Genitalverstümmelung: Normales Leben dank Rekonstruktion

    Weibliche Genitalverstümmelung:Normales Leben dank Genitalrekonstruktion

    von Arta Ramadani
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    Laut Weltgesundheitsorganisation gibt es weltweit mindestens 200 Millionen beschnittene Mädchen und Frauen, auch in Deutschland. Wie ein Arzt ihnen hilft.

    Rekonstruktion nach Genitalverstümmelung
    Aida erhebt ihre Stimme gegen das Ritual, das sie selbst erlebt hat.06.02.2023 | 5:54 min
    Schon als Säugling wurde Aida in Eritrea beschnitten. Als sie sechs Jahre alt ist, flieht ihre Familie nach Deutschland. Viele Jahre lebt sie, ohne zu wissen, was mit ihr passierte. Sie hatte zwar immer wieder Schmerzen und Harnwegsinfektionen, dachte aber, das sei normal. Ein Frauenarzt macht sie irgendwann auf die Beschneidung aufmerksam.

    Zunächst habe ich es so hingenommen, ich habe es akzeptiert. Erst später habe ich darüber nachgedacht, mich operieren zu lassen.

    Aida, wurde als Säugling beschnitten

    Mütter lassen Töchter aus Tradition beschneiden

    Aida macht ihrer Mutter keinen Vorwurf. Sie weiß: Oft sind es die Mütter, die diese Tradition weitergeben und die Beschneidung vornehmen lassen. "Eine Frau, die nicht beschnitten ist, wird nie einen Mann finden", erzählt Aida.

    Die Mütter entscheiden sich für diesen Schritt, um ihre Töchter vor der Ausgrenzung zu schützen.

    Aida

    In der eritreischen Community sei das ein Thema. Aber viele würden sich schämen offen darüber zu sprechen, so Aida.





    Beschneidung schränkt Leben stark ein

    Aida hat irgendwann verstanden, dass die Beschneidung auch ihr Menschenrecht verletzt hat und ihr Leben stark einschränkt. Sie hat sich Hilfe gesucht. Und sie möchte nicht länger schweigen, andere Frauen ermutigen, ebenfalls diesen Schritt zu gehen:

    Schämt euch nicht, redet darüber, es gibt Anlaufstellen, die sich diesen Problemen widmen.

    Aida

    "Psychosoziale Beratung, Ärzte, Frauenorganisationen können helfen“, rät die 38-Jährige.
    Kampf gegen Genitalverstümmelung
    Noch immer erleiden junge Frauen weltweit Genitalverstümmelungen, auch in Afrika. Ein Projekt in Kenia hilft Betroffenen und kämpft mit Erfolgen gegen die blutige Tradition an.06.02.2023 | 2:33 min

    Hilfe für Frauen durch Rekonstruktion

    Dan mon O'Dey vom Luisenhospital Aachen ist Spezialist auf dem Gebiet der weiblichen Genitalrekonstruktion. Er hilft Frauen wie Aida.
    "Es sind mehrere Methoden, mehrere operative Techniken, die eine anatomische Rekonstruktion des Genitals gewährleisten. Eine Methode schafft es, die Klitorisspitze zu innervieren", erklärt der plastische Chirurg. "Mit einer anderen Methode entnehme ich Gewebe aus dem unteren Leistenbereich. Da wird Haut mit anhängendem Fettgewebe in einer eigenen Gefäßversorgung verpflanzt", so der Experte.

    So kann man durch meine Technik eine anatomische Einheit wiederherstellen aus der Vulva und gleichzeitig die Entnahmeregion nicht schädigen.

    Dan mon O'Dey vom Luisenhospital Aachen

    Der Eingriff dauert vier bis fünf Stunden. Die Kosten trägt die Krankenkasse.
    Anatomie Klitoris CC
    Die Klitoris ist Teil des weiblichen Genitals. Sichtbar ist nur die Klitoriseichel. Der größte Teil des Organs befindet sich im Inneren des Beckens.28.06.2021 | 0:30 min

    Nach OP schmerzfreier Gang zur Toilette

    Der Experte hat bereits hunderte Frauen operiert. Viele von ihnen können nach der Genitalrekonstruktion wieder auf natürlichem Weg gebären. Bei allen seinen Patientinnen sind die Beschwerden weg. Sie können zum Beispiel ohne Schmerzen auf die Toilette.

    Die Frauen bestätigen, dass sie letztlich das Gefühl haben, sich vollständig zu fühlen, klitorale Empfindungen zu haben, sich als hübsch betrachten zu können. Das sorgt für ein normalisierendes Körpergefühl.

    Dan mon O'Dey vom Luisenhospital Aachen

    Auch Aidas Erwartungen wurden erfüllt. Sie ist glücklich die Rekonstruktion erhalten zu haben. Heute fühlt sie sich als Frau vollständig. "Ich möchte betroffene Frauen aufmerksam darauf machen, dass es Abhilfe gibt für sie. Es gibt eine Möglichkeit sich wiederherstellen zu lassen."

    Aufklären und Bewusstsein schaffen

    Laut Terres des Femmes sind auch in Deutschland schätzungsweise 17.000 Mädchen gefährdet, Opfer von Genitalbeschneidung zu werden. Das steht hier unter Strafe und wird mit bis zu 15 Jahren Haft geahndet.
    "Die Intention dahinter ist sexuelle Kontrolle. Man blockiert eine körperliche Qualität. Die Mädchen sollen die Lust verlieren, Sex zu haben",erklärt Dan mon O'Dey.
    Diese Tradition müsse ein Ende haben. Die Menschen müssten ein Bewusstsein entwickeln, diese menschenverachtende Tradition zu entfernen. Da helfe nur Aufklärung, in den Medien, in der Schule, in den Communities, sagt Aida. "Man kann nur etwas ändern, wenn man darüber spricht."

    Je mehr Frauen sich zu Wort melden, desto größer ist die Chance das Bewusstsein zu schärfen, diese Tradition zu bekämpfen.

    Aida

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