Kinderärztin: Beste Einschlafhilfe für Babys haben Eltern
Interview
Kinderärztin gibt Eltern Tipps:Was die beste Einschlafhilfe für Babys ist
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Übernächtigte Eltern wünschen sich nichts sehnlicher, als ihr schreiendes Baby in den Schlaf zu bringen. Können technische Hilfsmittel dabei helfen?
Die ersten Wochen mit einem Neugeborenen sind nicht immer reines Babyglück.
Quelle: dpa
In den ersten Wochen schlafen Säuglinge bis zu 18 Stunden am Tag. Tagsüber in kurzen Etappen von rund 30 Minuten, nachts dauern die Schlafphasen vier bis fünf Stunden. Das Einschlafen fällt so kleinen Kindern aber immer wieder schwer.
Viele Firmen bieten daher eine ganze Palette von elektrischen Produkten an, die Babys beruhigen und zum Einschlafen bringen sollen. Kinderärztin und Psychotherapeutin Dr. Dagmar Brandi weiß, worauf es ankommt. Sie betreut Familien mit sogenannten Schreibabys in einer Schreiambulanz.
ZDFheute: Wann lernen Säuglinge ihren eigenen Schlafrhythmus zu entwickeln?
Dr. Dagmar Brandi: Was viele nicht wissen: Babys lernen nicht das Schlafen, sondern sie lernen das Wachsein. Und das Wachsein ist dann so anstrengend, dass sie im Laufe der Zeit das Gefühl von Müdigkeit entwickeln. Das ist ein Hirnreifungsprozess. Es dauert ein Jahr, bis ein Kind seinen eigenen Schlafrhythmus gefunden hat. Am Anfang wechseln sich Bewusstseinszustände viermal am Tag ab. Sie sind wach, sie nörgeln und dösen, dann schlafen sie ein, bis sie die Tiefschlafphase erreichen. Wenn sie wach sind, lernen sie die Welt kennen und um das Gelernte zu befestigen, brauchen sie dann wieder den Schlaf.
Quelle: privat
... ist seit 1981 Kinder- und Jugendärztin und seit 1995 als Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene tätig. Sie gründete 2007 die Beratungsstelle für Eltern mit Kindern von null bis drei Jahren "Von Anfang an e.V." in Hamburg. In dieser Babyambulanz ist sie als entwicklungspsychologische Beraterin tätig. Das Team dieser Beratungsstelle entwickelte gemeinsam mit der BerndtSteinKinder Stiftung das Pilotprojekt "Sicherer Hafen": ein Elternschulungskurs, der eine Familie bis ins zweite Lebensjahr in Kombination mit entwicklungspsychologischer Einzelberatung begleitet.
ZDFheute: Ab wann schlafen Säuglinge selbstständig ein?
Brandi: Jedes Kind ist anders. Die Selbstregulation übernehmen Babys in der Regel aber schon nach ein paar Monaten. Sie legen zum Beispiel ihre Händchen zusammen oder führen sie zum Mund. Oder sie reiben ihre Füße aneinander und spüren sich. Damit beruhigen sie sich selbst.
Sehen Sie hier den Test von verschiedenen Einschlafhilfen. Wie werden die technischen Helfer richtig angewandt und welche Unterstützung bringen diese Gadgets im Alltag mit Baby?20.03.2023 | 5:12 min
ZDFheute: Wie sieht das bei Kindern mit Regulationsstörung aus, den sogenannten Schreibabys?
Brandi: Da gibt es ja die berühmte Dreier-Regel: Bei einer Regulationsstörung schreit ein Kind an mehr als drei Tagen pro Woche, insgesamt länger als drei Wochen und mehr als drei Stunden am Tag. Das Wichtigste dabei ist aber: Es schreit exzessiv und wirklich untröstlich.
Meist beginnt die Schreibabyphase in einem Alter von zwei Wochen und endet nach rund drei Monaten.
Der Säugling schreit mehr als drei Stunden am Tag. Zum Vergleich: Alle anderen Babys schreien durchschnittlich etwa 30 Minuten pro Tag.
Das Kind schreit an mindestens drei Tagen in der Woche, über mehr als drei Wochen lang.
Das Schreien ist exzessiv und untröstlich. Es tritt oft plötzlich auf, obwohl sich das Baby scheinbar kurz vorher noch wohl gefühlt hat.
Häufig treten die Schreiattacken nachmittags und in der ersten Nachthälfte ein.
Diese Kinder sind ganz schwer zu beruhigen. Das zerrt unheimlich an den Kräften der Eltern und es entstehen auch oft Selbstzweifel und Ängste, etwas falsch gemacht zu haben, was ja meistens nicht stimmt. Da macht es Sinn, dass sie sich in einer Babyambulanz Hilfe suchen.
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von Olaf Schwabe
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ZDFheute: Helfen dann sogenannte Einschlaf-Gadgets?
Brandi: Nein, sie sind absolut ungeeignet. Im Gegenteil: Es führt zu einer Überreizung und auf die Dauer ist das ein Stress, der eher schädlich als hilfreich ist. Außerdem gewöhnen sich Babys an die Hilfsmittel und können nicht mehr ohne einschlafen. Dabei sollen sie ja lernen, sich selbst zu regulieren und irgendwann selbstständig einzuschlafen.
ZDFheute: Was hilft Kindern dann einzuschlafen?
Brandi: Sie brauchen eine Einschlafhilfe, die Eltern eigentlich intuitiv richtig machen, indem sie mit dem Baby schmusen, mit ihm sprechen, es angucken und sagen: "Es ist alles in Ordnung" und auf dem Arm halten. Die meisten Eltern trauen sich nicht, das Kind einfach auf dem Arm zu halten und zu beruhigen, auch wenn es schreit. Das ist die beste Einschlafhilfe, aber für Eltern ganz, ganz schwer auszuhalten. Was viele aber machen - und davon war ich auch nicht frei, als ich kleine Kinder hatte - ist immer wieder etwas Neues auszuprobieren und neue Reize zu setzen. Damit entwickelt sich ein Teufelskreis und man hat nicht mehr die innere Ruhe.
Das Interview führte Laren Müller.
Beruhigungsmethoden für Babys
Der Körperkontakt zu den Eltern oder engen Bezugspersonen ist das A und O, um Babys zu beruhigen. Auf dem Arm schaukeln, über den Rücken streicheln oder rhythmisch auf den Po klopfen - Methoden, die das Kind schnell ins Reich der Träume katapultieren.
Babys werden schon mit dem Instinkt geboren zu saugen. Dabei erhalten sie durch das Stillen sowohl Nahrung als auch Trost. Ohne zu Stillen, hat ein Schnuller einen ähnlichen beruhigenden Effekt.
Das Vorsingen von Einschlafliedern ist besonders wirksam. Damit halten auch keine elektronisch erzeugten Geräusche oder Melodien mit. Trotzdem können Instrumentalmusik und bestimmte monotone Geräusche unterstützen.
Viele Eltern schwören auf das sogenannte Weiße Rauschen. Es ist ein gleichmäßig, eintöniges Grundrauschen. Wichtig ist, dass das Rauschen abgestellt wird, sobald das Kind eingeschlafen ist, damit auch das Hörsystem abschalten kann. Außerdem sollte die Zimmerlautstärke nicht überschritten werden.
Spieluhren sind dagegen keine Einschlafhilfe, weil sie kurz eine Melodie abspielen und dann abrupt aufhören. Alle kurzzeitigen Veränderungen machen Kinder wieder wach. Zur Beruhigung und Unterhaltung am Tag sind sie allerdings gut geeignet.
Babys können sehr früh Schwarz-Weiß-Kontraste und einfache Muster wahrnehmen. Das weckt ihr Interesse. Mit Kontrastkarten lassen sich Säuglinge gut beschäftigen. Ungefähr ab dem fünften Monat erkennt das Kind dann auch kräftige Farben.
Elektrische Babywiege, Federwiege oder andere Hightech-Gadgets sind eine Möglichkeit, das Baby auch einmal kurzzeitig ablegen zu können. Hierbei ist auf den richtigen Umgang und die Dosierung der Gadgets zu achten. Das Kind sollte trotzdem in Reichweite eines Erwachsenen sein, damit es Geräusche hört oder Bewegungen sieht und sich so sicher fühlt.
Ab dem dritten Monat schüttet der Körper des Babys bei Dunkelheit ausreichend Melatonin aus, um langsam einen Tag-Nacht-Rhythmus zu entwickeln. Sternenhimmel oder Nachtlichter sehen schön aus, sind aber deshalb nicht als Einschlafhilfe geeignet, weil sie den Melatonin-Ausstoß verhindern. Im Übrigen fürchten sich Säuglinge im ersten Lebensjahr auch gar nicht vor der Dunkelheit.
Ein Baby, das nicht aufhört zu schreien, kann Eltern an ihre Belastungsgrenze bringen. Wenn Eltern Ärger und Frustration spüren, ist es wichtig sich für einen Moment aus der Situation zurückzuziehen. Außerdem sollten sie sich nicht scheuen, Hilfe bei einem Kinderarzt, der Hebamme oder einer Schreiambulanz zu suchen.