt, dass es in Folge von neurobiologischen Prozessen der Schmerzverarbeitung im Gehirn unter dem Einfluss von psychologischen Faktoren zu einer Gewöhnung an die Schmerzmittel kommen kann. Beim Schmerzmittel-Übergebrauch handelt es sich jedoch nicht um eine Sucht im Sinne einer körperlichen Abhängigkeit.

    Quellen: IQWiG, Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

    Kopfschmerz-Tagebuch kann helfen

    Um den Teufelskreis zu durchbrechen, ist es wichtig, herauszufinden, wie häufig man tatsächlich Schmerzmittel nimmt. Ein Kopfschmerz-Tagebuch kann dabei hilfreich sein. Hier notiert man, wann man Kopfschmerzen hatte und welche Schmerzmittel eingenommen wurden.
    Anhand der Einträge kann man schon selbst einschätzen, ob sich die Kopfschmerzen in Art und Häufigkeit verändert haben. Ebenso zeigt sich, ob dies womöglich in Zusammenhang mit einem übermäßigen Schmerzmittelgebrauch steht. Wer feststellt, dass er sehr viele Schmerzmittel pro Monat braucht, sollte dies mit seinem Arzt besprechen.

    Medikamenten-Pause: Auf Schmerzmittel verzichten

    Ein wichtiger Schritt ist der Verzicht auf die Einnahme von Schmerzmitteln, eine sogenannte Medikamenten-Pause. Das fällt vielen Betroffenen nicht leicht. Wer zu viele Schmerzmittel einnimmt, muss zudem lernen, dass er nicht von einer Sucht betroffen ist. Der Körper hat sich jedoch an die Schmerzmittel gewöhnt.
    Estelle Neeb, Fachärztin für Schmerztherapie an der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein, kennt dieses Problem aus der Behandlung vieler Betroffener:

    Die klassischen Migräne- oder Spannungskopfschmerz-Medikamente machen keine Abhängigkeit. Deswegen nennen wir es auch Medikamenten-Pause und keinen Entzug.

    Estelle Neeb, Fachärztin für Schmerztherapie

    • Um festzustellen, ob die Kopfschmerzen auf einen Medikamenten-Übergebrauch zurückzuführen sind, werden die Mittel für sieben bis 14 Tage abgesetzt.
    • Bei einem Schmerzmittel-induzierten Kopfschmerz bessern sich die Symptome nach wenigen Tagen und werden seltener.
    • Allerdings können sich zu Beginn der Medikamenten-Pause die Schmerzen zunächst verstärken. Zudem können Begleitsymptome wie Übelkeit, Unruhe, Herzklopfen und Schlafstörungen auftreten. Meist klingen die Symptome innerhalb weniger Tage ab.
    • Eine Medikamenten-Pause legt man daher am besten in einem Zeitraum mit wenig Belastung ein.
    • Bei einer stationären Therapie wird die Anfangsphase der Medikamenten-Pause z.B. durch die Gabe von Kortison begleitet, danach häufig durch Medikamente, die das Schmerzempfinden weiter abmildern sollen.
    • Betroffene sollen lernen, ihren Gebrauch an Schmerzmitteln auf Notfälle zu reduzieren.

    Achtzig-prozentige Chance auf weniger Kopfschmerzen

    Wenn Eigeninitiative und ambulante Behandlung nicht ausreichen oder die Beschwerden sehr groß sind, sollte ein Aufenthalt in einer Spezialklinik für Kopfschmerzen und Migräne angestrebt werden. Die Kosten werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen.
    Patienten, die eine Medikamenten-Pause einlegen, haben laut Studien eine Chance von etwa achtzig Prozent, danach auch im Alltag eine signifikante Besserung ihrer Kopfschmerzen zu erreichen - ohne den übermäßigen Gebrauch von Schmerzmitteln.

    Passive und aktive Maßnahmen helfen, die medikamentöse Eigenbehandlung zu minimieren oder idealerweise zu ersetzen. Werden sie während eines stationären Aufenthalts gebündelt angewandt, spricht man von einer multimodalen Therapie. Gerade Migräne-Beschwerden sind häufig von muskulären Verspannungen begleitet. Deshalb sind physiotherapeutische Übungen für den Alltag und auch für die Arbeit im Büro für Muskulatur und Gelenke empfehlenswert. Zusätzlich hilft regelmäßiger leichter Ausdauersport. Für Entspannung sorgen progressive Muskelentspannung, Yoga oder Qigong.

    Ein weiteres wichtiges Element ist Psychotherapie. Hier lernen Patienten, die Zusammenhänge zwischen Kopfschmerz und dem Übergebrauch von Schmerzmitteln zu verstehen und durch verhaltenstherapeutische Maßnahmen ihre alltäglichen Gewohnheiten zu ändern. Außerdem sollen so genannte Trigger wie Stress, zu wenig oder übermäßige Bewegung, ein Schlafdefizit und emotionale Konflikte möglichst vermieden werden.

    Ein Erfolg ist schon, wenn Betroffene in Zukunft nicht häufiger als an zehn Tagen ein Schmerzmittel zur Linderung ihrer Beschwerden benötigen. Ganz wichtig für eine erfolgreiche Behandlung ist auch, dass im privaten und beruflichen Umfeld die Beschwerden betroffener Personen ernst genommen werden.

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