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Pflicht oder Freiwilligkeit?:Pistorius stellt Pläne für Wehrdienst vor
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Schule, Bundeswehr, Ausbildung: Kehrt Deutschland zurück zum Wehrdienst? Verteidigungsminister Pistorius stellt heute seine Pläne vor. Ein bisschen ist vorab schon durchgesickert.
Deutschland muss kriegstüchtig werden – das betont Verteidigungsminister Pistorius. 13 Jahre nach Aussetzung der Wehrpflicht legt er Ideen vor, um wieder mehr Soldaten zu gewinnen.12.06.2024 | 1:33 min
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) stellt an diesem Mittwoch seine Pläne für einen "neuen Wehrdienst" vor. Wie vorab berichtet wurde, soll die Erfassung von Wehrfähigen wieder aufgebaut werden. Konkret wolle er junge Männer verpflichten, in einem Fragebogen Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst zu geben und sich bei Auswahl einer Musterung zu stellen, heißt es bei der Deutschen Presse-Agentur. Pistorius wolle zudem erst mal die Schritte einleiten, die noch in dieser Legislaturperiode praktisch möglich erscheinen.
In der Ampel-Koalition gelten solche Pläne als umstritten. Die Wehrpflicht in Deutschland ist seit 2011 ausgesetzt. Wie weite Teile der Wirtschaft leidet die Bundeswehr unter akutem Bewerbermangel. Derzeit liegt die Zahl der aktiven Soldaten um mehr als 20.000 unter dem schon vor dem Ukraine-Krieg angestrebten Ziel von 203.300.
Wehrpflicht: Die Haltung in den Parteien
Die CDU fordert eine schrittweise Wiedereinführung der Wehrpflicht im Rahmen eines "verpflichtenden Gesellschaftsjahres". Eine entsprechende Forderung fand auf Drängen der Jungen Union Eingang in das neue Grundsatzprogramm. Dort heißt es: "Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen." Zur Stärkung der Personaldecke fordert die CDU bis zur Umsetzung dieses Vorhabens die Einführung einer sogenannten Kontingentwehrpflicht: Dazu solle die Bundeswehr zunächst ihren Personalbedarf melden. Nach der Musterung eines Jahrgangs werde dann nur eingezogen, wer zur Deckung des Bedarfs auch gebraucht werde, wie JU-Vorsitzende Johannes Winkel erläuterte.
Zustimmung zum CDU-Beschluss kommt aus der CSU: "Das Bekenntnis zur Wehrpflicht ist ein wichtiges Bekenntnis zur Stärkung der Bundeswehr", sagte Parteichef Markus Söder. Dies gelte auch mit Blick darauf, jungen Menschen "wieder eine stärkere Bindung zu unserem demokratischen Rechtsstaat zu geben". In der ZDF-Sendung Markus Lanz bezeichnete er eine Wehrpflicht als "sinnvoll" und sprach sich für einen Dienst von mindestens sieben Monaten aus. Eine Verpflichtung für Frauen lehnte er aber ab.
Zustimmung zum CDU-Beschluss kommt aus der CSU: "Das Bekenntnis zur Wehrpflicht ist ein wichtiges Bekenntnis zur Stärkung der Bundeswehr", sagte Parteichef Markus Söder. Dies gelte auch mit Blick darauf, jungen Menschen "wieder eine stärkere Bindung zu unserem demokratischen Rechtsstaat zu geben". In der ZDF-Sendung Markus Lanz bezeichnete er eine Wehrpflicht als "sinnvoll" und sprach sich für einen Dienst von mindestens sieben Monaten aus. Eine Verpflichtung für Frauen lehnte er aber ab.
"Ganz ohne Pflicht wird es beim Wehrdienst nicht gehen", sagt Verteidigungsminister Boris Pistorius. Die Spitze seiner Partei formuliert das etwas anders: Zur Personalgewinnung setze er "vor allem auf Freiwilligkeit", erklärte SPD-Chef Lars Klingbeil jüngst im "Tagesspiegel". Ziel sei es, mehr Anreize zu schaffen - etwa "Vorteile für ein Studium oder für den Führerschein". Co-Chefin Saskia Esken sagte den Funke-Medien: Freiwilligkeit sei auch mit Blick auf "ein Engagement bei der Bundeswehr und der damit einhergehenden großen Verantwortung für die Sicherheit Deutschlands das richtige Prinzip". Zurückhaltend über eine Pflicht zum Wehrdienst äußerte sich zuletzt auch Kanzler Olaf Scholz.
Bei den Grünen äußert man sich ablehnend zu einer Wehrpflicht. Er glaube nicht, dass sie gebraucht werde, sagte unlängst Parteichef Omid Nouripour. Dass eine Wehrpflicht automatisch zu mehr Personal führen werde, "das sehe ich nicht". Vielmehr sei seine Partei der Meinung, "dass die Wehrpflicht zu mehr Kosten führe und die Wehrfähigkeit nicht zwingend steigere". Die Co-Chefin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, wandte sich bereits gegen eine Musterungspflicht. Damit werde "Tür und Tor" für eine Wehrpflicht geöffnet, sagte sie der dpa. "Das lehnen wir ab."
Auch die FDP wendet sich gegen eine Rückkehr zur Wehrpflicht. "Die dafür nötigen Ressourcen an Geld, Infrastruktur und Ausbildung müssen eingesetzt werden, um die Freiwilligenarmee besser zu machen und unsere Reservisten zu stärken", sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der "Welt am Sonntag". Eine Wehrpflicht sei eher ein Hindernis, die Bundeswehr zur "modernsten und professionellsten Armee des Kontinents" zu machen. Nötig sei vielmehr eine stärkere Einbindung der aktuell etwa 900.000 Reservistinnen und Reservisten. Bundesjustizminister Marco Buschmann führt zudem verfassungsrechtliche Bedenken an: Knackpunkt sei die Wehrgerechtigkeit, denn die könne praktisch nicht gewährleistet werden. "Keiner geht zurzeit davon aus, dass alle Männer eines Jahrgangs rekrutiert werden."
Die AfD fordert in ihrem Grundsatzprogramm, den Grundwehrdienst "für alle männlichen deutschen Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 25 Jahren" wieder einzusetzen. Die Aufstockung des Personals sei eine der größten Herausforderungen, heißt es auch im Europawahlprogramm. Dazu müsse die Aussetzung der Wehrpflicht "wieder rückgängig" gemacht werden.
"Nein zu Wehrpflicht", heißt es bei der Linken: Laut Vorstandsbeschluss lehnt die Partei auch eine verpflichtende Musterung ab. Diese sei eine "vorbereitende Maßnahme zur Wiedereinführung einer Wehrpflicht". Es bestehe "keine reale Gefährdungslage", die derartige Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht junger Menschen rechtfertige, heißt es zur Begründung.
Quellen: dpa, AFP, Reuters
Quellen: dpa, AFP, Reuters
Bundeswehrverband hofft auf Pflichtanteil
Das sei der tiefste Stand seit 2018, sagte der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner. Der Oberst forderte entschlossene Schritte für einen neuen Wehrdienst. Er hoffe, dass Pistorius bei geplanten Pflichtanteilen bleibe.
Bei einer Regierungsbefragung im Bundestag hatte Pistorius bereits durchblicken lassen, dass er beim Wehrdienst nicht auf komplette Freiwilligkeit setzt. Wiederholt betonte der Verteidigungsminister, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden, um zusammen mit den Verbündeten der Nato glaubhaft abschrecken zu können.
Pistorius will am späten Morgen den Verteidigungsausschuss über seine Pläne informieren und diese nachmittags der Öffentlichkeit erläutern. Er hat - auch unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine - verschiedene Modelle einer Dienstpflicht prüfen lassen.
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Esken will Freiwilligkeit statt Pflicht
Die Vorsitzende der SPD, Saskia Esken setzt beim neuen Wehrdienst-Modell auf Freiwilligkeit.
Freiwilligkeit "ist auch in Bezug auf ein Engagement bei der Bundeswehr und der damit einhergehenden großen Verantwortung für die Sicherheit Deutschlands das richtige Prinzip", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
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Bundeswehrverband: Personal fehlt
Wüstner sagte, der Personalbedarf der Bundeswehr liege heute weit über der seinerzeit politisch gesetzten Zielgröße von 203.300 Soldaten. Das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr aus dem Jahr 2018 habe rechnerisch bereits mehr als 240.000 Männer und Frauen vorgesehen. Aufgrund zusätzlicher politischer Aufträge seit dem Februar 2022 und zunehmender Nato-Verpflichtungen "dürfte die Zahl aktuell weit darüber liegen". Trotz einer Personaloffensive war die Bundeswehr im vergangenen Jahr auf 181.500 Soldatinnen und Soldaten geschrumpft.
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Die Wehrpflicht war in Deutschland nach 55 Jahren 2011 ausgesetzt worden. Das kam in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich. Gleichzeitig wurden praktisch alle nötigen Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst. Gesetzlich festgelegt ist aber weiter, dass die Wehrpflicht für Männer im Spannungs- und Verteidigungsfall wieder auflebt.
Quelle: dpa, AFP
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