Nato-Beistandspflicht Unterstützung im Verteidigungsfall?

    FAQ

    Hilfe im Verteidigungsfall:Wie weit geht die Beistandspflicht der Nato?

    Jan Henrich
    von Jan Henrich
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    In einzelnen Äußerungen soll US-Präsident Trump die Unterstützung für Nato-Partner in Frage gestellt haben. Was steht im Nordatlantikvertrag zur Beistandspflicht? Ein Überblick.

    Symbolbild: Büste von Donald Trump vor zerrissener NATO-Fahne
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    Offiziell ist die Haltung der US-Regierung unverändert: Präsident Donald Trump bekenne sich zur Nato und zur Beistandspflicht im Angriffsfall. Das bestätigte ein Vertreter des US-Sicherheitsrats vergangene Woche erneut dem Sender NBC. Doch hinter den Kulissen soll es andere Töne geben.
    Trump habe laut Medienberichten mit Mitarbeitern des Weißen Hauses darüber gesprochen, die Unterstützung im Verteidigungsfall an Bedingungen zu knüpfen. Das könnte laut Experten ein Bruch mit dem Nordatlantikvertrag darstellen. Dessen 14 Artikel bilden den Rahmen für die Rechte und Pflichten von Nato-Mitgliedern.

    Was bedeutet die Nato-Beistandspflicht?

    Die Beistandspflicht ist der Kern des Verteidigungsbündnisses. Nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags wird ein bewaffneter Angriff auf einen Mitgliedstaat als Angriff auf alle Bündnispartner gesehen. In einem solchen Fall sind alle Mitglieder verpflichtet "Maßnahmen" zu treffen, um für die Sicherheit des Nato-Gebiets zu sorgen.

    Gründungskonferenz der Nato in Washington
    Quelle: AP

    Die Nato - die "North Atlantic Treaty Organisation" - wurde nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 als kollektive Selbstverteidigungsorganisation gegründet. Eine besondere Rolle nahm das Bündnis während des Kalten Krieges als Gegengewicht zum Warschauer Pakt ein.

    Die zwölf Gründungsmitglieder waren: Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal und USA. Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1955 aufgenommen. Mittlerweile umfasst das Bündnis 32 Mitgliedsstaaten.

    Wann ein Bündnisfall vorliegt, wird von den Mitgliedstaaten durch einen Beschluss im Nato-Rat festgestellt. Die Entscheidung wird im Konsens getroffen.
    Bislang wurde Artikel 5 in der Geschichte der Nato erst einmal ausgelöst - für die Unterstützung der USA nach den Terroranschlägen des 11. September 2001.

    In welchem Umfang müssen Nato-Staaten Unterstützung leisten?

    Ein Großteil der abschreckenden Wirkung des Bündnisses basiert auf dem Vertrauen, dass Mitgliedstaaten wie die USA im Falle eines Angriffs militärisch beistehen. Einen rechtlichen Anspruch auf bestimmte Formen der Unterstützung gibt es allerdings nicht.
    08.07.2024, USA, Fairbanks: US-Soldaten gehen an einem F-22 Kampfjet bei der Nato-Übung ·Arctic Defender 2024· auf der Eielson Air Force Base bei Fairbanks im US-Bundesstaat Alaska vorbei. Eurofighter-Besatzungen aus mehreren Staaten üben gemeinsam mit den USA und unter deutscher Führung in Alaska Luftkriegsoperationen unter Nato-Standards. Angenommen wird dabei ein Angriff auf die Allianz und der Bündnisfall («Artikel 5»).
    Die Nato-Partner halten regelmäßig gemeinsam realitätsnah Übungen ab, wie hier mit dem Manöver "Arctic Defender" in Alaska im vergangenen Sommer.09.07.2024 | 1:57 min
    Der Vertrag sieht lediglich vor, dass Parteien "Maßnahmen" ergreifen, die sie individuell "für erforderlich erachten". Es gebe dabei keinen Automatismus, sagt Völkerrechtsexperte Daniel-Erasmus Kahn von der Bundeswehr-Universität München im Gespräch mit dem ZDF.

    Die Tatsache, dass man reagieren muss, steht außer Frage. Beim "Wie" gibt es Spielräume.

    Daniel-Erasmus Kahn, Professor für Völkerrecht

    Die Unterstützung kann demnach unterschiedlich ausfallen. Staaten können militärisch eingreifen, aber auch Waffenlieferungen, finanzielle Unterstützung oder andere Hilfen sind möglich. In Deutschland wäre ein Einsatz der Bundeswehr zudem von der Zustimmung des Bundestages abhängig.

    Könnte ein Staat seine Unterstützung an Bedingungen knüpfen?

    Die Unterstützung grundsätzlich und einseitig an Bedingungen zu knüpfen gehe allerdings nicht, so Kahn. Das gilt auch für die Höhe der Verteidigungsausgaben. Das sogenannte "Zwei-Prozent-Ziel" ist zudem nicht explizit Teil des Nordatlantikvertrags.
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    Beim Nato-Gipfel 2002 in Prag hatten die Mitgliedstaaten verabredet, ihre jeweiligen Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Das Ziel wurde danach auch 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales und weiteren Treffen bekräftigt.
    Möglich ist ein Austritt aus dem Bündnis. Eine Zustimmung anderer Mitgliedstaaten bedarf es dafür nicht. Artikel 13 des Nordatlantikvertrags sieht allerdings eine Kündigungsfrist von einem Jahr vor. In der Vergangenheit hatten zudem einzelne Staaten auch die Möglichkeit genutzt, zeitweise die Militärstruktur der Nato zu verlassen. Sie blieben aber weiterhin Mitglied.

    Gibt es eine Beistandspflicht innerhalb der EU?

    Neben der Nato ergibt sich eine Beistandspflicht im Verteidigungsfall auch aus der Mitgliedschaft in der EU. Artikel 42 des Vertrags der Europäischen Union (EUV) sieht vor, dass Mitgliedstaaten bei einem Angriff auf das Hoheitsgebiets eines anderen Mitgliedstaats "alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung" schuldig sind.
    ZDF-Korrespondent Elmar Thevessen
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    Die Formulierung sei damit noch etwas konkreter als die des Nordatlantikvertrags, erklärt Völkerrechtler Kahn.

    Der EU-Vertrag geht weiter als der Nato-Vertrag.

    Daniel-Erasmus Kahn, Universität der Bundeswehr München

    Einen Automatismus für ein militärisches Eingreifen ergibt sich allerdings auch daraus nicht. Erstmals wurde die EU-Beistandsklausel als Reaktion auf die Anschläge des sogenannten Islamischen Staates im November 2015 in Paris aktiviert.
    Jan Henrich ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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