Wolfgang Schäuble hört als Bundestagspräsident auf

    Scheidender Bundestagspräsident:Schäuble: Rotwein und weißer Spargel

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    von Mathis Feldhoff
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    Mit der Konstituierung des neuen Bundestages ist eine Karriere definitiv ‎beendet. Wolfgang Schäuble, der dienstälteste Parlamentarier, hört ‎als Bundestagspräsident auf.‎

    Es sind seltene Perlen des Innenlebens, die der bisherige zweite Mann im Staat auf seiner Facebook-Seite preisgibt. Er mag Fußball lieber als Formel 1 und schreibt eher SMS als zu Telefonieren. Rotwein gibt er ganz klar den Vorzug vor dem weißen Pendant und bei der Frage nach grünem oder weißem Spargel plädiert er so massiv für die weißen Stangen, dass sogar die Crew hinter der Kamera ihr Lachen nicht verbergen kann.

    Schäuble, das Gedächtnis der Republik

    In die Ablehnung des grünen Spargels eine politische Botschaft zu interpretieren, wäre weder richtig noch angemessen. Wolfgang Schäuble ist so etwas wie das personifizierte Gedächtnis der Republik, bei vielen politischen Weichenstellungen der letzten 40 Jahre direkt oder indirekt beteiligt: von der geistig-moralischen Wende Helmut Kohls, als Architekt der Wiedervereinigung, als Beteiligter im CDU-Spendenskandal, der Finanzkrise, der Eurokrise, bis zur Flüchtlingskrise.
    Schäuble hätte wohl alles Recht gehabt, sich mit allen Ehrenzeichen zurückzuziehen, dennoch hat er wieder für den Bundestag kandidiert: "Vielleicht ist es ja nicht falsch, wenn ein paar in diesem schnellen Wandel auch längere Erfahrungen mit einbringen", sagte er der Wochenzeitung "Das Parlament". Aber vielleicht ist das viel stärkere Motiv, nicht loslassen zu können.

    Schlau, aber nicht ohne Fehler

    Schäuble hat sich immer für besonders schlau gehalten, und er hat es seine Gegenüber oft spüren lassen. Zuletzt in der Auseinandersetzung um die Kanzlerkür der Union. In der entscheidenden Phase machte er klar, dass eine Kandidatur von Markus Söder die CDU zerreißen würde. So drückte er Armin Laschet in den Gremien der Partei durch - gegen eine gefühlte Mehrheit unter den Abgeordneten und an der Parteibasis.
    Das Bild zeigt den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), wie er Wolfgang Schäuble die Wange tätschelt.
    Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und sein Ziehsohn Wolfgang Schäuble.
    Quelle: dpa

    Dass damit auch er eine Mitverantwortung für das schlechte Wahlergebnis trägt, ist Schäuble natürlich klar. Er ist nicht oft gescheitert in seinem politischen Leben. Aber wenn, dann immer spektakulär. Als er 1998 Parteivorsitzender wurde, plante er, die CDU neu auf- und auszurichten. Doch die Spendenaffäre, die größte Krise einer deutschen Bundestagspartei überhaupt, riss auch den Ziehsohn des Altkanzlers mit.

    Comeback-Kid: Innen-, später Finanzminister

    Nach dem Wahlsieg der Union 2005 begann auch Schäubles Comeback - erst Innen-, später Finanzminister. Dass er auch erwogen hat, Bundespräsident zu werden und vielleicht sogar erhofft hatte, dass Angela Merkel ihn 2004 als Nachfolger von Johannes Rau vorschlägt, bestreiten enge Weggefährten heute. Aber Schäuble gehört zu der Sorte Politiker, die sich jedes Amt vorstellen können - und wenn sie es nicht annehmen, dann aus eigener Entscheidung heraus.
    Aber vielleicht war Wolfgang Schäuble immer besser der Mann, der mit seinem Rollstuhl in der zweiten Reihe steht? Kurz vor dem Machtwechsel zu Rot-Grün, in den Spekulationen über die Nachfolge Kohls hatte der "Stern" gefragt: "Ein Krüppel als Kanzler?" Und Schäuble hatte geantwortet: "Ja, die Frage muss man stellen." Man müsse klar beantworten, ob seine körperliche Verfassung so ein Amt zulasse. 20 Jahre später resümiert er, ebenfalls im "Stern": "Ich glaube, ich habe sie zum Teil beantwortet." Was wohl nichts anderes bedeutet als: "Ja, ich hätte das gekonnt."

    Das konservative Gewissen

    Wenn Schäuble sich künftig nur noch in den hinteren Reihen des Parlamentes bewegt, verliert die Union einen ihrer profiliertesten Vertreter. Vielleicht gewinnt sie aber auch ein konservatives Gewissen, das jetzt unbefangen von Funktionen und Rücksichtnahme über den Kurs der Partei räsonieren kann. Es ist ihm in den 50 Jahren, die er dem Bundestag bald angehört gelungen, sich immer einen wachen und offenen Blick auf die Rolle der CDU, des Parlaments, des politischen Betriebes zu bewahren.
    In den letzten vier Jahren als Bundestagspräsident sah sich Schäuble oft in der Rolle, immer wieder als oberster Repräsentant des Parlamentes auf den Zusammenhang von rassistischer und rechtsnationaler Sprache - auch im Parlament - und den Folgen rechtsradikaler Aktionen aufmerksam zu machen. Nach der Gewalttat von Hanau sagte Schäuble:

    Solche Wahnsinnstaten geschehen nicht im luftleeren Raum. Sie wachsen in einem vergifteteten gesellschaftlichen Klima.

    Und er meint damit wohl auch die AfD, die wiederholt solche Vorurteile gegenüber Minderheiten schürt.

    Ein badischer Preuße

    Badischer Preuße wurde Wolfgang Schäuble oft genannt. Jemand, der mit der schelmischen Art seiner baden-württembergischen Heimat ausgestattet ist, genauso wie mit der gnadenlosen Hingabe zur Pflichterfüllung einer ihm gestellten Aufgabe. Das galt für seine Loyalität zu Helmut Kohl, zu Angela Merkel, selbst zuletzt zu Armin Laschet.
    Schäuble hat immer gekämpft - um Posten, um Positionen, ja auch mit seiner Gesundheit. Aber er hat nie aufgegeben. Nie die Flinte ins Korn geworfen, wenn er nicht obsiegte. Wohl auch deshalb genießt er weit über die politischen Reihen der Union hinaus große Wertschätzung.

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