Tumorforschung: Neue Hoffnung für krebskranke Kinder

    Krebsbehandlung von Kindern:Schnellere Verfahren zur Therapieforschung

    von Jorina Stuber
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    Sehr wenige Kinder erkranken an Krebs. Daher gibt es fast nur Medikamente für Erwachsene. Das Heidelberger Krebsforschungszentrum testet mehrere Therapien für Kinder - mit Erfolg.

    Forschungsprojekt zu Kinderkrebsmedikamenten
    Krebs ist bei Kindern sehr selten. Doch viele Medikamente für Erwachsene helfen Kindern nicht, und es gibt wenig Forschung. Ein Heidelberger Forschungsprojekt will das ändern.22.01.2025 | 1:35 min
    Es war ein Schockmoment für die ganze Familie: Als Peter zwölf Jahre alt ist, wird bei ihm ein bösartiger Tumor am Augenlid diagnostiziert. "Erstmal habe ich es nicht verstanden, aber als ich meine Mutter heulen sah, musste ich auch gleich mitheulen", erinnert sich der heute 16-Jährige.
    Seit der Diagnose ist viel passiert: Monatelang muss er Chemotherapie und Bestrahlung über sich ergehen lassen. Sie drängen den Tumor zurück. Doch nach wenigen Monaten schwillt das Augenlid erneut an.

    Es war wieder der Krebs und die ganze Hölle ging von vorne los.

    Eva, Mutter von Peter

    Rückfälle für junge Krebspatienten besonders gefährlich

    Es ist nicht selten, dass krebskranke Kinder und Jugendliche einen Rückfall erleiden. Das hat mehrere Gründe: Zum einen schlagen die Standardtherapien nicht mehr an, weil die neuen Krebszellen oft schon resistent gegenüber den Chemo- und Strahlentherapien sind. Zum anderen, weil es kaum spezielle Krebsmedikamente für junge Patienten gibt.
    Schwabenklinik - Krebsstation
    Nach der Chemo kommt Die 15-jährige Leni hat einen seltenen Krebs. Monika Sparber-Sauer ist spezialisiert, will Leni die beste Therapie ermöglichen - und stößt dabei an Grenzen.04.10.2024 | 24:07 min
    Hinzu kommt, dass Krebs bei Kindern häufig sehr schnell wächst. Es bleibt also nicht viel Zeit für weitere Untersuchungen. Die durchschnittliche Überlebenszeit bei krebskranken Kindern nach einem Rückfall beträgt acht Monate.

    Neues Verfahren passende Therapien zu bestimmen

    Am Hopp-Kindertumorzentrum in Heidelberg ist 2023 deswegen ein europaweit einmaliges Projekt gestartet. Das Projekt läuft unter dem Namen INFORM - "Individualized Treatment For Relapsed Malignancies in Childhood". Das Ziel: So schnell wie mögliche Medikamente gegen Kindertumore finden.
    Dafür werden mithilfe der Krebszellen von betroffenen Kindern Mini-Tumore in Mäusen gezüchtet. An diesen wird die Wirksamkeit von rund 80 zugelassenen Medikamenten gleichzeitig getestet.
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    Bei Peters Tumor mit Erfolg: Proben seines Tumors wurden von Mainz, wo er behandelt wurde, nach Heidelberg geschickt.

    Eine zweite Chance für krebskranke Kinder

    "Es war so, dass wir hier in unserer Medikamententestung zwei Medikamente ganz klar als herausragend in unserem Test identifizieren konnten, die die Tumorzellen aufgelöst haben" erzählt Prof. Dr. Ina Oehme. Sie ist die Leiterin der Medikamententestung am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg.
    Eine zweite Chance für Peter und andere Krebspatient*innen.

    Durch das neue Verfahren konnten wir die Zeit vom Probeeingang bis zum Ergebnis für die Patienten auf drei Wochen verkürzen.

    Dr. Prof. Ina Oehme, Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg

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    Jährlich erkranken 1.800 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren an Krebs. Die Heilungsrate hat sich seit den 90er Jahren bei rund 80 Prozent aller Erkrankten eingependelt.17.12.2022 | 4:35 min
    Laut des Deutschen Krebsforschungszentrums fand das Team bei 72 Prozent der untersuchten Mini-Tumoren Medikamente, auf die die Krebszellen ansprachen.

    Kaum finanzielle Unterstützung für Kinderkrebsforschung

    Probleme gibt es bei der finanziellen Unterstützung des Projekts. "Die Heilungsraten für Kinder und Jugendliche mit Krebs haben sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren nicht wesentlich verbessert, auch weil kein kommerzielles Interesse an der Entwicklung neuer Therapien besteht", sagt Prof. Dr. med. Stefan Pfisterer, Direktor des Hopp-Kindertumorzentrum.
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    Für die neue Medikamententestung aber gibt es Unterstützung: Im vergangenen Jahr haben das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg und das Universitätsklinikum Heidelberg entsprechende Verträge mit mehreren AOKs und Betriebskrankenkassen abgeschlossen. Sie tragen die Kosten für die Entschlüsselung des Tumorgenoms bei ihren Versicherten.
    Und noch etwas stimmt Pfisterer optimistisch: Derzeit wird die EU-Verordnung der Europäischen Arzneimittelagentur an die kürzlich verabschiedete neue Bestimmung in den USA angepasst.

    Prüfung für Kinder bei Krebsmedikamenten jetzt Pflicht

    Demnach müssen alle Krebsmedikamente, die eine Zulassung erhalten, auch für die Behandlung von Krebs im Kindesalter geprüft werden, falls der Wirkmechanismus für kindliche Tumore relevant ist.

    Wir sind sicher, dass es dazu führen wird, dass es viel mehr Studien mit neuen innovativen Therapien dadurch geben wird.

    Prof. Dr. med. Stefan Pfisterer, Direktor des Hopp-Kindertumorzentrum

    Dank der neuen Methode wurde für Peter ein passendes Medikament gefunden. Heute muss er regelmäßig zur Nachsorge, aus Sicherheitsgründen wurde sein linkes Auge entfernt. Die Zeit mit Chemo- und Strahlentherapie sei eine "Höllen-Qual" gewesen. Die hat nun ein Ende. Der 16-Jährige kann seinen Hobbies wieder nachgehen - zocken und Freunde treffen.

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