Historiker: Warum Kampfjets nicht wirklich notwendig sind

    FAQ

    Experte zu Forderung aus Kiew :Sind Kampfjets wirklich notwendig?

    Katja Belousova
    von Katja Belousova
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    Nach Kampfpanzern fordert Kiew vom Westen nun Kampfflugzeuge. Warum er das kritisch sieht und das militärisch aktuell nicht notwendig wäre, erklärt Militärhistoriker Neitzel.

    Wolodymyr Selenskyj (r), Präsident der Ukraine, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
    Wolodymyr Selenskyj (r.) bringt die Lieferung von Kampfflugzeugen durch den Westen ins Spiel. Archivbild mit Olaf Scholz vom Juni 2022.
    Quelle: dpa

    Leopard, Abrams, Challenger: Gleich mehrere Typen von Kampfpanzern will der Westen der Ukraine liefern, um im Krieg gegen den Angreifer Russland bestehen zu können. Die ukrainische Seite zeigte sich nach anfänglichem Zögern aus Deutschland und den USA erleichtert über die Entscheidung - und fordert sogleich neue Waffen.
    Andrij Melnyk, früherer ukrainischer Botschafter in Berlin und nun im Amt des stellvertretenden Außenministers, bringt Kampfjets, Tornados, Kriegsschiffe und U-Boote ins Spiel. Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj bittet um Kampfflugzeuge - und Kurzstreckenraketen.

    Kommen jetzt westliche Kampfflugzeuge?

    Eine mögliche Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine sieht der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel kritisch. "Würden die Nato-Staaten Kampfflugzeuge liefern, könnten diese über der Ukraine nur in größerer Zahl operieren, wenn die russische Luftverteidigung ausgeschaltet wird, was wiederum massive Angriffe auf russisches Territorium erfordern würde - eine klare Eskalation, von der man nur abraten kann", erklärt er ZDFheute. Denn bisher bestünde dazu keine militärische Notwendigkeit.

    Die russische Luftwaffe operiert kaum über ukrainischem Luftraum und ihre Raketen können zumindest zu einem Großteil von einer immer moderneren ukrainischen Luftverteidigung (Iris-T, Patriot etc.) abgefangen werden.

    Sönke Neitzel, Militärhistoriker Uni Potsdam

    Sönke Neitzel, Inhaber des Lehrstuhls für Militärgeschichte an der Universität Potsdam; Dresden; 13.11.2022
    Quelle: dpa

    ... ist Militärhistoriker und Inhaber des Lehrstuhls für Militärgeschichte und Kulturgeschichte der Gewalt an der Uni Potsdam. Davor lehrte er unter anderem an der University of Glasgow und der London School of Economics. Sein Forschungsschwerpunkt liegt unter anderem bei der Militär- und Gewaltgeschichte der Moderne.

    Hinzu kommt: Der Aufbau einer ukrainischen Luftwaffe mit westlichen Kampfflugzeugen wäre Neitzel zufolge eine ganz andere technische Herausforderung als eine Umrüstung der Panzerwaffe.

    Man muss eine kluge Abwägung treffen zwischen einer wirkungsvollen Unterstützung der Ukraine auf der einen und einer Vermeidung einer Bereitschaft zur weiteren Eskalation auf der anderen Seite.

    Sönke Neitzel, Militärhistoriker Uni Potsdam

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte erst am Mittwoch im ZDF betont, dass Deutschland keine Kampfjets an die Ukraine liefern wird. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki wiederum sagte dem französischen Sender LCI am Donnerstag, dass sein Land eine Nato-Lieferung von Kampfflugzeugen unterstützen würde. "Ich glaube, wir, die Nato, müssen mutiger sein."

    Sind Jets militärisch sinnvoll?

    Der Westen könnte aber deutlich machen, dass er Kampfflugzeuge liefert, wenn Russland biologische, chemische oder atomare Waffen in diesem Krieg einsetzt, so Neitzel.
    Die Lieferung von Kampfjets ist aktuell also eher Bestandteil eines Abschreckungsszenarios als automatischer nächster Schritt des Westens. Unmöglich wäre der Schritt aber aus Sicht des Militärexperten Carlo Masala nicht - er erklärte bei Twitter, dass es militärisch sogar sinnvoll sein könnte.

    Masala zu Kampfflugzeugen

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    Gleichzeitig macht aber auch er deutlich: "'Melnyk fordert' heißt nicht 'Deutschland (oder andere) liefern'".

    Wie umgehen mit künftigen Forderungen der Ukraine?

    Aussagen wie die von Selenskyj und Melnyk dürften nicht die letzten in diesem Krieg bleiben. Denn Kiew geht es mit seinen Forderungen schon seit Beginn des Kriegs darum, eine möglichst umfassende Unterstützung der Nato zu bekommen. "Das ist aus Sicht der Ukraine sehr nachvollziehbar, aber es muss aus deutscher und aus Sicht des Westens Grenzen geben", erklärt Neitzel.
    Und die ukrainische Seite müsse notgedrungen akzeptieren, dass es unterschiedliche Perspektiven auf diesen Krieg gibt. Ein Ziel sollten westliche Staaten aber verfolgen:

    Der Westen hat meines Erachtens aber die Verpflichtung, es der Ukraine zu ermöglichen, ihr Land wirkungsvoll zu verteidigen und es so auszustatten, dass denkbar bleibt, zumindest Teile der besetzten Gebiete zurückzuerobern.

    Sönke Neitzel, Uni Potsdam

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