Putin setzt Westen neue rote Linie: Was steckt dahinter?

    Drohungen aus Moskau:Putins neueste rote Linie

    Sebastian Ehm, ZDF-Korrespondent in Moskau
    von Sebastian Ehm
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    Russlands Präsident droht mal wieder dem Westen. Das hat er schon oft getan, aber dieses Mal garniert ein Hardliner aus dem Kreml-Umfeld die Drohung mit einer scharfen Forderung.

    In this pool photograph distributed by the Russian state agency Sputnik, Russia's President Vladimir Putin chairs a Security Council
    Die russische Gegenoffensive in Kursk läuft weiter an. Der russische Präsident Putin sprach erneut Drohungen gegen westliche Waffenlieferanten der Ukraine aus.13.09.2024 | 1:36 min
    Die Botschaft von Wladimir Putin stößt vor allem in Russland auf ein breites Echo. "Putin hat seine rote Linie gezogen", schreibt der Kommersant, eine der wichtigsten Zeitungen des Landes.
    In einem Interview mit dem Staatsfernsehen machte der russische Präsident gestern deutlich, dass man reagieren werde, sollten der Westen der Ukraine den Einsatz weitreichender Waffen erlauben.

    Wenn das so ist, dann wird sich das Wesen dieses Konfliktes verändern und wir werden eine angemessene Entscheidung auf der Grundlage der Bedrohungen treffen, die für uns entstehen.

    Wladimir Putin, Präsident Russlands

    Nicht die erste rote Linie von Putin

    Es ist nicht das erste Mal, dass Wladimir Putin dem Westen mit Eskalation droht - wie beispielsweise im Juni 2022 in St. Petersburg auf dem dortigen Wirtschaftsforum. Damals ging es um ukrainische Angriffe im Donbass mit westlichen Waffen. Im Februar 2023 drohte er Deutschland und warnte vor dem Einsatz deutscher Panzer in der Ukraine.
    Eine weitere rote Linie zog er im Mai 2024 als es darum ging, ob die Ukraine im Raum Charkiw mit amerikanischen Waffen Richtung Russland schießen dürfe. Alle roten Linien wurden aus russischer Lesart überschritten, eine heftige russische Reaktion blieb aus.
    ZDF-Korrespondent Armin Coerper live aus Moskau
    Russland sei bereit, Friedensverhandlungen auszuloten, so ZDF-Korrespondent Coerper. Putin fordere eine Rückgabe besetzter Gebiete in Kursk und weiche so von Maximalforderungen ab.12.09.2024 | 5:29 min

    Was bei russischer Drohung dieses Mal anders ist

    Was jedoch dieses Mal aufhorchen lässt, ist ein Interview des außen- und verteidigungspolitischen Hardliners Sergej Karaganow, auf den in Moskau viele hören. In einem Interview mit dem Kommersant fordert er, dass der Kreml seine Atomdoktrin verschärfen solle.
    Die russische Führung, so Karaganow, solle klar erklären, dass sie zum Einsatz von Atomwaffen bereit sei. Und zwar gegen die Länder, die die "Nato-Aggression in der Ukraine unterstützen". Er fordert gar eine konkrete Liste für einen nuklearen Gruppenangriff.
    Nun ist Karaganow weder in der Regierung, noch steht er dem Präsidenten besonders nahe. Die Verschärfung der Atomdoktrin wird aber seit geraumer Zeit immer wieder erwähnt und das nicht nur von Karaganow. Putin könnte das als Eskalationshebel nutzen.
    Ein 12-stöckiges Wohngebäude, das durch einen Raketeneinschlag beschädigt wurde, steht unweit einer unterirdischen Schule während des Beginns des neuen Schuljahres, bekannt als „Tag des Wissens“, in Charkiw, Ukraine, am 02. September 2024 inmitten der russischen Invasion.
    Die Ukraine bittet westliche Partner um Erlaubnis, Langstreckenraketen auf russische Ziele richten zu dürfen. Damit sollen eigene Gebiete wie die Stadt Charkiw gesichert werden.13.09.2024 | 2:50 min

    Putin-Botschaft nach innen gerichtet

    Die Botschaft hinter der Drohung Putins jedenfalls dürfte aber hauptsächlich nach innen gerichtet sein. Immerhin stehen seit Wochen ukrainische Soldaten auf russischem Staatsgebiet. Unter der Woche schlugen Drohnen in Moskau und dem Umland der russischen Hauptstadt ein. Das alles trägt nicht dazu bei, den russischen Bürgern ein Gefühl von Sicherheit zu geben.
    Auch deswegen dürfte Putin dem Westen drohen. Für die Kameras des Staatsfernsehens inszeniert er sich als Kümmerer. So trifft er in der Nähe von St. Petersburg einen russischen Offizier, der in der Region Kursk verletzt worden ist. Er will seinen Bürgern zeigen, er hat alles im Griff.
    Militaerexperte Nico Lange
    Trotz der russischen Gegenoffensive habe die Ukraine gezeigt, dass sie die russischen Truppen nicht nur überraschen, sondern auch schlagen könne, so Militärexperte Nico Lange.12.09.2024 | 18:48 min

    Russland meldet Erfolge in Kursk

    Währenddessen vermeldet das russische Verteidigungsministerium Erfolge bei der Gegenoffensive in der Region Kursk. Zehn Dörfer habe man zurückerobert und viele Gefangene gemacht. Was davon stimmt und was nicht, lässt sich nur schwer überprüfen.
    Militär-Experte Nico Lange ist sich sicher, dass die Ukraine einen russischen Angriff erwartet hat und dementsprechend reagiert.

    Was man sieht, ist, dass die Ukraine darauf vorbereitet ist, dass sie jetzt weiter reagieren wird, möglicherweise an anderen Stellen angreifen wird und die ganze Operation bei Kursk deutet darauf hin, dass die Ukraine sich jetzt auf ein disruptives Vorgehen verlegt.

    Nico Lange, Militärexperte

    Kreml reagiert mit Ausweisungen

    Nadelstiche gegen Russland an mehreren Stellen der Grenze, bald auch mit westlichen Waffen? Darauf reagierte der Kreml auch am Freitag nochmal. Nach Putins Drohungen gestern entzog man sechs britischen Diplomaten die Akkreditierung.
    Auch das ist kein ungewöhnliches Vorgehen der russischen Behörden. Seit Kriegsbeginn haben sowohl der Westen als auch Russland immer wieder diplomatisches Personal ausgewiesen.
    Sebastian Ehm berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.

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