Long Covid: Forscher melden Durchbruch bei Nachweis

    Blut-Test bald möglich?:Forscher: Durchbruch bei Long-Covid-Nachweis

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Noch gibt es keine einfache Diagnose für Long Covid. Nun haben Forscher im Blut von Patienten besondere Hormon- und Immunwerte gefunden. Das könnte helfen, Tests zu entwickeln.

    Service: Leben mit Long Covid
    Große Belastung für Betroffene: Noch ist die Diagnose von Long Covid kompliziert. Könnte es bald standardisierte Tests geben?

    Es ist eine zentrale Hürde für zigtausende Long-Covid-Betroffene: Der gesicherte Nachweis ihrer Krankheit ist bislang nur schwer möglich. Zwar können Patienten Symptome schildern, die als Long Covid diagnostiziert werden können - aber eindeutige Test gibt es aktuell nicht. Entsprechend schwierig ist auch die Therapie; Long Covid ist in vielen Punkten noch eine Black Box.
    Forscher der Yale School of Medicine und der Icahn School of Medicine am New Yorker Krankenhaus Mount Sinai wollen nun einen wissenschaftlichen Durchbruch erzielt haben. Laut einer am Montag im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Studie konnten sie in Immundaten eindeutige Biomarker identifizieren, die Long Covid nachweisen sollen. Die Studie war bereits im August 2022 als Preprint auf dem Portal "medRxiv" publiziert worden, hat nun aber einen Peer-Review-Prozess durchlaufen.
    "Das ist ein entscheidender Schritt vorwärts bei der Entwicklung von stichhaltigen und zuverlässigen Bluttest-Verfahren für Long Covid", so Studien-Autor David Putrino in einer Pressemitteilung des Mount-Sinai-Krankenhauses.
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    Wie können Forscher Long Covid nachweisen?

    Die Forscher untersuchten das Immunsystem von 273 Personen mit und ohne Long Covid, wie auch von Personen ohne Covid-Infektion. Dabei setzten sie auf maschinelles Lernen: Ein Computer-Algorithmus analysierte wieder und wieder die Proben, um Unterschiede festzustellen. Ihr Algorithmus habe mit 96-prozentiger Genauigkeit identifizieren können, welche der Patienten Long Covid hatten, so die Autoren.
    Die deutlichsten Unterschiede zwischen den Long-Covid-Patienten und beiden Kontrollgruppen seien im Immun- und Hormonspiegel gefunden worden. Das Hormon Cortisol sei etwa deutlich weniger vorhanden gewesen. Ein Mangel an Cortisol wird etwa mit Müdigkeit und Energielosigkeit in Verbindung gebracht. Im Körper vorhandene latente Viren, darunter Epstein-Barr oder Herpes, seien hingegen aktiver.
    Bislang wissen medizinische Labore kaum, wonach sie suchen müssen, um Long Covid zweifelsfrei zu identifizieren. Nun haben sie neue Hinweise. Bis Fach- und Hausärzte wie auch Krankenkassen in Deutschland eine solche Blutuntersuchung möglicherweise als Diagnoseoption anbieten und akzeptieren, sind noch zahlreiche Schritte nötig.

    Was sagen andere Experten zu den Studienergebnissen?

    Martin Korte, Professor für Zelluläre Neurobiologie an der TU Braunschweig, bezeichnet die Studie gegenüber ZDFheute als "sehr bedeutsam und sehr sorgfältig". Sie habe ungewöhnliche Charakteristika im Immunsystem nachweisen können, die spezifisch für Long-Covid-Patienten seien.

    Long-Covid-Patienten brauchen neben neuen Therapieoptionen vor allem Anerkennung und Zuwendung. Genau dies wird erleichtert, wenn es Biomarker für Long Covid gibt, so wie es ja auch Bluttests gibt, um eine Infektion oder einen Herzinfarkt nachzuweisen.

    Martin Korte, Professor an der TU Braunschweig

    Expertin: Weitere Studien nötig

    Auch Carmen Scheibenbogen, Leiterin des auf Long Covid spezialisierten Charité Fatigue Zentrums in Berlin, spricht von einer "wichtigen Studie". "Die Hauptaussage der Studie ist, dass klare immunologische und weitere biologische Unterschiede zwischen LC und Gesunden gezeigt werden können", so Scheibenbogen.
    Eine Reihe weiterer Studien seien zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Für Betroffene, die noch immer teils zu hören bekommen, ihre Symptome seien psychischer Natur, kann das eine wichtige Bestätigung sein." Die Marker sind jedoch für sich allein nicht geeignet, Patienten von Gesunden diagnostisch abzugrenzen", merkt Scheibenbogen an.

    Ob die Kombination mehrerer Marker diagnostisch einsetzbar ist, müsste in weiteren Studien geprüft werden, jedoch sind einige Untersuchungen sehr aufwändig und nicht in Routinelabors durchzuführen.

    Carmen Scheibenbogen, Charité Berlin

    Rund um den Globus laufen Studien zum Thema

    Weltweit laufen zahlreiche Studien zur Diagnose und Behandlung von Long Covid. "Das sind Immundaten, die wir in anderer Form auch erhoben haben", berichtet etwa die Immunologin Christine Falk von der Medizinischen Hochschule Hannover. Falk ist noch vorsichtig mit Blick auf die Gültigkeit der Studienergebnisse bei unterschiedlichen Patientengruppen. Sie verweist darauf, dass die Auswirkungen von Long Covid auf das Immunsystem bei den verschiedenen Corona-Wellen unterschiedlich ausfallen.
    "Die Immundysregulation ist bei den Long-Covid-Fällen aus der Infektionswelle vor der Impfung stärker ausgeprägt und auch bei ehemaligen Intensiv-Patienten anders als bei den leichten Fällen", sagt Falk ZDFheute. "Diagnostisch ist das nach wie vor schwierig." Die jetzt gemachten Beobachtungen beim Immunsystem würden nicht alle Faktoren bei Long Covid erklären, auch Nervensystem und Energiehaushalt seien betroffen, so Falk.
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    Was bedeuten die Ergebnisse für die Behandlung von Long Covid?

    Auch die Autoren selbst weisen auf weiteren Forschungsbedarf hin. Und darauf, dass Diagnose und Therapie zwei unterschiedliche Herausforderungen sind. Ein geringes Cortisol-Niveau könnte beim Nachweis von Long Covid potenziell eine Rolle spielen - was aber nicht automatisch bedeutet, dass eine Verabreichung des Hormons an Patienten eine wirksame Therapie ist.

    Es gibt kein Allheilmittel zur Behandlung von Long Covid, weil es eine Krankheit ist, die komplexe Systeme wie das Immun- und Hormonsystem befällt. Komplexe Erkrankungen erfordern komplexe Behandlungen.

    David Putrino, Mount Sinai Krankenhaus

    Co-Autorin Akiko Iwasaki, Professorin für Immunbiologie in Yale, betont: "Wir sind begeistert, so klare Unterschiede bei den Immun-Phänotypen (…) zu sehen. Diese Marker müssen in weiteren Studien bestätigt werden." Insgesamt waren an der Erstellung der Studie mehrere Dutzend Wissenschaftler beteiligt.

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