CMV in der Schwangerschaft: Großes Risiko für Ungeborene
Gefahr in der Schwangerschaft:CMV: Das kaum bekannte Risiko für Ungeborene
von Julian Prahl
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Toxoplasmose und HIV kennen viele Schwangere, die am meisten verbreitete, angeborene Infektionskrankheit oft nicht: CMV. Experten fordern mehr Aufmerksamkeit.
Das Cytomegalievirus gehört laut WHO zu den gefährlichsten Krankheitserregern weltweit.10.12.2024 | 9:34 min
Als Michaela Stockinger ihr zweites Kind erwartete, war nicht Vorfreude das vorherrschende Gefühl - sondern Sorge: Die 29-Jährige hat sich in der Schwangerschaft mit dem Cytomegalievirus (CMV) angesteckt.
Bis dahin hatte sie noch nie davon gehört. "Es hat eine Zeit gegeben in der Schwangerschaft, da habe ich wirklich jeden Tag geweint - vor allem, als die Infektion auf das Kind übergegangen ist und das Kind darunter gelitten hat und auch die Folgeschäden sichtbar wurden", erzählt sie ZDF frontal.
Untersuchungen in der Schwangerschaft zeigten: Ihr Baby würde nicht gesund zur Welt kommen. Das Gehirn hatte Schädigungen von einer Infektion mit CMV davon getragen.
CMV: Bis zu 4.000 infizierte Babys pro Jahr
CMV gehört zu den Herpesviren. Etwa 50 bis 70 Prozent der Bevölkerung trägt es in sich. Eine Ansteckung erfolgt durch Körperflüssigkeiten wie Urin oder Speichel. Erwachsene bemerken die Infektion oft gar nicht. Wenn Mütter sich allerdings während der Schwangerschaft das erste Mal infizieren, droht Gefahr für den Fötus.
CMV ist die am meisten verbreitete, angeborene Infektionskrankheit: Bis zu 4.000 infizierte Babys kommen in Deutschland pro Jahr auf die Welt. 15 Prozent davon haben gesundheitliche Schäden. Auch Todesfälle kommen vor. Laut WHO gehört Cytomegalie in Europa zu den 17 gefährlichsten Viren überhaupt. Experten schätzen aber, dass etwa 30 bis 50 Prozent der Frauen und Mütter in Deutschland CMV nicht kennen.
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Bekanntheitsgrad von Toxoplasmose und HIV höher
Schwangere werden beim Frauenarzt in der Praxis aufgeklärt: über bekanntere Gefahren wie Toxoplasmose, Röteln oder HIV. Blutproben werden entnommen und der Status im Mutterpass dokumentiert. Über CMV wird häufig nicht informiert. Dabei sind Schädigungen durch CMV bei Neugeborenen häufiger als etwa durch Toxoplasmose.
Da gebe es eine Schräglage, erklärt Dr. Horst Buxmann, Leiter der Kinderklinik der Main-Kinzig-Kliniken im hessischen Gelnhausen. "Und ja, ein Stück weit eine verpasste Chance."
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Krankenkasse zahlte Tabletten erst nach Widerspruch
Experten schätzen, dass die Hälfte der Frauen mit Kinderwunsch noch nicht mit CMV infiziert waren. Bisher gibt es keinen Impfstoff, keine zugelassene Therapie. Michaela Stockingers einzige Chance war: Tabletten schlucken, die für eine Behandlung gegen CMV keine Zulassung haben. Sie sollen die Viruslast senken, die Vermehrung hemmen, können aber Nebenwirkungen verursachen. Ihre Hoffnung: Die Tabletten sollen weitere Schäden am Kind verhindern.
Stockingers Krankenkasse zahlte die Therapie erst nach Widerspruch. Ablehnungen sind häufig, berichtet Anwältin Bibiane Schulte-Bosse. Die Kassen verweisen dabei oft auf ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Januar 2023. Darin heißt es: Die Wahrscheinlichkeit, dass das ungeborene Kind durch die CMV-Infektion keinen schweren Schaden erleide, läge mit etwa 84 Prozent deutlich höher als die einer schweren oder gar tödlichen CMV-bedingten Schädigung.
Die lag in dem konkreten Fall somit bei 16 Prozent. "Wenn Sie Mediziner fragen, ist 16 Prozent unglaublich hoch. Das ist die gleiche Wahrscheinlichkeit, die Sie haben, beim russischen Roulette die Kugel zu erwischen", meint Schulte-Bosse.
Ob Ultraschall, Physiotherapie oder Akupunktur - es gibt eine Reihe möglicher Behandlungen für Schwangere. Einige davon zahlt die Krankenkasse. Ein Überblick.
von Zarah Reinders
mit Video
Bluttest bei Schwangeren kann aufklären
Helfen kann ein Bluttest bei Schwangeren. Wenn keine Antikörper vorhanden sind, werden strikte Hygienemaßnahmen empfohlen, vor allem gegenüber Kindern, die schon im Haushalt sind: Händewaschen, das Besteck nicht mit dem Erstgeborenen teilen, Küsse auf den Mund vermeiden. Solche Maßnahmen senken das Infektionsrisiko schon um etwa 30 Prozent oder mehr, schätzen Experten.
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Aktuell kostet ein solcher Test 20 bis 40 Euro - aber er ist freiwillig, eine so genannte individuelle Gesundheitsleistung. Damit der Antikörper-Test und die Cytomegalie-Aufklärung verpflichtend wären, müsste CMV in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen werden. Die regelt die ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft.
CMV in Mutterschaftsrichtlinien?
Warum steht CMV bisher nicht drin? Der dafür zuständige Gemeinsame Bundesausschuss schreibt auf Nachfrage von ZDF frontal:
"Bislang wurde ein CMV-Screening […] international nicht empfohlen: weil es keine wirksame Impfung oder Behandlung gibt, die epidemiologischen Daten unvollständig sind, keine Prognose gestellt werden kann, ob und wie sich eine CMV-Infektion auswirken wird und es keinen Konsens gibt, wie Ärztinnen und Ärzte vorgehen sollen."
Michaela Stockinger hat im Oktober ihr zweites Kind bekommen: Es ist gehörlos. Jeder weitere Arztbesuch kann eine schlechte Diagnose bringen. Sie wünscht sich, dass sich für CMV-betroffene Mütter schnell etwas ändert.
Es kribbelt, brennt und ein paar Stunden später sind sie da: unschöne Herpesbläschen. Im Internet finden sich viele Tipps, die schnelle Besserung versprechen. Was wirklich hilft.
von Julia Zipfel
mit Video
Quelle: ZDF
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