Demonstration in Berlin:Warum Russlands Opposition zerstritten ist
von Sebastian Ehm
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In Berlin haben prominente Mitglieder der russischen Exil-Opposition zur Demo gegen Putin aufgerufen. Unter ihnen auch Julija Nawalnaja. Doch es gibt Streit bei den Putin-Gegnern.
Die Putin-Kritiker Wladimir Kara-Murza (l.), Andrej Piwowarow (m.), and Ilja Jaschin (r.) bei ihrer Ankunft in Deutschland.
Quelle: epa
Das Video, das das Team Nawalny Ende Oktober veröffentlicht, ist gewohnt aufwändig und modern produziert. Schnelle Schnitte, tragende Musik und nach 30 Sekunden stellen sich die Hauptprotagonisten vor: "Hallo, ich bin Julija Nawalnaja", "Guten Tag, mein Name ist Ilja Jaschin" und "Hallo Russland, ich bin Wladimir Kara-Mursa".
Prominente Oppositionelle rufen zu Demo in Berlin auf
Das allein ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine kleine Sensation. Drei der prominentesten Mitglieder der russischen Exil-Opposition rufen an dem Tag, an dem in Russland der Opfer des Stalin-Terrors gedacht wird, dazu auf am 17. November in Berlin gegen Putin zu demonstrieren.
Wladimir Kara-Mursa und Ilja Jaschin sind erst im Sommer bei einem großen Gefangenenaustausch aus russischen Gefängnissen freigekommen. Julija Nawalnajas Mann Alexej Nawalny war im Februar in einem russischen Gefängnis gestorben. Sie will sein Vermächtnis weiterführen.
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Unter dem Motto "Nein zu Putin! Nein zum Krieg in der Ukraine! Freiheit für politische Gefangene!" will die russische Diaspora in Berlin am Sonntag vor die russische Botschaft unter den Linden marschieren. Bis zu 3.000 Menschen könnten kommen.
Zwielichtige Geschäfte des Team Nawalny?
Doch ob das wirklich passiert, ist fraglich, denn die russische Exil-Opposition ist zerstritten.
In den vergangenen Wochen sorgte eine YouTube-Recherche des bekannten Exil-Bloggers Maksim Katz für Aufruhr. Er behauptete in seiner Dokumentation, dass das Team Nawalny jahrelang Geld von zwielichtigen Bankern angenommen habe.
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Alexander Schelesnyak and Sergei Leontiew sollen mit veruntreuten Geldern aus Russland geflohen sein und haben laut Katz dieses Geld verwendet, um die Nawalny-Stiftung zu finanzieren. Ein Vorwurf, den das Team Nawalny in einem eigens dafür produzierten Video brüsk zurückwies.
Nawalnaja-Interview wirkt wie Schuldeingeständnis
Doch nun räumte Julija Nawalnaja in einem ersten längeren Interview auf Russisch seit dem Tod ihres Mannes ein, dass die Verbindungen zu den beiden Bankern ein Fehler gewesen waren. Für die langjährigen Mitarbeiter der Stiftung von Nawalny ein Schuldeingeständnis und wohl ein Schlag vor den Kopf.
Viele Nawalny-Sympathisanten waren jedenfalls irritiert von dem Skandal, den Katz aufgedeckt hat. Vor allem weil das Team Nawalny jahrelang gegen Korruption gewettert hatte und der Kreml-Clique zum Vorwurf gemacht hatte, mit Geld zu hantieren, das aus dunklen Kanälen kommt.
Unklar, ob die Recherche Auswirkungen hat auf die Anzahl der Teilnehmer bei der Demonstration in Berlin.
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Chodorkowski hat Teilnahme abgesagt
Andere bekannte Oppositionelle kommen hingegen sicher nicht. Michail Chodorkowski und Garri Kasparow hatten ihre Teilnahme abgesagt. Eigentlich würden sie jeden Antikriegsmarsch unterstützen, aber dieser sei sehr kurzfristig organisiert worden. Außerdem seien sie sich nicht sicher aus welchen Quellen dieser Marsch finanziert werde.
Damit spielt Chodorkowski zum einen auf die Free Russia Foundation an, in deren Vorstand unter anderem Kara-Mursas Frau sitzt und die enge Verbindungen zur Republikanischen Partei hat. Zum anderen könnte er aber auch den Streit im Team Nawalny meinen.
Deutlich wird jedenfalls, Chodorkowski und Gasparow scheinen den Marsch in Berlin nicht mit aller Kraft unterstützen zu wollen.
Unterstützung für Demo in Berlin aus Russland
Vor der geplanten Großdemo ist zumindest klar, dass die russische Opposition alles andere als an einem Strang zieht und teilweise heillos zerstritten ist.
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Immerhin kam eine hoffnungsvolle Nachricht aus Russland: Jekaterina Dunzowa, die Anfang des Jahres versucht hatte als Präsidentschaftskandidatin anzutreten, ließ verlauten, gleichzeitig mit dem Marsch in Berlin eine Demo in St. Petersburg abzuhalten.
Eine unerwartete Solidaritätsbekundung für die Demonstration in Berlin. Sollte diese ein Erfolg werden, könnte es ein erster Schritt sein, die auseinanderdriftenden Oppositionskräfte zu vereinen.
Sebastian Ehm ist Korrespondent für Russland, den Kaukasus und Zentralasien.
Quelle: ZDF
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