Missbrauch: Was tun, wenn Ärzte Grenzen überschreiten
Konflikte beim Arztbesuch:Was tun, wenn Ärzte Grenzen überschreiten
von Karen Grass
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Berührungen oder Bemerkungen, die nichts mit der Behandlung zu tun haben: Sie müssen sich in der Arztpraxis nicht alles gefallen lassen. Wie Sie dagegen vorgehen können.
Unangemessene Bemerkungen oder Berührungen beim Arztbesuch: Dagegen kann man vorgehen. (Symbolbild)
Quelle: Colourbox.de
Zweideutige Anspielungen, unpassend erscheinende Berührungen oder Aussagen: Während einer ärztlichen Untersuchung kann es teils zu Missverständnissen zwischen Behandelnden und Behandelten kommen. Was ist noch angemessen und was ist eine Grenzüberschreitung?
Die Antwort darauf sei sehr individuell, sagt Dr. Meinhard Korte, Leiter der Ombudsstelle für Missbrauch an der Landesärztekammer Hessen: "Wenn Sie einen Arzt schon sehr lange kennen, kann eine kurze Berührung zum Abschied für beide Seiten okay sein." Dieselbe Geste erscheine einer Neupatientin dagegen womöglich unangemessen.
Ein erstes Gespräch suchen
Sofern man in oder nach einer unangenehmen Situation in der Arztpraxis in der Lage ist, sei es wichtig, ein klärendes Gespräch zu suchen. Einrichtungen wie die hessische Ombudsstelle können dabei helfen und Ärzte im Auftrag der Betroffenen kontaktieren. "Das regt die Ärzte oft schon zur Reflexion an, denn ein Anruf vom Ombudsmann macht die Ernsthaftigkeit des Anliegens klar", erläutert Korte.
Probleme erstmal niederschwellig anzusprechen - das ist auch sinnvoll, wenn man die Praxis prinzipiell weiter besuchen will. Heike Morris, Juristin der Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland erklärt: "Durch weitere formelle Schritte kann das Arzt-Patienten-Verhältnis durchaus leiden - das sollte man abwägen." Doch: "Eine Grenze ist etwa erreicht, wenn Untersuchungen im Intimbereich ohne Einwilligung stattfinden."
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Wann man von Missbrauch spricht
Wird ärztlicherseits vom Behandlungsauftrag abgewichen, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen, spricht man von Missbrauch - und der kann sogar strafbar sein.
Eine Grenzverletzung muss nicht nur intim oder sexuell konnotiert sein. Ein Beispiel: Die behandelnde Person verhält sich wiederholt herablassend oder erniedrigend, um eigene Aggressionen abzubauen. "Das müssen Sie als Patient nicht hinnehmen", so Ombudsmann Korte.
2013 wurde an der Ärztekammer Hessen die deutschlandweit erste Ombudsstelle für Fälle von Missbrauch in ärztlicher Behandlung gegründet.
Die Stelle arbeitet unabhängig von sonstigen Einrichtungen der Landesärztekammer, es wird kein Einfluss auf ihre Arbeit genommen.
Betroffene können sich auch anonym an die Ombudsstelle wenden und beraten werden.
Die Ombudsstelle ist offiziell nur für Fälle zuständig, bei denen es um Ärztinnen und Ärzte geht, die Mitglieder der Landesärztekammer Hessen sind; sie berät aber auch Betroffene aus anderen Bundesländern.
Als Reaktion auf entsprechende Vorfälle wurde zuletzt eine weitere Ombudsstelle in Rheinland-Pfalz gegründet; auch die Ärztekammer Westfalen-Lippe hat beschlossen, eine einzurichten.
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An Ombudusstellen wenden
Wenn ein klärendes erstes Gespräch nicht ausreicht, helfen die Ombudsstellen weiter und leiten weitere Schritte ein. "Wir beraten über mögliche weitere Schritte und helfen bei Bedarf auch, entsprechende Ansprechpartner zu finden", sagt Ombudsmann Korte.
Bei diskriminierenden Erfahrungen ist außerdem die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Anlaufstelle. "Sie kann je nach Vorfall an spezialisierte Beratungen verweisen und man kann Ansprüche nach dem Antidiskriminierungsgesetz prüfen", sagt Heike Morris.
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Landesärztekammer einschalten
Ein weiterer Schritt kann eine offizielle Beschwerde bei der jeweiligen Landesärztekammer sein. Sie kann gegen ihre Mitglieder berufsrechtlich aktiv werden.
Namentliche Beschwerde können Sie einreichen bei Verdacht auf: medizinische Fehlbehandlung, unethisches Verhalten, unangemessene Kommunikation, Verstoß gegen die Schweigepflicht und vieles mehr.
Idealerweise sollten Sie Belege (etwa schriftliche Kommunikation mit der Praxis) für einen Vorfall anfügen oder Zeugen benennen.
Gibt es keine Belege, kann eine Beschwerde dennoch Sinn ergeben, denn auch wenn mehrfach ähnliche Beschwerden über eine Person eingehen, kann das zu einer Nachverfolgung führen.
Die behandelnde Person wird um Stellungnahme gebeten, danach bewertet die Ärztekammer den Fall berufsrechtlich.
Mögliche Konsequenzen gehen von einer Verwarnung bis hin zum Entzug der Approbation.
Ein Großteil der Beschwerden gebe jedoch keinen ausreichenden Anlass für berufsrechtliche Konsequenzen, antwortet etwa die Ärztekammer Westfalen-Lippe auf Anfrage.
Heike Morris von der Unabhängigen Patientenberatung kritisiert: "Viele Kammern informieren Betroffene nach einer Beschwerde gar nicht, was damit passiert." So sei das eine Art Blackbox. Ombudsmann Korte ergänzt: Da nicht alle Kammern unabhängige Ombudsstellen haben, sei die Hemmschwelle für eine Beschwerde teils hoch. Er sei sicher, dass sich sehr viel mehr Ratsuchende melden würden, wenn es mehr solcher Anlaufstellen mit niederschwelligem Zugang gäbe. Deshalb sei es wichtig, dass möglichst viele Ärztekammern solche Stellen einrichten.
Strafanzeige bei schwerwiegenden Fällen stellen
In schweren Fällen wie körperlicher Gewalt oder sexueller Belästigung sollten Betroffene über eine Strafanzeige nachdenken, "weil das Strafrecht weitergehende Ermittlungs- und Sanktionsmöglichkeiten hat als eine Kammer", so die Ärztekammer Nordrhein. Sie betont gleichzeitig, dass es verbale und tätliche Übergriffe auch gegen medizinisches Personal gebe. Diese könnten dazu führen, dass sich Ärztinnen und Ärzte insbesondere in Notfallpraxen "nicht mehr sicher fühlen und dort aus Angst nicht mehr arbeiten wollen." Respekt sollte also beiderseits gelten.
Karen Grass ist Redakteurin des ZDF-Magazins WISO.
Quelle: ZDF
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