Nord Stream: Die Rolle der verdächtigen Jacht Andromeda

    Verdächtige Segeljacht gefunden:Nord-Stream-Anschlag: Die Rolle der Andromeda

    von David Gebhard, Julia Klaus, Felix Klauser
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    Mithilfe einer Segeljacht sollen die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines verübt worden sein. ZDF Frontal hat die Andromeda gefunden. Ist die Ein-Schiff-These plausibel?

    Segelyacht Andromeda auf dem Trockendock
    Die Sabotage an den Gas-Pipelines von Nord Stream in der Ostsee birgt immer wieder neuen politischen Sprengstoff. Jetzt schlägt eine verdächtige Segelyacht hohe Wellen.14.03.2023 | 11:18 min
    Nach tagelanger Suche haben wir sie gefunden: Aufgebockt in einem alten Militärhafen auf Rügen liegt sie da - die Segeljacht "Andromeda", das derzeit vielleicht politischste Schiff der Welt. Es soll bei der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines im September eine zentrale Rolle gespielt haben. Das ergaben neue Recherchen der ARD und der "Zeit".
    Sechs Personen - darunter zwei Taucher - sollen mit ihr von Rostock aus in See gestochen sein. Das Ziel: Die Röhren am Grund der Ostsee, in 70 und 88 Metern Tiefe, die schließlich am 26. September explodierten.
    Grafik: Die Nord Stream- Explosionsstellen
    Das sind die Nord Stream - Explosionsstellen
    Quelle: Quadrolux

    Wir mieten eine ähnliche Jacht des Charterers - die "Unsinkbar 2" - und fahren mit Skippern nach Wiek, hinaus auf die Ostsee. Wir vollziehen einen Teil des Weges nach, den die Andromeda - mutmaßlich mit Sprengstoff beladen - genommen haben soll. Können ein einziges Schiff und eine Crew aus sechs Personen einen solch komplexen Anschlag begehen?

    Welche Rolle spielte die Andromeda?

    Die Andromeda ist eine 15 Meter lange Segeljacht, vom Typ Bavaria C50. Ihr Charterer vermietete sie im September vom Rostocker Hafen "Hohe Düne" aus. Von dort soll sie losgefahren und danach in Wiek auf Rügen Halt gemacht haben. Zwischen dem 16. bis 18. September soll sie bei der dänischen Insel Christiansø gewesen sein. Wenige Tage später explodierten in der Nähe die Pipelines.
    Derzeit liegt die Andromeda an Land - in einem alten Militärhafen in Dranske auf Rügen. Im Januar hatten deutsche Ermittler sie untersucht und laut Generalbundesanwalt Sprengstoffreste auf einem Tisch gefunden.
    Yacht Andromeda
    Segelschiff Andromeda - wurden von ihr aus die Sprengsätze verlegt?
    Quelle: ZDF/Frontal

    Logistik, Tauchgang, Sprengstoff: Was ist plausibel?

    1. Logistik: Hätte eine Gruppe von sechs Personen mit nur einem Boot die Pipelines alleine sprengen können? Göran Swistek, Experte für maritime Sicherheit, hat an der Ein-Schiff-Theorie enorme Zweifel: Die Menge an Sprengstoff, die finanziellen Ressourcen, das Material, das mitgeführt werden muss, dazu die Anfahrt über die Punkte oberhalb der drei Explosionsorte, ohne abzudriften. "Vermutlich werden da noch andere Kräfte unterstützt haben. Also ich persönlich halte es für plausibel, dass entweder ein größeres Schiff beteiligt war oder mehrere."
    2. Sprengstoff: Um die Pipelines zu sprengen, wären - so schätzen Ermittler - je Explosion rund 500 Kilogramm TNT-Äquivalent nötig. Wie viel genau benutzt wurde, lässt sich nicht sagen, denn es ist unklar, welcher Sprengstoff benutzt wurde. So etwas heimlich zu besorgen, wäre aber extrem schwer, meint der Cyber-Experte Sandro Gayken. Im Darknet findet er zwar Angebote für kleinere Mengen. Doch das unerkannt zu bestellen - schwierig: "Gerade bei Sprengstoff sind es ja dann nicht nur die Polizei, sondern auch die Nachrichtendienste, die da reingucken." Dass private Akteure das besorgt haben könnten - auch der Vorsitzende der Bund der Kriminalbeamten hegt daran Zweifel: "Wenn, dann spricht eher was dafür, dass es sich um Personen handelt, die entweder staatlichen Akteuren verbunden sind oder eben Teil dieser staatlichen Akteure sind."
    3. Tauchgang: Die Detonationen an den drei Pipelines ereigneten sich in 70 und 88 Metern Tiefe. Um dort hinunter zu tauchen, braucht es Profis. Der ehemalige NVA-Kampftaucher Wolfgang Frank rechnet vor, dass er für Arbeiten in dieser Tiefe eineinhalb Stunden einplanen würde: Drei Minuten, um auf den Grund zu tauchen, eine halbe Stunde für die Arbeiten in der Tiefe und eine Stunde, um langsam wieder aufzutauchen. Anschließend drei bis vier Stunden als Regenerationszeit. ZDF Frontal hat ihm Wetterdaten vorgelegt, denn fürs Tauchen ist ein niedriger Wellengang entscheidend. Wellen von mehr als einem halben Meter stellen eine echte Herausforderung dar. Der Profitaucher hält zwei Zeiträume für realistisch: Den 9. und 10. September und den 21. bis 25. September. Eine kurze Spanne also. Doch er sagt: "Es ist möglich."
    Grafik: Nordstream Explosionsstellen - Wellengang in m
    Grafik: Nordstream Explosionsstellen - Wellengang in Metern
    Quelle: Quadrolux

    Wer könnte hinter der Nord-Stream-Sabotage stecken?

    Ungeklärt ist weiterhin, wer die Drahtzieher sind. ARD und die "Zeit" berichten von einer Firma in Polen, die die Andromeda gemietet habe - dahinter sollen zwei Ukrainer stehen, mit Kontakten zu weiteren Ukrainern. Die "New York Times" berichtet von einer "pro-ukrainischen Gruppe".
    Zur Regierung in Kiew gibt es keinerlei Hinweise. Sie weist - wie auch die USA oder Russland - eine Beteiligung an den Sabotage-Akten strikt zurück.
    Steht eine proukrainische Gruppe hinter den Nord Stream-Explosionen? Experte Göran Swistek bezweifelt, dass eine kleine Gruppe von Personen eine solche Tat bewerkstelligen könnte:
    Die Ostsee wird viel befahren und die Andromeda ist deshalb nur eines von vielen Schiffen, das damals über die Gas-Pipelines fuhr. Rätsel gibt zum einen der Öltanker "Minerva Julie" auf, der im späteren Explosionsgebiet über mehrere Tage hinweg kreuzte und regelmäßig Russland anfuhr.
    Auch ein Schiff der Marine war in einem Zeitraum, in dem das Wetter mitgespielt hätte, in der Nähe. Was es dort getan hat, will ein Sprecher der Marine ZDF Frontal nicht mitteilen, das sei geheim. Nur so viel: Erkenntnisse zur Täterschaft habe man nicht erlangen können.
    Energiesicherheit in Deutschland
    08.05.2022 | 28:51 min
    Putins Krieg hat Deutschlands Abhängigkeit von russischem Erdgas gnadenlos offengelegt:

    Kampf um die politische Deutungshoheit hat begonnen

    Während auch ein halbes Jahr nach den Anschlägen vieles im Unklaren bleibt, hat die politische Deutung längst begonnen. Der oberste Geheimdienst-Kontrolleur, der Grüne Konstantin von Notz, drängt zwar darauf:

    Es ist alles zu neblig und zu unklar. Man muss sich Zeit nehmen. Man muss das in Ruhe ausermitteln.

    Konstantin von Notz, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums

    Doch andere halten sich weniger zurück. Während der CDU-Mann Roderich Kiesewetter auf eine schnelle Aufklärung drängt, um die Unterstützung für die Ukraine nicht zu gefährden, geht es für AfD-Chefin Alice Weidel, so suggiert sie in einem Tweet, nur noch darum, ob es die USA oder die Ukraine gewesen seien. Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen wiederum spottete auf Twitter über "6 ukrainische Bademeister" und hält die Andromeda-Recherchen für eine "Verschwörungstheorie" zugunsten der USA. Der SPD-Politiker Ralf Stegner hatte von "politischen Turbulenzen" geschrieben, sollten die Medienberichte stimmen, dass Putin es nicht war - und dafür eine Menge Kritik bekommen.

    Dass das alleine schon dazu führt, dass Leute sehr aufgeregt sind, zeigt nach meiner Einschätzung, wie nötig es ist, das unbefangen und ohne irgendeine Färbung anzugehen und dass Ermittlungen eben neutral geführt werden müssen und nicht mit gewünschten oder ungewünschten Ergebnis.

    Ralf Stegner, SPD

    Fazit: Die Andromeda könnte für die Sabotage der Nord-Stream-Röhren benutzt worden sein. Doch die Logistik mit einem so kleinen Segelboot, das Besorgen des Sprengstoffs und der Tauchgang, wären extrem kompliziert gewesen. Ob eine einzige Jacht mit sechs Leuten das hätte ausführen können - an dieser Ein-Schiff-Theorie gibt es enorme Zweifel.
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