Inge Lohmann will seit ihrer Kindheit wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. Bis heute kämpft sie um Gewissheit. Und klagt sich durch alle Instanzen.
Die Gerichte weisen Inge Lohmanns Klage auf Feststellung der Vaterschaft ab.24.04.2023 | 4:04 min
Schon fast ihr ganzes Leben sucht Inge Lohmann ihren Vater. Die 73-Jährige wurde unehelich geboren. Ihre Kindheit war schwer, immer wieder musste sie ins Heim. Kurz vor ihrem 14. Geburtstag erfährt sie von ihrer Mutter den Namen des möglichen Vaters. Um die Gewissheit, ob er wirklich ihr leiblicher Vater ist, kämpft sie bis heute.
Seit 14 Jahren Recht auf "isolierte Abstammungsklärung"
Seit dem Jahr 2008 gibt es ein Gesetz, das Personen ermöglicht, ihre Abstammung ohne Rechtsfolgen klären zu lassen. Ein Kind kann von seinem Vater verlangen, in einen DNA-Test einzuwilligen, zur Not auch vor Gericht.
Das Ergebnis bleibt ohne rechtliche Folgen, die rechtliche Vaterschaft bleibt unverändert erhalten, es wird auch keine neue Vaterschaft begründet. Das bedeutet: Der bisherige Vater bleibt rechtlich der Vater.
wer zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist
wer die Vaterschaft anerkannt hat
dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde
Folge: Der Erzeuger bzw. leibliche Vater ist nicht automatisch auch der rechtliche Vater.
Anspruch auf DNA-Test nur gegen rechtlichen Vater
Nach Einführung des Gesetzes erfährt Lohmann, dass der mögliche Vater damals ihre Geburt beim Standesamt angezeigt hat, ohne sich jedoch selbst als Vater zu bezeichnen. Daraufhin fordert Lohmann ihn auf, in einen DNA-Test einzuwilligen. Sie will nur wissen, ob er ihr Vater ist. Ums Geld geht es ihr nicht.
Als er den Test ablehnt, klagt sie durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht. Lohmann will eine DNA-Probe vom möglichen Erzeuger, doch sie verliert überall. Denn das Gesetz eröffnet den Anspruch auf rechtsfolgenlose Abstammungsklärung nicht jedem.
Ist der Mann, bei dem das Kind eine leibliche Vaterschaft vermutet, nicht auch als rechtlicher Vater eingetragen, hat das Kind den Anspruch nicht. So ist es auch bei Lohmann.
Benachteiligung von unehelichen Kindern durch Gesetzeslücke?
Eine Gesetzeslücke, die geschlossen werden muss, so Lohmanns Anwalt Paul Kreierhoff. "Und außerdem scheint es ja ein ganz großes Bedürfnis zu sein für diese nichtehelichen Kinder wie für alle anderen auch, Kenntnis von der eigenen Abstammung zu erlangen. Das hat auch das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht gezeigt - auch weit in das Erwachsenenalter hinein", sagt Kreierhoff.
Der Anwalt des möglichen Vaters hingegen sieht den Anspruch auf Abstammungsklärung hier nicht:
Es gibt Sachen wie Eingriff in meine körperliche Unversehrtheit, dazu gehören diese Proben auch. Und die muss ich nicht zulassen, wenn es keinen Grund gibt.
„
Anwalt des möglichen Vaters
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Gesetzeslücke ist verfassungskonform
Das Bundesverfassungsgericht sah in der Gesetzeslücke kein Problem. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes sei nicht absolut. Geschützt werden müssten auch die Rechte des potenziellen Vaters und seiner Familie. Zwar könne der Gesetzgeber den unehelichen Kindern, wie hier Lohmann, die Möglichkeit einräumen, rechtsfolgenlos die Abstammung zu klären. Das müsse er aber nicht.
Kinder ohne rechtlichen Vater stünden auch nicht rechtlos da. Denn es gäbe per Gesetz einen alternativen Anspruch auf Klärung der Vaterschaft für Kinder wie Lohmann. Dieser Anspruch ist jedoch mit Rechtsfolgen verbunden: es entstehen dadurch zum Beispiel Erbrechts- und Unterhaltsansprüche. Darum geht es Lohmann jedoch nicht. Sie will nur den DNA-Test und wissen, ob der Mann, den ihre Mutter ihr genannt hat, der leibliche Vater ist.
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Nächste Instanz: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
An der Gesetzeslücke kann nur der Gesetzgeber etwas ändern. Das Bundesjustizministerium plant bereits, das Abstammungsrecht zu reformieren. Davon könnte auch Lohmann profitieren.
Sie hat inzwischen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Seit sieben Jahren wartet sie auf eine Entscheidung aus Straßburg.
Ich finde dieses Warten so unerträglich. Es wäre eine ganz einfache Sache: DNA-Probe er, ich, fertig. Ist er es, ist er es nicht. Wäre alles geklärt.
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Inge Lohmann
"Aber man muss ja durch alle Gerichte gehen, weil er nicht einsieht, eine DNA-Probe abzugeben", fügt sie hinzu. Die Frage, ob sie am Ende einen DNA- Test durchsetzen kann, bleibt weiterhin offen. Der potenzielle Vater ist heute 96 Jahre alt.
Gianna Pagliaro ist Rechtsreferendarin in der Redaktion Recht und Justiz
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