Gamechanger bei Adipositas?:Abnehmspritze verspricht Gewichtsverlust
von Corinna Klee
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Ein kleiner Piks pro Woche und schon sollen die Pfunde purzeln. Promis wie Kim Kardashian und Elon Musk schwören darauf. Was die Abnehmspritze wirklich kann.
Ein Trend aus den USA sorgt inzwischen auch bei immer mehr Menschen in Deutschland für Euphorie: Kann eine Spritze wirklich bewirken, dass es mit dem Abnehmen klappt? Vor allem Patienten mit Adipositas erhoffen sich lang ersehnte Abnehmerfolge.
Semaglutid - Wirkstoff der Abnehmspritze
Einer der Wirkstoffe, der seit Monaten über soziale Medien intensiv beworben wird, heißt Semaglutid. Er gehört ebenso wie die Wirkstoffe Liraglutid und Dulaglutid zur Gruppe der so genannten GLP-1-Analoga. Sie ähneln einem körpereigenen Hormon. Semaglutid wurde unter dem Handelsnamen Ozempic im Februar 2018 für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen.
Eine Spritze, die beim Abnehmen helfen soll - das klingt für viele Menschen ansprechend. Aber für wen eignet sich die Abnehmspritze überhaupt? Welche Risiken gibt es? Medizinjournalist Dr. Christoph Specht klärt die wichtigsten Fragen.09.08.2023 | 5:54 min
Wegovy in der EU zugelassen
Der dänische Hersteller Novo Nordisk bringt den Wirkstoff für Menschen mit Adipositas zusätzlich in einer höheren Dosierung derzeit nach und nach auf den Markt. Im Januar 2022 wurde das Präparat unter dem Handelsnamen Wegovy von der EU-Kommission zugelassen. Außerdem werden weitere Wirkstoff-Kandidaten in Form von "Abnehmspritzen" in klinischen Studien erprobt. Dazu gehört zum Beispiel der Wirkstoff Tirzepatid mit dem Handelsnamen Mounjaro.
Zulassung für Menschen mit Adipositas
Die Zulassung erfolgte für Menschen mit krankhaftem Übergewicht ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30. Dann spricht man von Adipositas. Wenn gewichtsbedingte Gesundheitsprobleme vorliegen, gilt die Zulassung bereits ab einem BMI über 27. Wegovy ist allerdings aufgrund von Lieferengpässen in Deutschland derzeit noch nicht verfügbar. Der Marktantritt für die EU ist für Mitte 2023 angekündigt worden. Dann könnte das Präparat in Deutschland auf Rezept für Selbstzahler verfügbar sein.
Die Entscheidung, für welche Patientengruppen die Kosten für eine solche Adipositas-Therapie erstattet werden, steht noch aus. Die Injektion soll einmal wöchentlich zu einem beliebigen Zeitpunkt erfolgen. Der Listenpreis für eine Packung Wegovy mit vier Spritzen liegt bei umgerechnet etwa 1.200 Euro. Wie teuer Wegovy dann nach der Markteinführung in Deutschland tatsächlich sein wird, ist noch unklar.
Eine Alternative zur Operation?
Ob die Abnehmspritze irgendwann auch ein Ersatz für eine Magen-OP sein kann, bleibt fraglich. Denn der Gewichtsverlust durch eine Operation ist nach wie vor höher. Zudem ist eine Operation eine dauerhafte Lösung, die Spritze muss unter Umständen lebenslang verabreicht werden, um einen dauerhaften Effekt zu erzielen. Und: Bislang übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die erheblichen Kosten für die Spritze noch nicht.
Spritze senkt Blutzuckerspiegel und hemmt Appetit
Wirkstoffe wie Semaglutid, Liraglutid oder Dulaglutid ähneln einem körpereigenen Hormon das im Darm gebildet wird. Sie werden zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt, weil sie die Insulinmenge erhöhen, die die Bauchspeicheldrüse bei Nahrungsaufnahme freisetzt. So wird der Blutzuckerspiegel gesenkt. Durch die Einnahme entsteht ein weiterer Effekt, weiß Dr. Marina Rippl, Internistin und Diabetologin am Marienkrankenhaus Kassel:
GLP-1-Analoga beeinflussen das Sättigungsgefühl und den Appetit. Man hat weniger Appetit, weniger Heißhunger-Attacken. Der gewichtsreduzierende Effekt kommt durch die Wirkung im Gehirn, im Hypothalamus, zustande.
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Dr. Marina Rippl, Internistin und Diabetologin am Marienkrankenhaus Kassel
So nehme man teilweise sehr viel Gewicht in nur wenigen Wochen ab.
Nebenwirkungen der Abnehmspritze
Studien zum Wirkstoff Semaglutid zeigen, dass die Einnahme zwar sehr wirkungsvoll, aber nicht ohne Nebenwirkungen ist. "Diese treten vor allem im Magen-Darm-Trakt auf, sodass wir gar nicht so sicher sagen können, inwieweit der Wirkstoff ganz allein gewirkt hat", erklärt Dr. Johannes Heimbucher, Chirurg am Adipositas Zentrum Nordhessen am Marienkrankenhaus Kassel. "Oder aber diese Symptome mit Übelkeit und Erbrechen führen dazu, dass die Patienten sowieso weniger essen in diesem Zeitraum und auch schon dadurch einen gewissen Gewichtsverlust verzeichnen."
Hinzu komme, dass die Studienteilnehmer in ein vielfältiges Programm eingebunden seien, das mit regelmäßigem Sport und einer Ernährungsumstellung einhergehe. Auch dies zeige Wirkung.
Die Teilnehmer der Studie, die ein Placebo bekommen haben, haben zu einem Drittel genauso viel abgenommen wie diejenigen, die die Substanz bekommen haben.
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Dr. Johannes Heimbucher vom Adipositas Zentrum Nordhessen am Marienkrankenhaus Kassel
"Das deutet darauf hin, dass die Studienbedingungen als solche schon dazu führen, dass ein gewisser Gewichtsverlust eintritt", so Heimbucher.
Die Spritze kann lediglich sinnvolle Ergänzung einer umfassenden Adipositas-Therapie sein. Und das nur unter fachkundiger Begleitung. Denn: Die Patienten müssen zusätzlich ihre Ernährung dauerhaft umstellen und sich regelmäßig bewegen.
"Wir behandeln, damit Patienten gesünder werden oder gesund bleiben", erklärt Jens Aberle, Präsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft. "Wir behandeln nicht aus kosmetischer Indikation. Und daher wird es auch immer so bleiben, dass eine ärztliche Indikationsstellung gestellt werden muss und man die Medikamente nicht anders bekommen kann."
Gamechanger Abnehmspritze?
Gamechanger ist ein Schlagwort, das hier absolut zutrifft. Wir hatten noch nie Medikamente, die auch nur in der Nähe einer Effektivität waren, wie wir es jetzt erleben.
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Prof. Dr. Jens Aberle, Präsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft
Je höher das Gewicht ist, desto höher kann auch der Gewichtsverlust sein, der durch die Spritze eintritt. Doch das gilt nur, solange der Wirkstoff regelmäßig verabreicht wird. Alle bisherigen Daten sprechen dafür, dass man nach Absetzen der Substanz über kurz oder lang wieder mit einer Gewichtszunahme rechnen muss. Hinzu kommt: "Wenn es den Patienten nicht gelingt, ihren Lebensstil im Zusammenhang mit Bewegung und Ernährung dauerhaft zu modifizieren, wird es immer wieder zu neuen Gewichtszunahmen kommen", erklärt Chirurg Heimbucher.
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