Frühkindlicher Autismus: Wenn die Umwelt Kinder überfordert
Frühkindlicher Autismus:Wenn Kleinkinder nicht kommunizieren
von Anja Braunwarth
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Ob in Rain Man, Forrest Gump oder Wochenendrebellen: Das Thema Autismus bietet immer wieder Stoff für Filme. Mit der Realität hat das aber meist wenig zu tun.
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Autismus oder genauer Autismus-Spektrum-Störungen zählen zu den schwerwiegenden Entwicklungsstörungen. Darunter fallen das Asperger-Syndrom und der frühkindliche Autismus. Allen gemeinsam sind drei Kennzeichen: Das soziale Miteinander ist gestört, Sprache und Kommunikation sind beeinträchtigt und die Kinder wiederholen immer wieder die gleichen Verhaltensweisen. Etwa ein Prozent der Bevölkerung sind von einer der Störungen betroffen, Jungen etwa zwei- bis dreimal so häufig wie Mädchen.
Lange Zeit herrschte die Theorie vor, dass eine Autismus-Spektrum-Störung die Folge von Erziehungsfehlern oder mangelnder Zuwendung durch die Mütter ("Kühlschrankmütter") sei.
Heute weiß man, dass diesen Störungen biologische Ursachen zugrunde liegen. Allerdings ist weiterhin unklar, wie genau sie sich entwickeln. Einfluss haben unter anderem:
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Wie sich ein frühkindlicher Autismus äußert
Der frühkindliche Autismus macht sich vor dem dritten Lebensjahr bemerkbar. Die Kinder weisen in unterschiedlichem Ausmaß alle drei Merkmale der Spektrum-Störung auf. Die Intelligenz ist in der Regel vermindert und die Sprachentwicklung beeinträchtigt. Die Störung der sozialen Interaktion macht sich zum Beispiel durch mangelnde Kontaktaufnahme oder keine beziehungsweise negative Reaktionen auf Annäherungsversuche bemerkbar.
Gestörte Kommunikation und Sprachentwicklung zeigen sich oft durch stereotypes Wiederholen von Worten oder Erfinden eigener Worte. Etwa die Hälfte der Kinder lernt nie sprechen. Die mangelnden verbalen Fähigkeiten können nicht durch Körpersprache ausgeglichen werden.
Großes Spektrum auffälliger Verhaltensweisen
Das Spektrum stereotyper, also gleichförmiger, sich wiederholender Verhaltensweisen ist groß. Manche Kinder schaukeln unentwegt auf der Stelle, andere befassen sich stundenlang mit dem Detail eines Spielzeugs, sagt Antje Mey vom Sozialpädiatrischen Zentrum am Städtischen Klinikum Braunschweig. Die Kinder- und Jugendärztin sieht viele Kinder mit Autismus in ihrer Sprechstunde.
Manche autistische Kinder setzen sich vor die Waschmaschine und gucken die ganze Zeit zu, wie sich die Trommel dreht.
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Dr. Antje Mey, Sozialpädiatrisches Zentrum, Städtisches Klinikum Braunschweig
Als erstes Zeichen eines frühkindlichen Autismus fällt möglicherweise auf, dass die Kinder die mütterliche Brust ablehnen oder Probleme beim Füttern haben, zum Beispiel schlecht kauen. Mit Beginn des zweiten Lebensjahres kann dann bereits ein stereotypes Spielverhalten erkennbar werden.
Im Alter zwischen zwölf und 18 Monaten gelten folgende Merkmale als potentiell verdächtig:
kein oder schwaches Verfolgen der Blickrichtung einer anderen Person
mangelnder oder fehlender Blickkontakt
kaum mit dem Finger zeigen, um jemanden auf etwas hinzuweisen
verminderte oder ausbleibende Reaktion, wenn der eigene Name gerufen wird
Rückschritte oder Verlust schon erworbener Sprachfähigkeiten oder sozialer Interaktionen
Ab dem 18. Monat können dann noch ausbleibende Reaktionen auf Schmerzlaute von Mitmenschen oder fehlende Mimik Zeichen einer Autismus-Spektrum-Störung sein. Insgesamt lässt sich die Diagnose meist erst ab dem 18. Monat sicher stellen.
Kinder mit einem Asperger-Syndrom entwickeln sich sprachlich unauffällig und haben nur selten Beeinträchtigungen im Denken. Oft fallen sie erst im Kindergarten oder in der Schule durch gestörte soziale Interaktion und stereotype Verhaltensmuster auf.
Vorsicht mit Selbstdiagnosen
Nachdem Autismus in den letzten Jahren häufig Thema in den Medien war und damit mehr Beachtung findet, steigt die Zahl der Diagnosen. Es gibt auch inzwischen Selbsttests im Internet.
Experten beobachten das nicht ohne Sorge. Jeder, der sich ein wenig "anders" benimmt, wird schnell als autistisch abgestempelt. Ohne gezielte Untersuchungen durch Fachärzte sollte die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung in keinem Fall gestellt werden.
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Wie man die Störung feststellt
Für die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung sind umfangreiche Untersuchungen bei Kinderpsychiatern erforderlich. Neben der gründlichen Beobachtung der Kinder und dem Erfragen von Auffälligkeiten stehen eine Reihe von Testverfahren zur Verfügung, die den Verdacht auf Autismus bestätigen können.
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Medikamente nur bei speziellen Symptomen
Gegen eine Autismus-Spektrum-Störung selbst wirken keine Medikamente. Sie können aber bei schweren Begleitsymptomen wie Aggression oder Depression nötig werden. Oder wenn die Kinder an weiteren neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen leiden.
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Betroffene bestmöglich integrieren
Autismus-Spektrum-Störungen sind nicht heilbar. Ziel der Therapie ist es, die geistigen und sprachlichen Beeinträchtigungen zu bessern und die soziale Interaktion zu steigern. Im Zentrum stehen psychotherapeutische Maßnahmen.
Das Wichtigste sind Rituale und ein immer gleichbleibender Tagesablauf, möglichst ohne irgendwelche störenden oder besonderen Einflüsse. Dann lässt sich ein Mensch mit Autismus wirklich sehr gut führen.
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Dr. Antje Mey, Sozialpädiatrisches Zentrum, Städtisches Klinikum Braunschweig
Der Umgang mit Gleichaltrigen kann schon im Vorschulalter geübt werden. Die Eltern sollten ebenfalls beraten und trainiert werden, wie sie am besten mit ihrem autistischen Kind umgehen und es bestmöglich fördern können.
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