Frugalismus erklärt: Mit Verzicht zur finanziellen Freiheit

    Frugalismus: Sparfuchs extrem:Mit Verzicht zur finanziellen Unabhängigkeit

    von Deborah Gettmann
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    Minimale Ausgaben, maximales Sparen. Mit dem Ziel, möglichst früh nicht mehr arbeiten zu müssen, strebt man im Frugalismus nach finanzieller Unabhängigkeit.

    Ein Mann im grauen Pullover packt einen 20-Euro-Schein in sein Portemonnaie
    Durch bewussten Verzicht und minimale Ausgaben verfolgen Frugalisten das Ziel, frühzeitig finanziell unabhängig zu sein und ein Leben frei von beruflichen Verpflichtungen zu führen.
    Quelle: colourbox.de

    Frugal, abgeleitet von lateinisch "frugalis", bedeutet so viel wie "einfach und bescheiden". Während der Begriff früher überwiegend auf Mahlzeiten angewendet wurde, beschreibt Frugalismus heute eine Lebenseinstellung. Mit dem Ziel, dem Berufsleben so früh wie möglich den Rücken zu kehren und von ihren Ersparnissen zu leben, üben sich Frugalisten in Verzicht.
    In seinen Grundzügen ähnelt der Frugalismus der FIRE-Bewegung, die während der Finanzkrise 2008 in den USA einige Anhänger fand. FIRE steht hierbei für "Financial independence, retire early", was auf Deutsch übersetzt so viel bedeutet wie "Finanzielle Unabhängigkeit, frühzeitiger Ruhestand". Als finanziell unabhängig gilt laut der Bewegung, wer das 25-Fache seiner Ausgaben angespart hat.
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    Ausgaben auf ein Minimum beschränken

    Während Menschen in Deutschland im Schnitt etwa elf Prozent ihres monatlichen Einkommens sparen, liegt die Zielmarke der Frugalisten bei circa 70 Prozent. Verdient man beispielsweise 3.000 Euro netto pro Monat, müsste man mindestens 2.100 Euro zur Seite legen, um das monatliche Sparziel zu erreichen. Um das ambitionierte Vorhaben zu realisieren, müssen Frugalisten ihre Ausgaben genau kennen und das ersparte Geld rentabel anlegen. Wolle man frugal leben, sei es wichtig, die Rahmenbedingungen zu beachten, so Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen:

    Wie lange soll das Geld reichen, welchen Betrag braucht man und welche Rendite ist dafür nötig?

    Ralf Scherfling, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale NRW

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    Die privaten Haushalte in Deutschland sparen einen größeren Teil ihres Einkommens als die Menschen in anderen Industriestaaten. Das hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt.
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    An ein luxuriöses Leben ist für viele Frugalisten nicht zu denken. Ähnlich wie im Minimalismus werden die alltäglichen Ausgaben stark reduziert. Der entscheidende Unterschied: Während es Minimalisten überwiegend darum geht, Glück nicht über Besitz zu definieren, zählt für Frugalisten in erster Linie die finanzielle Unabhängigkeit.

    Langfristig anlegen mit Aktien-ETFs

    Laut Finanzexperte Ralf Scherfling reicht der reine Konsumverzicht im Frugalismus oft nicht aus, um seine Ziele zu erreichen: "Die Machbarkeit hängt auch von der Höhe des Einkommens, der erzielbaren Nettorendite und der Laufzeit ab, mit der das ersparte Geld angelegt wird". Investiert wird im Frugalismus deshalb häufig in Aktien-ETFs, also Börsenfonds, die viele Wertpapiere bündeln.
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    Zukunft im Blick behalten

    Eine besondere Tücke im Frugalismus besteht darin, einschätzen zu müssen, wie lange das angesparte Geld reichen muss. Wer nur bis zum 40. Lebensjahr arbeitet, zahlt auch etwa um die Hälfte weniger in die Rentenkasse ein. Sind die Ersparnisse aufgebraucht, könnte die gesetzliche Altersvorsorge entsprechend gering ausfallen. Auch für Familien mit Kindern könnte sich ein frugales Leben schwierig gestalten. Arbeiten beide Elternteile, erhöht das zwar die Sparrate, jedoch könnte der maximale Verzicht auch das Leben der Kinder beeinflussen.

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    Für Menschen, die sich für ein frugales Leben interessieren, empfiehlt es sich, sinnvoll zu sparen und "bei wichtigen Dingen wie zum Beispiel einer privaten Haftpflichtversicherung nicht auf den letzten Euro zu schauen," so Ralf Scherfling, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale NRW.

    Kein Trend absehbar

    "Auch wenn immer wieder darüber berichtet wird, ist der Frugalismus ein Thema, das bei uns wohl nur für wenige Menschen eine Rolle spielt", sagt Scherfling.
    Neben den besonderen Herausforderungen, die der Konsumverzicht beinhaltet, ist es für viele Menschen finanziell gar nicht möglich, in wenigen Jahren so viel anzusparen. Eine Ausnahme sind Menschen, die schon in jungen Jahren über ein hohes Einkommen verfügen - für die meisten ist das aber kaum machbar. "Sparen kann man jedoch immer und sollte das im Rahmen seiner Möglichkeiten auch tun", meint Scherfling.
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