Wie Abnehmspritzen Schwangerschaften fördern können

    Schwanger mit Semaglutid:Wie Abnehmspritzen Schwangerschaften fördern

    von Thomas Bleich
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    Ob lange ersehnt oder ungewollt: Frauen, die mit Abnehmspritzen ihr Gewicht reduzieren wollen, werden scheinbar leichter schwanger. Woran das liegt und warum das ein Problem ist.

    Schwanger durch Abnehmspritze
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    Abnehmspritzen stellen seit ihrer Zulassung in Deutschland für Menschen mit Adipositas eine verführerisch einfache Möglichkeit dar, um ein paar Kilos loszuwerden. Ursprünglich wurden Präparate mit dem Wirkstoff Semaglutid unter dem Namen Ozempic zugelassen, um Stoffwechsel-Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 in den Griff zu bekommen. Sie haben einen wichtigen Platz im Behandlungsrepertoire vieler Ärzte. Unter dem Handelsnamen Wegovy erfolgte dann später eine Zulassung von Semaglutid zur Behandlung der Adipositas.
    Doch welche Folgen können diese Präparate noch haben? Gerade bei Frauen können sie unter Umständen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, schwanger zu werden. Und das kann für das ungeborene Kind noch unbekannte Risiken bedeuten, bestätigt Frank Louwen, Spezialist für Geburtshilfe und Pränatalmedizin.

    Nicht wenige Frauen, die dieses Medikament einnehmen, werden dann auf einmal schwanger, weil sie eine Gewichtsreduktion haben, weil sich die hormonelle Situation verändert.

    Prof. Dr. Dr. Frank Louwen, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe

    Die Abnhemspritze in der Hand.
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    Wie das Körpergewicht bei Frauen die Fruchtbarkeit beeinflusst

    Das Körpergewicht spiele eine große Rolle, wenn man schwanger werden möchte, sagt Louwen. "Je ausgeprägter eine Adipositas ist, also eine Fettleibigkeit, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden", klärt der Gerburtsmediziner auf. Das habe etwa damit zu tun, dass Adipositas den Hormonhaushalt beeinflusse und dadurch sowohl die Eizellen in den Eierstöcken als auch die Gebärmutterschleimhaut verändere.

    Warum Abnehmspritzen die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöhen

    Die Wirkstoffe, sogenannte GLP1-Rezeptor-Agonisten, bewirken über mehrere Mechanismen, dass es zu einer Reduktion des Fettgewebes und zur Verbesserung der Stoffwechsellage kommt. Sie reduzieren zum Beispiel das Hungergefühl im Gehirn und sorgen dafür, dass der Magen nicht so schnell entleert wird. Dadurch besteht länger ein Sättigungsgefühl.
    Kommt es dann zu einer Reduktion des Fettanteils im Körper, steigt bei Frauen, abhängig vom Alter, die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden. Denn hormonelle Veränderungen stehen dem nicht mehr länger im Weg.
    Dr. Christoph Specht über die Risiken der Abnehmspritze bei Schwangerschaft
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    Warum Schwangerschaften durch Abnehmspritzen riskant werden

    Bislang ist nicht klar, welche Auswirkungen die GLP-1 Rezeptor-Agonisten auf das Kind im Mutterleib haben können. Die Hersteller haben im Rahmen der Zulassungsstudien nicht geprüft, welche Folgen für ein entstehendes Kind im Mutterleib möglich sind. Das ist im Rahmen von Zulassungsstudien so üblich, denn aufgrund der unklaren Risiken wäre das ethisch nicht vertretbar. Im Beipackzettel steht daher, dass diese Arzneimittel während Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden dürfen.

    Mindestens zwei Monate bevor man den Versuch macht, schwanger zu werden, sollte man diese Medikamente absetzen.

    Prof. Dr. Dr. Frank Louwen, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe

    Studien an Tieren haben in einigen Fällen Hinweise auf embryonale Fehlbildungen gegeben. Ob diese Beobachtungen auf Menschen übertragen werden können, ist laut Frank Louwen jedoch nicht geklärt. Studien am Menschen geben bislang keinen Anhaltspunkt zu großer Sorge. Allerdings beruhen sie auf relativ kleinen Fallzahlen und sind in ihrer Aussagekraft begrenzt. International soll jedoch über sogenannte Registerstudien in größerem Umfang genau beobachtet werden, welche Effekte diese Medikamente bei Frauen in der Schwangerschaft haben können.

    Was Paare beachten sollten

    Frank Louwen rät: "Wer Abnehmspritzen zur Behandlung von Diabetes oder zur Gewichtsreduktion nutzt, sollte konsequent verhüten, zum Beispiel mit der Pille." Aber da alle Kontrazeptiva nicht unbedingt eine hundertprozentige Wirksamkeit hätten, sei es laut dem Experten für Geburtshilfe und Pränatalmedizin wirklich wichtig, dass man sich Gedanken darüber mache, nicht bei einem Medikament schwanger zu werden, von dem noch nicht wirklich sicher sei, dass es keinen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes habe.
    Dr. Thomas Bleich ist Arzt und Redakteur der ZDF-Sendung "Volle Kanne - Service täglich".

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