Unfall im Eis: Wenn extreme Kälte zum Lebensretter wird
Wunder nach Eis-Unfall:Wenn extreme Kälte zum Lebensretter wird
von Nora Mahmoud
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Sebastian bricht in einen zugefrorenen See ein, ist 30 Minuten im Eiswasser. Als die Retter ihn reanimieren, ist der Junge klinisch tot. Dass er überlebt, verdankt er der Kälte.
Einbrechen im zugefrorenen See - für viele Menschen endet das tödlich.
Quelle: dpa/Gero Breloer, Symbolbild
2015 ist ein strenger Winter. Sebastian überquert mit seinen Freunden einen zugefrorenen Teich in Hürth. Zehn Meter vor dem Ufer passiert es: Der Sechsjährige bricht ein und geht sofort unter.
Notärztin Nicole Ribaudo ist damals als erste vor Ort. Die Rettungsaktion dauert 30 Minuten. "Da lag ein totes, kaltes Kind vor mir mit weiten Pupillen."
Wir haben versucht, eine Temperatur abzuleiten, das Thermometer hat nicht funktioniert.
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Nicole Ribaudo, Notärztin und Anästhesistin
Thermometer kann keine Körpertemperatur messen
Sebastians Körper ist so unterkühlt, dass das Thermometer keine Temperatur messen kann. Nicole Ribaudo und ihr Team fangen sofort mit der Wiederbelebung an.
Am Universitätsklinikum Köln behandeln Bernd Böttiger und sein Team den Jungen. "Bei dieser Temperatur hört das Herz einfach auf zu schlagen und der Junge war klinisch tot", erklärt der Direktor der Klinik für Anästhesiologie.
Körper des Jungen langsam aufgewärmt
Drei Tage kämpft das Ärzteteam um sein Leben. Sebastian liegt im Koma. Bernd Böttiger lässt den Sechsjährigen über eine Herz-Lungen-Maschine versorgen und wärmt den Körper von Sebastian langsam auf. Doch es bleibt unklar: Überlebt er? Wenn ja, mit welchen neurologischen Schäden?
Der Junge hat dann irgendwann die Augen aufgemacht. Das war unglaublich bewegend für uns, das ist einfach großartig, wenn man sowas erlebt.
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Prof. Dr. Bernd Böttiger, Direktor der Klinik für Anästhesiologie der Uniklinik Köln
Sebastian erholt sich schnell und hat keine bleibenden Beeinträchtigungen. "Es grenzt an ein Wunder und zeigt, wie kräftig eine Kühlung wirkt." Denn:Die Kälte hat Sebastians Organe geschützt, quasi konserviert. Sinkt die Köpertemperatur, benötigen die Organe deutlich weniger Sauerstoff.
Extreme Kälte, zum Beispiel Eiswasser, führt dazu, dass der Sauerstoffbedarf der Organe herunter geregelt wird. Mediziner sprechen von einer Art "Winterschlaf" lebenswichtiger Organe. Menschen, die im Eiswasser verunglücken, haben deshalb eine Überlebenschance, wenn sie reanimiert und im Anschluss langsam wieder erwärmt werden.
Hypothermie im klinischen Einsatz
Schon lange wissen Ärzte um die Wirksamkeit der Hypothermie. Deshalb setzen Unfall- und Intensivmediziner Kälte auch therapeutisch ein. Im Fall eines Unfalls gilt trotzdem: Setzt ein Herz aus, ist die Zeit knapp. Mit jeder Sekunde Sauerstoffmangel drohen dem Gehirn ausgedehntere Schäden.
Dank der Kühlung lässt sich der Untergang von Hirngewebe jedoch verzögern. Zehn Minuten ohne Herzschlag galten lange als entscheidend für Leben und Tod. Inzwischen kämpfen Ärzte im Extremfall sogar mehrere Stunden um einen Menschen und setzen dabei auf eine seit Jahrzehnten etablierte Methode: die therapeutische Hypothermie.
Kälte kann Leben retten
Menschen mit Herz-Kreislauf-Versagen werden dabei schon während oder direkt nach der Wiederbelebung gekühlt - mit speziellen Pads, Infusionen oder auch Eisbeuteln. Auch bei Herzoperationen wird die Körpertemperatur teils abgesenkt. Kälte kann also Leben retten.
Wenn es zu einem Notfall kommt, bei dem jemand einen Kreislaufstillstand hat, kommt es aber unabhängig von der Ursache und den Behandlungsmöglichkeiten vor Ort darauf an, das Personen in der unmittelbaren Nähe sofort handeln. Denn die richtige Reaktion der Helfenden kann in solchen Fällen lebenswichtig sein. Medizinische Laien sollten daher mit den wichtigsten Regeln der ersten Hilfe vertraut sein.
Wiederbelebung muss eine Bürgerpflicht sein. Dann könnten wir in Deutschland jedes Jahr 10.000 Menschen zusätzlich retten.
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Prof. Dr. Bernd Böttiger, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität Köln
70.000 Menschen erleiden deutschlandweit jedes Jahr außerhalb eines Krankenhauses einen plötzlichen Herzstillstand.
Acht Minuten braucht der Rettungswagen im Durchschnitt zum Patienten.
Drei bis fünf Minuten nach dem plötzlichen Herzstillstand wird das Gehirn dauerhaft geschädigt.
10 Prozent der Betroffenen überleben einen plötzlichen Herzstillstand.
42,6 Prozent der Laien helfen in Deutschland.
Die wichtigsten Schlagworte bei Wiederbelebung: prüfen, rufen, drücken
Quelle: Deutscher Rat für Wiederbelebung
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