Nordkorea: Wie weit ist das Atomprogramm von Kim Jong Un?

    FAQ

    Fotos von Urananreicherungsanlage:Wie steht es um Nordkoreas Atomprogramm?

    von Julian Vulturius
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    Mit Bildern aus einer Anreicherungsanlage gibt Nordkorea einen seltenen Einblick in sein Atomprogramm. Warum veröffentlicht das Regime jetzt Bilder? Die wichtigsten Antworten.

    Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un (vorne) inspiziert das Nuklearwaffeninstitut und die Produktionsbasis für waffenfähiges Nuklearmaterial an einem unbekannten Ort in Nordkorea.
    Dieses und andere Bilder von Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un verbreitete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Freitag. Sie sollen eine Anlage zeigen, die zur Urananreicherung genutzt wird.
    Quelle: AFP

    Nordkorea verschärft seine Rhetorik und will Stärke als Atommacht demonstrieren. Am Montag kündigte Machthaber Kim Jong Un an, das eigene nukleare Waffenarsenal "exponentiell" auszubauen, am Donnerstag feuerte Nordkorea bei seinem jüngsten Waffentest erneut Raketen ins Japanische Meer. Am Freitag veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA schließlich Bilder, die eine Urananreicherungsanlage zeigen sollen.
    Der Nordkorea-Experte Eric J. Ballbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik ordnet ein, wie die Entwicklungen rund um Nordkoreas Atomprogramm zu bewerten sind.
    Montage: Links Kim Jong-un und zwei Offiziere, alle sind bester Laune, rechts das Bild einer startenden Rakete.
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    Worum geht es Nordkorea bei seinem Atomprogramm?

    "Für Nordkorea hat sein Atomprogramm eine herausragende Bedeutung: nicht nur militärisch, sondern auch politisch und ökonomisch", ordnet Ballbach die Bestrebungen des Regimes ein. Die Wurzeln des Nordkoreanischen Atomprogramms gingen bis in die 1950er Jahre zurück, anfangs sei es dabei um Energiegewinnung gegangen.
    Seit Ende der 1980er Jahre sei die Ausrichtung allerdings eindeutig militärisch, so Ballbach. Der erste Atomtest Nordkoreas mit einer Bombe war 2006 ein Wendepunkt, 2017 folgten fünf weitere.
    Trotz knapper Ressourcen und großer Probleme im Land setze Nordkorea Mittel für das Atomprogramm ein. Das hat für Ballbach klare Gründe:

    Für das Regime in Pjöngjang ist das Atomprogramm mehr als ein zentrales Element militärischer Absicherung. Die nordkoreanische Führung hat ihr eigenes Überleben an den Besitz von Nuklearwaffen gebunden. Das macht Verhandlungen enorm schwierig.

    Eric J. Ballbach, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Das Nordkoreanische Narrativ laute dabei immer, dass "US-Imperialisten" mit einem Angriff von außen drohten, so Ballbach.

    Auf welchem Stand ist Nordkoreas Atomprogramm?

    Seit 2009 hat die Internationale Atomenergiebehörde keinen Zugang mehr zu Nordkorea, entsprechend schwierig ist eine Einschätzung des Atomprogramms von außen. In mehreren Atomanlagen reichere das Land Plutonium und Uran an, sagt Ballbach: "Zwei Urananreicherungsanlagen sind auf Satellitenanlagen eindeutig erkennbar." Man sehe außerdem, dass diese Anlagen weiter ausgebaut würden.

    Darüber hinaus muss man davon ausgehen, dass es geheime Anlagen gibt. Deren Größe kann man nicht abschätzen.

    Eric J. Ballbach, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Nordkorea könnte derzeit über rund 50 atomare Sprengköpfe verfügen, schätzte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri im Juni. Auch die Federation of American Scientists nennt in einer Veröffentlichung aus dem Juli diese Zahl. Möglicherweise habe das Land aber bereits spaltbares Material für die Herstellung von bis zu 90 Atomsprengköpfen produziert, schreiben die Autoren.

    Welche Bedeutung haben die neuen Bilder aus den Urananreicherungsanlagen?

    "Für mich besteht kein Zweifel an der Echtheit der Bilder", sagt Ballbach. Er findet die Veröffentlichung "sehr ungewöhnlich", derartige Einblicke gebe es aus Nordkorea normalerweise nicht. Schließlich könne man daraus Rückschlüsse auf die Anzahl der Zentrifugen, die Größe des Anreicherungssystems und das verwendete Kaskadensystem in der Anlage gewinnen.

    Hinter der Veröffentlichung steckt eindeutig politisches Kalkül. Es ist ein Signal nach außen und nach innen. Das ist sehr gefährlich und besorgniserregend.

    Eric J. Ballbach, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Warum führt Nordkorea Raketentests durch?

    Ballbach bewertet die Raketentests als "für das Regime ganz wichtig". Jede Atommacht brauche nicht nur nukleare Sprengköpfe, sondern dazu auch Trägersysteme.

    Das Signal der Raketentests ist: Unsere Technologie ist einsatzfähig.

    Eric J. Ballbach, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Nordkorea besitze mittlerweile die ganze Bandbreite verschiedener Reichweiten bis hin zu Interkontinentalraketen, erklärt der Wissenschaftler. "Seine Raketen verkauft Nordkorea an Länder wie Russland, Syrien und Iran", ergänzt er, "Russland setzt diese Raketen in der Ukraine ein".
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    Wie könnte es mit Nordkoreas Atomprogramm weitergehen?

    Ballbach findet es schwierig, über das weitere Verhalten Nordkoreas zu spekulieren. Man könne die aktuellen Entwicklungen in dem Land immer nur in ihren Kontext setzen - auch, wenn es naheliegend sei, dass es einem Zusammenhang mit den anstehenden Wahlen in den USA gebe. Außerdem traf am Freitag Sergej Schoigu, der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.
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    "Nordkorea und Russland kooperieren immer stärker", auch weil beide stark von internationalen Sanktionen betroffen seien, erklärt Ballbach. Gleichzeitig rückten die USA und Südkorea enger zusammen. Ballbach beobachtet die Entwicklungen mit Sorge:

    Die Lage um die koreanische Halbinsel wird immer gefährlicher.

    Eric J. Ballbach, Stiftung Wissenschaft und Politik

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