Funktionale Depression:Mitten im Leben, mitten in der Depression
von Ana-Marija Bilandzija
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Vollgas im Job, liebenswerter Elternteil, sportlich aktiv - und depressiv: Manchen Menschen sieht man ihre Depression nicht an. Bei welchen Symptomen man hellhörig werden sollte.
Bei einer funktionalen Depression besteht die Gefahr, dass Betroffene und Angehörige die Krankheit übersehen.
Quelle: dpa
Das Klischee des Depressiven, der wochenlang nicht aus dem Bett kommt, trifft auf viele Betroffene nicht zu. Menschen mit funktionaler Depression leben nach außen hin einen geregelten Alltag und erkennen ihr Leiden oft spät. Das kann gefährlich werden.
Laut Definition der Deutschen Depressionshilfe ist eine Depression "eine ernste Erkrankung, die das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen tiefgehend beeinflusst, mit Störungen von Hirn- und anderen Körperfunktionen einhergeht und erhebliches Leiden verursacht". Die Ursache von Depressionen ist komplex - neben neurobiologischen Faktoren spielen auch psychosoziale Faktoren eine Rolle.
Pro Jahr erkranken rund acht Prozent der Menschen in Deutschland an einer Depression. Frauen erhalten doppelt so häufig die Diagnose einer Depression wie Männer. Damit zählen Depressionen zu den häufigsten Erkrankungen.
Depressionen treten in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen auf. Neben zeitlich begrenzten depressiven Episoden sind auch chronische Verläufe möglich. Mediziner unterscheiden außerdem zwischen leichten, mittelgradigen und schweren depressiven Episoden.
Wann von einer funktionalen Depression gesprochen wird
Der Begriff funktionale Depression ist die landläufige Beschreibung leichter bis mittelgradiger Depressionen, die nach außen mit einem geregelten Alltag einhergehen. Die Bezeichnung stellt dabei keinen eindeutig medizinisch definierten Krankheitsbegriff dar.
Die wichtigsten Formen einer Depression
Die klassische (unipolare) Depression ist eine psychische Störung, die durch depressive Episoden gekennzeichnet ist und die in unterschiedlicher Intensität auftritt. Die Hauptmerkmale sind Antriebsschwäche, gedrückte Stimmung und Freudlosigkeit.
Bei der bipolaren Störung treten sowohl depressive Phasen ("Tief") als auch manische Phasen ("Hoch") mit gesteigertem Tatendrang und erhöhter Leistungsfähigkeit und Stimmung im Wechsel auf.
Die Dysthymie beschreibt eine in der Regel leichtere, aber chronische Form der Depression.
Während einer Schwangerschaft (pränatal) und bis ca. ein Jahr nach der Geburt eines Kindes (postnatal) können Depressionen auftreten. Die postnatale Depression ist auch als Wochenbettdepression bekannt; Väter können genauso wie Mütter betroffen sein.
Die saisonal bedingte Depression oder Winterdepression ist eine eher leichte Form der Depression, die ausschließlich und wiederholt zu einer bestimmten Jahreszeit, typischerweise im Herbst und Winter, auftritt.
Wie sich die funktionale Depression von der klassischen Depression unterscheidet
Die bei Depressionen typische Antriebslosigkeit tritt bei der funktionalen Depression nicht offen auf. Oft treten bei Betroffenen körperliche Beschwerden in den Vordergrund, wie z.B. Kopfschmerzen und Verspannungen.
Gefahr, eine funktionale Depression zu übersehen
"Viele Betroffene warten Monate oder Jahre, bis sie sich Hilfe suchen", berichtet Angela Grundmann, die als Projektleiterin beim Leipziger Bündnis gegen Depression arbeitet. Das sei gefährlich, denn:
Bei einer späten Diagnosestellung erhöht sich das Risiko für einen chronischen Verlauf der Depression (Chronifizierung).
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von Erik Hane
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Erste Anzeichen der funktionalen Depression
Die Symptome einer funktionalen Depression sind selten eindeutig. Oft fallen körperliche Beschwerden zuerst auf. Auch gehäufte Fehler im Job können ein Hinweis sein - ebenso wie Schlafprobleme.
Dieses Symptom haben auch Menschen mit funktionaler Depression. Dann heiße es, behutsam Hilfe anzubieten. Dabei ist es wichtig, ohne Vorwürfe oder Vorannahmen an die Person heranzutreten und ein Gespräch anzubieten.
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Wie eine funktionale Depression festgestellt wird
Menschen mit funktionaler Depression warten mitunter sehr lange, bis sie einen Arzt aufsuchen. Dann gilt es, neben den vorliegenden körperlichen Symptomen die verborgenen Hinweise auf eine Depression abzuklären.
Bei der allgemeinen Diagnose einer Depression durch einen Arzt oder Psychotherapeuten gelten mehrere Diagnosekriterien. So sollten mindestens zwei Hauptsymptome (Antriebsschwäche, gedrückte Stimmung oder Freudlosigkeit) sowie mindestens zwei Nebensymptome (zum Beispiel Konzentrationsschwäche, Appetitveränderung) gleichzeitig für eine Dauer von mindestens zwei Wochen auftreten.
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Wie man einer Depression vorbeugen kann
Depressionen haben oft eine neurobiologische Komponente und treten familiär gehäuft auf. Verhindern lässt sich der Ausbruch der Erkrankung in diesen Fällen nicht.
Die eigene Anfälligkeit für Depressionen kann man jedoch reduzieren. Sport, soziale Kontakte, ausreichend Schlaf und eine gesunde Ernährung können dabei helfen, die eigene psychische Balance zu erhalten.
Bei Depressionen kann eine Psychotherapie helfen. Verschiedene Verfahren wie die Verhaltenstherapie, die Systemische Therapie oder die Psychoanalyse haben sich bewährt. Bei manchen Patienten kann auch die Einnahme von Antidepressiva als ergänzende Maßnahme sinnvoll sein. Hierbei sollten mögliche Nebenwirkungen beachtet werden.
Wo Betroffene und Angehörige Hilfe finden
Eine gute erste Anlaufstelle sind Hausärzte. Eine breite Palette an Hilfsangeboten finden Betroffene bei Beratungsstellen wie der Deutschen Depressionshilfe, dem Bündnis gegen Depressionen und lokalen Vereinen. Je nach Schwere einer Depression kann in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt auch ein stationärer Klinikaufenthalt sinnvoll sein.
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