Pistorius über Abschreckung: "Wie im Kalten Krieg"

    Interview

    Pistorius über US-Raketen:Abschreckung wie "aus dem Kalten Krieg"

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    Boris Pistorius nennt die bald in Deutschland stationierten Langstreckenraketen eine "reine Vorsichtsmaßnahme" - vergleicht aber die Situation trotzdem mit dem Kalten Krieg.

    SGS Pistorius
    Verteidigungsminister Pistorius äußert sich zu den Plänen der USA, Langstreckenwaffen in Deutschland zu stationieren.11.07.2024 | 7:21 min
    Ab 2026 werden in Deutschland amerikanische Langstreckenraketen und Marschflugkörper stationiert. Damit soll Russland abgeschreckt werden. Für Verteidigungsminister Boris Pistorius ist diese Entscheidung ein Ausdruck der von Bundeskanzler Olaf Scholz propagierten Zeitenwende, auf die Deutschland sich einlassen müsse.
    Sehen Sie das ganze Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt der Verteidigungsminister über ...

    ... den Zweck von Langstreckenwaffen in Deutschland

    "Die Waffen dienen der Abschreckung, nicht mehr und nicht weniger", sagt Pistorius über die bald in Deutschland stationierten Waffen der USA. Falls Deutschland angegriffen werden würde, könne man sich zukünftig auch auf einer gewissen Distanz "zur Wehr setzten".

    Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, so wie wir sie aus dem Kalten Krieg kennen.

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    Diese Langstreckenwaffen sollen in Deutschland stationiert werden:




    ... die Abschreckungskapazität der Nato

    Über die Abschreckungskapazität der Nato sagt Pistorius: "In Europa haben wir sie kaum, Deutschland gar nicht." Russland hingegen habe abschreckende Waffensysteme, beispielsweise in Kaliningrad, die Deutschland und andere europäische Staaten erreichen könnten, betont der Verteidigungsminister.

    Deswegen geht es jetzt darum, diese Lücke auf unserer Seite zu schließen, um eben gerade auch in diesem Segment abzuschrecken.

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    Ex-General-Major Ben Hodges zugeschaltet aus Washington
    Ex-US-General Hodges hält die Stationierung von US-Marschflugkörpern in Deutschland für überfällig. 11.07.2024 | 4:43 min
    Pistorius betont: Es gehe nur um die Abschreckung und um nichts anderes. Er spricht von einer "neuen Bedrohungslage". Der russische Präsident Wladimir Putin habe gezeigt, wozu er bereit und in der Lage sei.

    Da wir in diesem Bereich Systeme nicht in ausreichender Zahl haben, stationieren die Amerikaner vorübergehend diese Systeme, bis wir mit den europäischen Partnern eigene entwickelt haben.

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    Es gehe darum, der Bedrohung durch Putin "eine klare Abschreckungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft entgegenzusetzen".  
    Die Infografik zeigt die Reichweite verschiedener US-Waffensysteme. Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Das Ziel: Nato-Verbündete in Europa schützen. Zu den Waffensystemen gehören SM-6-Raketen gegen Bodenziele (bis zu 370 Kilometer), Tomahawk-Marschflugkörper (bis zu 1.650 Kilometer) und Hyperschallwaffen vom Typ AGM-183 (bis zu 3.000 Kilometer Reichweite).

    ... die Gefahr eines verheerenden Wettrüstens

    Ängste vor einem verheerenden Wettrüsten könne der Verteidigungsminister natürlich verstehen.

    Wir alle, die wir uns an diese Zeit erinnern, leben mit dieser Geschichte und mit den Erfahrungen aus dieser Zeit.

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    NATO 75th anniversary summit
    Berlin und Washington vereinbaren erstmals seit dem Kalten Krieg u.a. Langstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. Es gehe darum, "Abschreckung sicherzustellen", so Scholz.11.07.2024 | 2:37 min
    "Aber wir dürfen nicht ausblenden, dass letztlich das Rüsten bei gleichzeitiger Annäherung dazu geführt hat, dass man aus der Position der Stärke raus für viele Jahre Frieden sichern konnte und friedliche Koexistenz", führt Pistorius aus. Als nötige Schritte zählt er auf:
    • die Ausstattung der Bundeswehr,
    • die Herstellung der Verteidigungsfähigkeit,
    • die Veränderung der Nato-Pläne und
    • das Gleichziehen mit den Fähigkeiten Russlands.
    Klar sei: "Wir bedrohen niemanden, wir wollen niemanden attackieren."

    Wir wollen uns verteidigen können und signalisieren das in aller Deutlichkeit. Und nur darum geht es.  

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    Boris Pistorius (r, SPD), Bundesminister der Verteidigung, und Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, beobachten die Nato-Übung «Arctic Defender 2024» auf der Eielson Air Force Base bei Fairbanks im US - Bundesstaat Alaska
    Für Bundesverteidigungsminister Pistorius geht es beim "Arctic Defender"-Großmanöver auch um Abschreckung. 09.07.2024 | 1:22 min

    ... die Zeitenwende

    Die Zeiten, in denen man sich nicht mehr mit "all diesen Fragen von Bedrohungen" auseinandersetzen musste, seien "erst einmal vorbei", bedauert Pistorius. Mit den bald in Deutschland stationierten Langstreckenraketen wolle man "alles Mögliche dafür tun, dass es nie zu einem Konflikt kommt". Erst recht kein nuklearer Konflikt, betont der Verteidigungsminister.
    "Und das deutlich zu machen ist leider, das bedauere ich auch, Ausdruck dessen, was Zeitenwende ausmacht", so Pistorius.

    Wir müssen uns mit diesen Bedrohungen auseinandersetzen, ruhig, klar und besonnen und ohne Alarmismus. 

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    Stationierung 2026
    :USA planen Langstreckenwaffen in Deutschland

    Erstmals seit dem Kalten Krieg wollen die USA wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren. Diese könnten dann auch Ziele weit im Inneren von Russland erreichen.
    Archiv: Am 18. August 2019 führte das Verteidigungsministerium auf San Nicolas Island, Kalifornien, einen Flugtest einer konventionell konfigurierten bodengestützten Marschflugkörper durch.
    mit Video
    Quelle: ZDF

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