Reaktion auf Putins Ukraine-Krieg: Abschrecken oder abrüsten?

    Debatte um Waffenstationierung:Gegen Putins Krieg: Abschrecken oder abrüsten?

    von Philipp Dietrich
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    Diskussion über die Stationierung von US-Waffen: Marcus Faber (FDP) will "Diktator Putin" abschrecken - für Sebastian Walter (Die Linke) sind Raketen keine "Spielzeuge".

    Rakete
    Erhöht die Stationierung von US-Raketen Deutschlands Sicherheit? Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marcus Faber, FDP, sagt ja. Sebastian Walter von den Linken: nein.25.07.2024 | 11:09 min
    Kurz und knapp präsentierten US- und Bundesregierung vor gut zwei Wochen ihre Aufrüstungspläne für Deutschland in einer gemeinsamen Erklärung. Die USA werden ab 2026 zeitweilig weitreichende Waffensysteme ihrer Multi-Domain Task Force in Deutschland stationieren. "Diese konventionellen Einheiten werden bei voller Entwicklung SM-6, Tomahawks und derzeit in Entwicklung befindliche hypersonische Waffen umfassen."
    Für Kanzler Olaf Scholz (SPD) geht es um "einen eigenen Schutz mit Abschreckung", für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schließt sich damit eine "ernstzunehmende Fähigkeitslücke in Europa".
    Die Infografik zeigt die Reichweite verschiedener US-Waffensysteme. Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Das Ziel: Nato-Verbündete in Europa schützen. Zu den Waffensystemen gehören SM-6-Raketen gegen Bodenziele (bis zu 370 Kilometer), Tomahawk-Marschflugkörper (bis zu 1.650 Kilometer) und Hyperschallwaffen vom Typ AGM-183 (bis zu 3.000 Kilometer Reichweite).

    Faber: Kreml sucht sich den Schwächsten aus

    Marcus Faber (FDP), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, sieht in der Stationierung die direkte Reaktion des Verteidigungsbündnisses der Nato auf die Stationierung von Waffen gleicher Reichweiten und Stärken durch Russland in Kaliningrad, wie er im ZDF moma duell erklärt. Die Nato verändere ihre Sicherheitsstandards - das ist laut Faber eine ganz normale Reaktion.

    Es macht uns sicherer, denn der Diktator im Kreml sucht sich den Schwächsten raus, wenn wir sicherer abschrecken, dann sind wir sicherer hier.

    Marcus Faber, FDP

    Faber sagt weiter: "Putin hat nicht Estland angegriffen mit 1,3 Millionen Einwohnern, sondern die Ukraine mit 40 Millionen Einwohnern, weil sie keine Verbündete hat. Das heißt, wenn wir uns und unser Bündnis stärken, dann schützt uns das."
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    Walter: Müssen wegkommen von "Eskalation"

    Das sieht Sebastian Walter (Die Linke) völlig anders. Für den Co-Vorsitzenden und Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen in Brandenburg bedeuten mehr Raketen eben nicht mehr Sicherheit, sondern größere Kriegsgefahr.

    Bei der ganzen Debatte geht es mir ein bisschen darum, dass wir so tun, als ob es da so um Spielzeuge geht, die wir so hin und her schicken.

    Sebastian Walter, Die Linke

    "In der Frage 'Raketen ja oder nein' geht es da nicht darum, wer sich verteidigen kann oder abschrecken kann, sondern wer als Zweites stirbt. Und so ehrlich muss man in der Debatte auch sein", sagt Walter. "Und deshalb, glaube ich, müssen wir wegkommen von der immer weiteren Eskalation, immer mehr Raketen."
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    Nach der Freigabe der Verbündeten hat die Ukraine erste Ziele in Russland mit westlichen Waffen angegriffen. Wie wirksam sie sind, erklärt Militäranalyst Remmel bei ZDFheute live.06.06.2024 | 37:32 min

    Neuer Kalter Krieg?

    Für die Kontrahenten des ZDF-Rededuells gibt es direkte Bezüge der Aufrüstung zum Krieg Russlands in der Ukraine. Es besteht Einigkeit, dass dieser Krieg ein Verbrechen ist und beendet werden muss: Für Sebastian Walter durch den Aufbau "echten" diplomatischen Drucks, für Marcus Faber durch die Demonstration von Stärke und Waffenlieferungen.
    Für den FDP-Verteidigungspolitiker ist es eine "gute Nachricht", dass Russland in der Ukraine jeden Tag mehr Raketen verschießt, als es produzieren kann. In Bezug auf Putin sei es ihm "wichtig, dass der, der zuerst schießt, weiß, dass er dann als Zweiter stirbt."
    Für den Mann der Linken ist das die Logik des Kalten Krieges, den er "zum Glück" nicht erlebt hat. Er hat einen Wunsch:

    Mein Sohn, der jetzt zweieinhalb Jahre alt ist, dass der auch nicht Angst davor haben muss, dass von heute auf morgen diese Welt zu Ende ist.

    Sebastian Walter, Die Linke

    Deutschland sei doch auch jetzt nicht wehrlos, sondern in Deutschland seien US-amerikanische Atomwaffen stationiert, die "Gott sei Dank" nicht eingesetzt würden. Deutschland müsse also nicht noch mehr aufrüsten. Er fordert eine neue "Sicherheitsarchitektur". Das Problem von immer mehr Aufrüstung sei es, dass diese "Waffen eingesetzt werden sollen", wodurch die Gefahr steige: "Wir müssen diese Eskalationsspirale durchbrechen", auch durch Verhandlungen, so Walter.
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    Verteidigungsminister Pistorius äußert sich zu den Plänen der USA, Langstreckenwaffen in Deutschland zu stationieren: „Es geht um Abschreckung, nicht um irgendetwas anderes.“11.07.2024 | 7:21 min

    Putin vor dem Strafgerichtshof oder am Verhandlungstisch?

    Faber sieht Putin vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Mit seinem Nachfolger müsse "über eine Friedensordnung in Europa" verhandelt werden. Auch Diktatoren könnten gestürzt werden:

    Ich war gerade beim Gedenken zum 80. Jahrestag des Attentats auf Hitler. Ich denke auch, es gibt in Russland viele Menschen, die mit Putin sehr unzufrieden sind. Und der Zweite Weltkrieg? Es sind keine Diplomaten in der Normandie gelandet.

    Marcus Faber, FDP

    Für Walter ist die jetzige Situation nicht mit dem Zweiten Weltkrieg gleichzusetzen, er setze auf Verhandlungen, auch mit Kriegsverbrechern. Faber bleibt dagegen bei seiner Analogie: Putin sei in Tschetschenien, in Georgien einmarschiert und 2014 sowie 2022 in die Ukraine. Wenn dieses Verhalten durch Anerkennung bestätigt wird, dann würde sich dieses Vorgehen laut Marcus Faber nicht ändern.
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    Beim Nato-Gipfel wird der Ukraine Unterstützung zugesichert. Im Vordergrund steht der Beschluss der USA, Langstreckenwaffen in Deutschland zu stationieren. Und ein Versprecher.12.07.2024 | 2:26 min

    Soll abgeschreckt oder abgerüstet werden?

    Der Co-Vorsitzende der Brandenburger Linken sieht keinen direkten Zusammenhang von Frieden in der Ukraine und der Stationierung von US-Langstreckenwaffen in Deutschland: "Mit der Stationierung von Atomraketen oder von atomwaffenfähigen Raketen in Deutschland kommen wir doch auch nicht zum Frieden in der Ukraine." Er findet die Debatte "schräg": Mehr Waffen hätten noch nie zu mehr Sicherheit und Frieden geführt.
    FDP-Mann Faber kontert mit seinen Erfahrungen in der Verteidigungspolitik und als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Er sei "froh, dass wir in einem Bündnis sind, in dem die Briten sind, in dem die Franzosen sind, in dem 32 Nationen zusammenkommen, die uns mit schützen."
    Es müsse "wie im Kalten Krieg" abgeschreckt werden. Klar sei auch, "wenn die Ukraine sich nicht so erfolgreich verteidigt hätte, wäre Moldawien mit weg." Und deshalb gehe es darum, "dass wir hier sicher sind, dass der, der auch schon andere Länder überfallen hat, uns nicht als Nächstes überfällt."
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    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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