Haftbefehl wegen Gaza: Müsste Deutschland Netanjahu festnehmen?
FAQ
Haftbefehl wegen Gaza-Vorgehen:Müsste Deutschland Netanjahu festnehmen?
von Daniel Heymann, Nils Metzger
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Würde Deutschland Israels Premier Netanjahu bei einem Besuch festnehmen und an Den Haag ausliefern? CDU-Außenpolitiker Laschet verneint das. Doch wozu verpflichtet das Völkerrecht?
Riskiert Israels Premier Benjamin Netanjahu bei einem Besuch in Deutschland die Verhaftung? Das ist die rechtliche Lage. (Archivbild)
Quelle: dpa
Seit November 2024 besteht ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag gegen den israelischen Premier Benjamin Netanjahu wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zusammenhang mit Israels Vorgehen gegen die Hamas im Gazastreifen.
Die Kämpfe der israelischen Armee im Gazastreifen dauern weiter an. Trotz vieler Opfer und internationaler Kritik lässt Israel nicht von seiner Großoffensive ab.26.05.2025 | 1:32 min
Müsste Deutschland Netanjahu bei einem Besuch festnehmen und an Den Haag ausliefern? Während die internationale Kritik an Israels erneuter Großoffensive im Gazastreifen wächst, bezog der neue Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Armin Laschet (CDU), am Sonntag in der ZDF-Sendung Berlin direkt klar Stellung:
Sollte er kommen zu irgendeiner Konferenz, wird er auf deutschem Boden nicht verhaftet.
„
Armin Laschet, CDU-Außenpolitiker
Am Montag bekräftigte Laschet im ZDF-Morgenmagazin: "Ich prophezeie Ihnen, in keinem Mitgliedsland der Europäischen Union, auch nicht in Frankreich, wird auf dem Flughafen der israelische Ministerpräsident verhaftet."
Das Vorgehen Israels in Gaza sei "völkerrechtswidrig", sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Armin Laschet (CDU) im ZDF. Kritik an Israel sei trotz Staatsräson legitim.25.05.2025 | 5:26 min
Was ist die Rechtslage?
Deutschland erkennt den Internationalen Strafgerichtshof an und bekannte sich in der Vergangenheit immer wieder zu dessen Arbeit und der Bedeutung des Völkerrechts. Rechtliche Grundlage für den IStGH ist das auch von Deutschland ratifizierte Römische Statut. Dessen Artikel 89 verpflichtet Deutschland prinzipiell zur Zusammenarbeit:
"Der Gerichtshof kann jedem Staat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person vermutlich befindet, ein Ersuchen um Festnahme und Überstellung dieser Person (…) übermitteln und diesen Staat um Zusammenarbeit bei der Festnahme und Überstellung der Person ersuchen. Die Vertragsstaaten leisten Ersuchen um Festnahme und Überstellung (…) Folge."
Doch damit ist die Frage nicht abschließend geklärt, denn es gibt weitere völkerrechtliche Normen, die eine Rolle spielen. Ein aktuelles Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages verweist etwa darauf, dass eine Verhaftung Netanjahus, also eines amtierenden Regierungschefs im Ausland, einen Verstoß gegen den aus Artikel 2 der UN-Charta abgeleiteten "Grundsatz der Staatensouveränität und Staatenimmunität" darstellen könnte.
Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
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In den Augen des IStGH greift diese Immunität nicht, denn das Römische Statut verneint in Artikel 27 eine Immunität von Staats- und Regierungschefs. Dabei ist es nach Auslegung des Gerichts auch unerheblich, dass Israel das Römische Statut nicht unterzeichnet hat, also sogenannter Drittstaat ist. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes verweist hingegen auf Artikel 98 Absatz 1 des Römischen Statuts, woraus man eine Immunität von Drittstaaten ableiten könne.
Friedrich Merz hat das Vorgehen Israels stark kritisiert. Wie diese Aussagen einzuschätzen sind, berichtet ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann aus Berlin.26.05.2025 | 1:34 min
Völkerrechtsexperten betonen hingegen, dass die Regelung in diesem Zusammenhang nicht passe. Vor allem aber habe die Auslegung des IStGH Vorrang. So sieht es auch Kai Ambos, Professor für Straf- und Völkerrecht an der Universität Göttingen:
Die verbindliche Auslegung des Römischen Statuts ist Aufgabe des IStGH - das ist vergleichbar mit der Auslegung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht in Deutschland oder des Europarechts durch den Europäischen Gerichtshof.
„
Kai Ambos, Straf- und Völkerrechtler an der Universität Göttingen
Über dieses Monopol des IStGH könnten sich Staaten nicht einfach hinwegsetzen, erläutert Ambos weiter. Sie hätten nur die Möglichkeit, das Römische Statut zu ändern, müssten dabei aber das Völkergewohnheitsrecht beachten. Nach der aktuellen Rechtslage sei Deutschland laut Ambos verpflichtet, den Haftbefehl des IStGH zu befolgen.
Israel treibt seine Großoffensive trotz internationaler Kritik weiter voran. Eingetroffene Hilfslieferungen reichen bei dem großen Hunger und Leid der Menschen nicht aus.26.05.2025 | 1:19 min
Was hat Deutschland bei Untätigkeit zu befürchten?
Würde Deutschland Netanjahu dennoch unbehelligt ins Land lassen, würde man zwar Kritik durch den IStGH riskieren, handfeste Folgen oder gar Strafen müsste die Bundesregierung nicht fürchten.
Ein IStGH-Urteil von 2019 kritisierte etwa Jordanien, den damals ebenfalls per Haftbefehl gesuchten sudanesischen Präsidenten Umar al-Baschir nicht ausgeliefert zu haben. Ähnlich rügte das Gericht 2024 die Mongolei, wegen Missachtung eines Haftbefehls gegen Wladimir Putin bei dessen Staatsbesuch im Land.
Für die deutschen und europäischen Bemühungen, mehr Staaten international zu einer Ächtung Russlands und Putins zu bewegen, hätte eine ausbleibende Verfolgung Netanjahus mit Sicherheit negative Auswirkungen. Es könnte als Doppelmoral verstanden werden und die Wirkung von IStGH-Haftbefehlen dauerhaft beschädigen.
"Die Anzahl von unterernährten Kindern steigt drastisch" und viele Kinder seien sehr stark traumatisiert, sagt Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk von Ärzte ohne Grenzen.26.05.2025 | 5:41 min
Wie realistisch ist, dass Netanjahu nach Deutschland kommt?
Bereits unmittelbar nach seinem Erfolg bei der Bundestagswahl im Februar hatte CDU-Chef Friedrich Merz in Aussicht gestellt, "Mittel und Wege zu finden, dass er Deutschland besuchen kann und auch wieder verlassen kann".
Ich halte es für eine ganz abwegige Vorstellung, dass ein israelischer Ministerpräsident die Bundesrepublik Deutschland nicht besuchen kann.
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Friedrich Merz Ende Februar
Aktuell gibt es jedoch keine öffentlich bekannten Pläne für einen Staatsbesuch von Benjamin Netanjahu in Deutschland. Die Diskussion um den Haftbefehl bezeichnete Laschet im Interview darum als "Spitzfindigkeiten".
Man solle sich auf das Schicksal der Menschen vor Ort konzentrieren. Hier hatte Laschet der israelischen Regierung am Sonntag Verstöße gegen das Völkerrecht durch "Zurückhalten von Hilfslieferungen" vorgeworfen. Auch Kanzler Merz äußerte bei einer Veranstaltung am Montag deutliche Kritik am israelischen Vorgehen und dem Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
Israel hat in der Nacht zum Freitag iranische Atomanlagen und weitere militärische Ziele angegriffen. Der Iran reagiert mit Gegenschlägen. Alle Entwicklungen im Liveblog.
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